Auch ein erhebliches Übergewicht gehört zu den Faktoren, die einen Bezug zu einer Behinderung aufweisen und daher bei der Beurteilung des Gehvermögens Berücksichtigung finden müssen (so BSG, Urteil vom 24. April 2008, B 9/9a SB 7/06 R, SozR 4-3250 § 146 Nr. 1). Die funktionellen Auswirkungen einer Adipositas permagna sind nicht nur bei Einschätzung eines aus anderen Gesundheitsstörungen folgenden GdB erhöhend zu berücksichtigen (vgl. Nr. 26.15 [S. 99]der AHP 200 bzw. Teil B Nr. 15.3 [Bl. 74] der Anlage zur VersMedV), sondern auch insoweit, als sie zu einer Einbuße der in § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr führen (vgl. BSGE 62, 273, 274 = SozR 3850 § 60 Nr. 2 S 2.).
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat   15.04.2010    L 13 SB 82/08Bei einem Asperger - Syndrom können aufgrund erheblicher Kommunikations- und sozialer Defizite die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens H erfüllt sein.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 11. Senat   23.06.2011   L 11 SB 374/09
Bei kindlichem Asperger-Syndrom kommt es bei der Bewertung des GdB darauf an, wann die Entwicklungsstörung mit einem geeigneten Testverfahren festgestellt und sie erstmals manifest wird.
Landessozialgericht Baden-Württemberg 6. Senat   21.02.2013   L 6 SB 4007/12
Teil D Ziff. 2 a) S. 2, 3 der Versorgungsmediznischen Grundsätze stellt klar, dass auch bei Säuglingen und Kleinkindern dieselben Kriterien wie bei Erwachsenen mit gleichen Gesundheitsstörungen maßgebend sind, wobei diese Regelung für übrige Kinder und Jugendliche in gleicher Weise gilt.
Insofern ist danach zu fragen, ob die vorliegenden Gesundheitsstörungen bei einem Erwachsenen zur Notwendigkeit einer ständigen Begleitung führen würden
Die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen von Säuglingen und Kindern sind also auf einen gedachten Erwachsenen zu übertragen. Soweit bei diesem hiernach die Voraussetzungen für das Merkzeichen B zu bejahen wären, steht es auch dem Säugling oder Kind zu.  
SG Aachen 18. Kammer   18.02.2020   S 18 SB 181/18
Die Feststellung eines GdB wegen eines gesicherten frühkindlichen Autismus ist rückwirkend auch ab der Geburt möglich, wenn sich bereits ab Geburt hinreichend gesichert besondere Auffälligkeiten manifestieren, die nach dem Stand der Wissenschaft als frühe Kennzeichen für einen frühkindlichen Autismus zu werten sind
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 13. Senat   25.04.2018     L 13 SB 93/17
Wer aufgrund eines schwerstgradig ausgeprägten Autismussyndroms nicht in der Lage ist, selbstständig zielgerichtet – auch unter Zuhilfenahme einer Begleitperson – eine auch nur geringfügige Strecke zurückzulegen, ist als außergewöhnlich gehbehindert i. S. v. § 229 Abs. 3 SGB IX anzusehen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens aG sind dann ausnahmsweise trotz prinzipiell physisch vorhandener Gehfähigkeit gegeben.
SG Gießen 16. Kammer   30.01.2020    S 16 SB 110/17
Bewertung Autismus bei Erwachsenen:
Diese Grundsätze führen im vorliegenden Fall zur Annahme eines Einsatzwertes von 30 hinsichtlich der autistischen Erkrankung und zu einer Beurteilung des einheitlich zu bewertenden Funktionssystems „Nervensystem und Psyche“ mit einem Einzel-GdB von 40. Hierbei ist im Vergleich zu den Maßstäben nach Teil B Nr. 3.7 VMG zu berücksichtigen, dass nach einem Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 18./19. März 1998 psychische Anpassungsschwierigkeiten, die einen Einzel-GdB von 30 bis 40 rechtfertigen, bereits durch Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße gekennzeichnet sind; derartige vom Sachverständigenbeirat entwickelte Abgrenzungskriterien können zur Auslegung herangezogen werden (BSG, Urteil vom 23. April 2009 – B 9 VG 1/08 – juris Rn. 43; Senat, Urteil vom 26. September 2018 – L 13 SB 32/17 –; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Februar 2013 – L 11 SB 245/10 – juris Rn. 45 ff.), wobei der Senat Kontaktmöglichkeiten und Vitalität als besonders bedeutsam für die Teilhabe ansieht, ferner den Erhalt der Möglichkeit einer Verfolgung von Lebensfreude. Hierbei setzt eine stärker behindernde psychische Störung, die für sich allein genommen einen Einzel-GdB von 40 rechtfertigt, regelmäßig einen erheblichen Verlust an sozialen Kontakten oder Vitalität voraus, was sich in der Regel durch deutliche Anzeichen sozialer Isolation und/oder Interesselosigkeit und geschwundene Lebensfreude manifestiert. Ein Indiz für bestehenden Leidensdruck ist darüber hinaus auch die Behandlungsfrequenz beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie oder beim Psychotherapeuten, ferner die – ggf. wiederholte – Durchführung stationärer Maßnahmen. Die Überzeugungsbildung in Bezug auf eine dauerhaft bestehende erhebliche psychische Erkrankung ist bei fehlender angemessener Behandlung zumindest erschwert (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Dezember 2016 – L 7 SB 86/15). Selbstverständlich ist diese Aufzählung nicht abschließend; Indizien jeglicher Art sind zur Ermittlung der Schwere der psychischen Beeinträchtigung und des Teilhabeverlustes heranzuziehen und auszuwerten.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 13. Senat   14.07.2021    L 13 SB 66/19
Wer aufgrund eines schwerstgradig ausgeprägten Autismussyndroms nicht in der Lage ist, selbstständig zielgerichtet – auch unter Zuhilfenahme einer Begleitperson – eine auch nur geringfügige Strecke zurückzulegen, ist als außergewöhnlich gehbehindert i. S. v. § 229 Abs. 3 SGB IX anzusehen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens aG sind dann ausnahmsweise trotz prinzipiell physisch vorhandener Gehfähigkeit gegeben.
SG Gießen 16. Kammer   30.01.2020    S 16 SB 110/17
Aufgrund der vorliegenden Erfahrungen mit einer CI-Versorgung bei Menschen mit angeborener Taubheit ist je nach Ausmaß des Spracherwerbs ein GdB von 80 bis 100 als Ausnahme zu dem "in der Regel" anzunehmenden GdB von 100 gerechtfertigt. Durch die VmG Teil B Nr. 5.1 selbst sowie auch den Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirates Versorgungsmedizin beim BMAS aus dem Jahr 2008 kommt unmissverständlich zum Ausdruck, dass nicht allein das Kriterium der Taubheit, sondern auch die sich aus der jeweiligen Störung des Spracherwerbs resultierende Funktionsbeeinträchtigungen Ausfluss auf die Höhe des GdB haben.
Ein gleich aus welchem Grunde erfolgter Spracherwerb wirkt sich auf den GdB für das Gehör mindernd aus.
SG Chemnitz 16. Kammer   24.01.2017    S 16 SB 180/15Die Bewertung der Colitis ulcerosa richtet sich nach Teil B Nr. 10.2.2 VMG. Mittelschwere Auswirkungen (häufig rezidivierende oder länger anhaltende Beschwerden, geringe bis mittelschwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufiger Durchfälle) bedingen einen GdB von 30-40, schwere Auswirkungen (anhaltende oder häufig rezidivierende erhebliche Beschwerden, erhebliche Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufige, tägliche, auch nächtliche Durchfälle) einen GdB von 50-60. Ob die genannten Regelbeispiele alternativ oder kumulativ zu verstehen sind, ist umstritten (ausdrücklich für ein alternatives Verständnis Sächsisches LSG, Urteil vom 25.05.2005 - L 6 SB 55/04, juris Rn 37; für ein kumulatives Verständnis wohl LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.06.2010 - L 7 SB 8/05, juris Rn 63).
Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen 13. Senat   13.06.2014     L 13 SB 371/13
Eine erhebliche Minderung des Kräfte- und Ernährungszustands, die bei chronischen Darmstörungen einen GdB von 50 bedingt, liegt bei einem nur leichten Untergewicht und einem insgesamt ordentlichen Allgemeinzustand nicht vor, zumal wenn keinerlei Therapien durchgeführt werden, so dass der darin zum Ausdruck kommende fehlende Leidensdruck gegen die Einordnung als mittelschwere Störung spricht.
Landessozialgericht Baden-Württemberg 6. Senat   21.03.2013   L 6 SB 446/13
Ein Zustand nach Teilresektion des Dünn- und Dickdarms nach Morbus Crohn und Fistelbildung rechtfertigt trotz häufiger Durchfälle keinen GdB von 50, wenn die Aktivität des Morbus Crohn gering und der Kräfte- und Ernährungszustand gut ist.
Bayerisches Landessozialgericht 2. Senat   25.04.2018   L 2 SB 199/17
Nach Teil B Nr. 10.2.2 VMG wird eine Colitis ulcerosa bei mittelschwerer Auswirkung (häufig rezidivierende oder länger andauernde Beschwerden, geringe bis mittelschwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufige Durchfälle) mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40 und eine Colitis ulcerosa mit schwerer Auswirkung (anhaltende oder häufig rezidivierende erhebliche Beschwerden, erhebliche Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufige, tägliche, auch nächtliche Durchfälle) mit einem Einzel-GdB von 50 bis 60 bewertet. Die diesbezügliche Grenzziehung ist nicht eindeutig.
Ob die genannten Regelbeispiele alternativ oder kumulativ vorliegen müssen, dürfte entsprechend einer Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales als Verordnungsgeber dahingehend zu beantworten sein, dass es sich um nicht abschließende Beispiele handelt, wobei der Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes eine nicht unerhebliche Bedeutung zukommt
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 13. Senat   24.02.2021   L 13 SB 83/18Auch durch die Diabetestherapie verursachte Einschränkungen bei Reisen oder dem Besuch öffentlicher Veranstaltungen begründen allein keine gravierenden Beeinträchtigungen in der Lebensführung, können aber im Zusammenwirken mit weiteren durch den Diabetes hervorgerufenen Einschnitten im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung diese Annahme rechtfertigen.
Die Berücksichtigung von Folgeerkrankungen des Diabetes im Rahmen vom Teil B Nr 15.1 Abs 4 VmG erfordert nicht, dass diese Folgeerkrankungen auch isoliert mit einem GdB zu bewerten sind.
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht 2. Senat
  14.02.2020
  L 2 SB 54/18 
Soweit es die Feststellung eines GdB von 50 betrifft, enthält Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV nF seinem Wortlaut nach drei Beurteilungskriterien: täglich mindestens vier Insulininjektionen, selbstständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung sowie eine (durch erhebliche Einschnitte) gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung. Diese Kriterien sind nach Auffassung des Senats nicht jeweils gesondert für sich genommen starr anzuwenden; vielmehr sollen sie eine sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustandes erleichtern (BSG Urteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 34).
Insoweit ist es nicht erforderlich, dass ausnahmslos an allen Tagen eine Anzahl von vier Insulininjektionen durchgeführt wird. Hierzu hat der Senat bereits entschieden, dass eine Bewertung des GdB, die sich ausschließlich an der Zahl der Insulininjektionen pro Tag orientiert, nicht überzeugt. Vielmehr ist der Therapieaufwand neben der Einstellungsqualität zu beurteilen (s Urteil vom 24.4.2008, aaO RdNr 40). Dazu hat der Senat ausgeführt, dass der GdB relativ niedrig anzusetzen sein wird, wenn mit geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht wird, und der GdB bei (in beeinträchtigender Weise) wachsendem Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabiler Stoffwechsellage) höher einzuschätzen sein wird (aaO). Obwohl die Begründung der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV insoweit inhaltlich keine konkrete Aussage trifft (BR-Drucks 285/10), wollte der Verordnungsgeber der Rechtsprechung des BSG erklärtermaßen folgen (s BR-Drucks 285/10 S 3). Es ist daher davon auszugehen, dass er bei der Neufassung des Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV zum 22.7.2010 die Zahl von vier Insulininjektionen am Tag nicht als absoluten Grenzwert angesehen hat (BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO RdNr 35).
Des Weiteren verlangt das Erfordernis einer "selbstständigen" Variation in der Insulindosis kein "ständiges" Anpassen der Dosis. Entscheidend ist die Abhängigkeit der jeweiligen Dosierung vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung. Sie kann demnach unter Umständen auch mehrfach gleich bleiben. In keinem Fall ist insoweit allein auf die Anzahl von zusätzlichen Korrekturinjektionen abzustellen (BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO RdNr 36).
BSG 9. Senat   17.04.2013    B 9 SB 3/12 REine Diabetes Mellitus-Erkrankung bedingt erst dann einen Grad der Behinderung von 50, wenn die betroffene Person auch unter Berücksichtigung des Therapieaufwands insgesamt in ihrer Lebensführung erheblich beeinträchtigt ist.
BSG 9. Senat   16.03.2016     B 9 SB 1/15 ROhne die Möglichkeit einer solchen Zuordnung ist die Gesundheitsstörung aber nicht per se von einer Feststellung ausgeschlossen.
Eine Vorgabe, dass Beeinträchtigungen aus rechtlichen Gründen deshalb nicht berücksichtigt werden dürfen, weil ein entsprechendes morphologisches Korrelat nicht festgestellt werden konnte, enthalten die VMG nicht.
Ohne eindeutigen Anknüpfungspunkt ist der GdB in Analogie zu vergleichbaren Gesundheitsstörungen zu beurteilen. Dieser Vergleich mit Gesundheitsstörungen, zu denen in der Tabelle feste GdS-Werte angegeben sind, findet sich in VMG als taugliches Instrument zur Bemessung des Gesamt GdB (vgl. Teil B Nr. 1 Buchstabe b VMG zu Gesundheitsstörungen, die in der Tabelle nicht aufgeführt sind; vgl. auch Teil A Nr. 4 Buchstabe a VMG oder Teil B Nr. 33 2. Absatz VMG).
Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen 1. Senat  07.10.2020    L 1 SB 381/17  Aus einem Einzelgrad der Behinderung von 20 für einen Wirbelsäulenschaden, einem weiteren Einzelgrad der Behinderung von 20 für Fußdeformitäten sowie einem dritten Einzelgrad der Behinderung von 20 für eine seelische Störung kann ein Gesamt-Grad der Behinderung von 40 gebildet werden.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 11. Senat   25.10.2007    L 11 SB 7/03-26Ein Beispiel für einen solchen "schwachen" GdB von 20 ist etwe eine hochfrequenzbetonte Innenohrschwerhörigkeit, die ausweislich des in Ton- und Sprachaudiogrammen ermittelten Hörverlustes unter Berücksichtigung der in den VMG abgedruckten maßgeblichen Tabellen (VMG, Teil A, B. 5.2) lediglich mit einem Einzel-GdB von 15 (aufgerundet 20) zu bewerten ist.
Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen 6. Senat   26.04.2010    L 6 SB 187/09Maßgeblich für die Beurteilung des GdB im Schwerbehindertenrecht ist vorrangig nicht die Diagnose einer Erkrankung. Zwar ist auch diese ärztliche Beurteilung der Gesundheits- und Funktionsstörungen sowie deren Auswirkungen in Beruf, Arbeit und Gesellschaft wichtige Grundlage für die richterliche Bewertung. Die Bezeichnung regelwidriger Zustände mit medizinischen Diagnosen dient jedoch nur der Begründung des den GdB festlegenden Verwaltungsakts, enthält allerdings keine Aussage über die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen. Der GdB ist deshalb im Kern ein "rechtlicher Begriff" (BSG Urteile vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R = BSGE 91, 205, m.w.N.; und vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 = BSGE 67, 204-211), die Bewertung des GdB damit vorrangig Aufgabe des Gerichtes (BSG Urteile vom 09.03.1988 - 9/9a RVs 14/86 = SozSich 1988, 381 und vom 05.05.1993 - 9/9a RVs 2/92 = SozR 3- 3870 § 4 SchwbG Nr. 5).
Soweit Sachverständige eigene GdB-Werte angeben, handelt es sich um für das Gericht unverbindliche Vorschläge (Urteil des LSG-Rheinland-Pfalz vom 22.05.1996 - L 4 Vs 129/95, Behindertenrecht 1996, 167 ff.; ebenso Urteil des LSG NRW vom 26.02.1998 - L 7 Vs 164/97, mwN).
2. Der Ablauf der Heilungsbewährung ist eine wesentliche Änderung der Sachlage iSv § 48 Abs 1 SGB X, wenn in der jeweiligen Heilungsbewährungsfrist keine Rezidive oder Metastasen aufgetreten sind. Die Erforderlichkeit engmaschiger Nachsorge bei einer genetischen Krebsbelastung schließt den Ablauf nicht aus.
3. Nach Ablauf der Heilungsbewährung bestimmt sich der Grad der Behinderung nur noch nach den tatsächlich vorhandenen Funktionseinbußen. Auch hierbei ist ein erhöhtes Risiko einer erneuten Erkrankung nicht zu berücksichtigen.
Landessozialgericht Baden-Württemberg 6. Senat
  21.02.2019 
  L 6 SB 2892/18
2. Bei Krebserkrankungen beträgt die Heilungsbewährung in der Regel fünf Jahre. Der Wortlaut in der Regel betrifft hierbei die Abkürzung des Zeitraums bei bestimmten Erkrankungsbildern, nicht aber die Eröffnung der Möglichkeit einer jeweiligen Einzelfallentscheidung in Bezug auf eine Bestimmung des individuell angemessenen Zeitraums der Heilungsbewährung.
Bayerisches Landessozialgericht 3. Senat   28.04.2016    L 3 SB 20/162. Kann die Feststellung eines zu hohen GdB nicht mehr zurückgenommen werden, kommt eine Abschmelzung des überhöhten GdB entsprechend § 48 Abs 3 SGB 10 in Betracht.
3. Die Anwendung des § 48 Abs 3 SGB 10 im Schwerbehindertenrecht setzt voraus, dass durch einen Verwaltungsakt festgestellt worden ist, inwiefern die bislang geltende Feststellung des GdB rechtswidrig ist.
BSG 9. Senat    17.04.2013    B 9 SB 6/12 RBei Schmerzen und Reizerscheinungen im Bereich der Kniegelenke nach einer Gehstrecke von 2 km oder Fahrradfahren von länger als 30 Minuten kann daher ein Einzel-GdB von 20 in Betracht kommen.
Eine Erhöhung des Behinderungsgrads wegen eines durch ein Primärleiden hervorgerufenen Leidens an einem anderen Organ oder Organsystem, ohne dass dieses nennenswerte Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft hat, findet nicht statt.
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt 7. Senat
  22.02.2011  
  L 7 SB 29/07
Psychische Beschwerden wirken sich in diesem Zusammenhang nicht GdB-erhöhend aus. Dabei ist zu beachten, dass nach Teil A Nr. 2 i) der Anlage zu § 2 VersMedV dieser Einzel-GdB bereits die üblichen seelischen Begleiterscheinungen berücksichtigt.
Nur wenn die seelischen Begleiterscheinungen erheblich höher sind als aufgrund der organischen Veränderungen zu erwarten wäre, ist ein höherer GdB gerechtfertigt. Vergleichsmaßstab ist nicht der behinderte Mensch, der überhaupt nicht oder kaum unter seinem Körperschaden leidet, sondern die allgemeine ärztliche Erfahrung hinsichtlich der regelhaften Auswirkungen. Außergewöhnliche seelische Begleiterscheinungen sind anzunehmen, wenn anhaltende psychoreaktive Störungen in einer solchen Ausprägung vorliegen, dass eine spezielle ärztliche Behandlung dieser Störungen - z. B. eine Psychotherapie - erforderlich ist.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 11. Senat
  19.01.2017 
  L 11 SB 66/15
Die versorgungsmedizinischen Grundsätze (Nr. 14.1) sehen einen GdB von 40 lediglich bei dem beidseitigen Verlust der Brust (Mastektomie) oder bei einer beidseitigen Aufbauplastik zur Wiederherstellung der Brust mit Prothese mit schlechtem Ergebnis vor.
Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen 21. Senat   03.09.2018   L 21 SB 102/16  
Eine Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes ist keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen eines Morbus Crohn mit schwerer Auswirkung.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat auf Anfrage des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen eine Stellungnahme zur Auslegung von Teil B, Ziffer 10.2.2 VMG abgegeben. Danach sind die in Teil B, Ziffer 10.2.2 VMG aufgeführten Symptome als Regelbeispiele zu verstehen und nicht abschließend (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Juni 2014 – L 13 SB 371/13)
Schon eine bestehende Therapiebedürftigkeit mit Adalimumab (Humira©) in Verbindung mit der immunsuppressiven Therapie mit Azathioprin führt dazu, dass von einem Morbus Crohn mit schwerer Auswirkung ausgeht. Denn aufgrund der nicht selten auftretenden schweren Nebenwirkungen einer TNF-alpha-Therapie besteht die Zulassung hierfür nur bei einem aktiven und schwergradigen Morbus Crohn, wie sich aus der Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn“ (Ergebnisse einer Evidenz-basierten Konsensuskonferenz der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten zusammen mit dem Kompetenznetz chronisch entzündliche Darmerkrankungen) aus dem Jahr 2008 ergibt SG Hannover 25. Kammer   24.07.2014     S 25 SB 556/122. Im Grundpflegeaufwand sind auch die verrichtungsbezogenen Pflegemaßnahmen der Sekretelimination im Bereich der Mobilität zu berücksichtigen. Der darüber hinausgehende Zeitaufwand für die erforderlichen Inhalationen einschließlich der Reinigung des Gerätes wird als Behandlungspflege bei der Feststellung des Merkzeichens H nicht erfasst. Auch der hauswirtschaftliche Mehraufwand durch die Zubereitung spezieller kalorienreicher Kost, den Einkauf dieser Lebensmittel sowie durch den vermehrten Anfall von Wäsche aufgrund des starken Schwitzens wird nicht berücksichtigt.
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt 7. Senat   26.03.2013    L 7 SB 58/08
2. Bei einem schwerbehinderten Kind, bei dem bereits die Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" vorliegen und das an Mukoviszidose leidet, ist die Vergabe des Merkzeichens "B" deshalb gerechtfertigt, da das Kind an unkontrolliert auftretenden Hustenattacken, auch mit Blaufärbung, leidet und deshalb bei der Benutzung - vergleiche mit einer Anfallskranken - von öffentlichen Verkehrsmitteln auf fremde Hilfe angewiesen ist.
Landessozialgericht für das Saarland 5. Senat
  07.12.2004 
  L 5 SB 100/03
Für die Bewertung sind die Vorgaben aus Nr. 3.9 für Rückenmarkschäden analog heranzuziehen.
Hiernach ergibt sich bereits bei geringen motorischen und sensiblen Ausfällen eine GdB-Spanne von 30 bis 60.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat
  23.03.2015 
  L 13 SB 6/13
Die Zeitdauer der Heilungsbewährung von zwei Jahren bei MS beruht auf der medizinischen Erkenntnis, dass unmittelbar nach der gesicherten Diagnose dieser Erkrankung ihr Schweregrad und Verlauf (schubweises Auftreten von Anfällen oder kontinuierlich-progredienter Verlauf) nicht vorhergesehen werden kann. Zwei Jahre nach der erstmaligen Diagnose sind solche Feststellungen und damit auch die Bewertung der konkreten Behinderungen aber möglich. Dies rechtfertigt es, den Grad der Behinderung dann nur noch anhand der noch verbliebenen Funktionseinschränkungen zu bewerten (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 1995, 9 RVs 14/94, zitiert nach juris). Der Ablauf der Heilungsbewährung im Jahre 2003 stellt folglich eine wesentliche tatsächliche Veränderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X dar.
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt 7. Senat   17.08.2010    L 7 SB 95/07
Allein die Vergabe eines Wertes von 25 in den VMG führt nicht zwangsläufig zu einer erhöhenden Wirkung.
Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen 13. Senat
  20.11.2020 
  L 13 SB 236/19
Der konkret zu wählende jeweilige Bewertungsrahmen hängt dabei individuell von der Natur und Schwere der Beeinträchtigungen ab.
Beschränkt sich die Symptomatik auf eine Störung des Schlaf-wach-Rhythmus mit entsprechender Entkräftung tagsüber, die jedoch medikamentös weitgehend therapiert werden kann, bietet sich eine Analogie zur Überdruckbeatmung im Sinne von Teil B 8.7 VMG an.
Ist eine entsprechende Therapie nicht dauerhaft möglich oder tritt zusätzlich zur Störung des Schlaf-wach-Rhythmus eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungskoordination auf, so liegt eine Bewertung anhand der Kriterien für Hirnschäden mit isoliert vorkommenden Syndromen auf der Grundlage von Teil B 3.1 VMG nahe. - Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat   09.04.2020     L 13 SB 91/18
Gdb 50 wegen RLS mit stark gestörten Bewegungsabläufen, die nur teilweise und dann nur unter Einsatz sehr starker Medikamente, wie sie etwa im Bereich der Behandlung von Parkinson-Syndromen zum Einsatz kommen, unterdrückt werden können
- Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat   15.01.2015     L 13 SB 52/11Auch die mangelnde Durchführbarkeit einer nasalen Überdruckbeatmung aus psychischen Gründen kann die Bewertung eines Schlaf-Apnoe-Syndroms mit einen GdB von 50 bedingen.
Ist eine Panikreaktion beim nächtlichen Tragen einer Gesichtsmaske, die auch in anderen, vergleichbaren Situationen auftritt, sicher ärztlich bestätigt, ist eine Be-wertung mit einem GdB von 50 vorzunehmen, wenn eine Überdruckbeatmung medizinisch indiziert ist und alternative Behandlungsmethoden, wie das Tragen einer Unterkieferprotrusionschiene, nicht durchführbar sind.
Die mögliche zukünftige Minderung der Auswirkungen einer Behinderung durch deutliche Gewichtsreduktion kann der aktuellen GdB-Bewertung nicht entgegen gehalten werden.
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht 2. Senat   05.11.2021   L 2 SB 78/20
Bei der Beurteilung der Therapieverträglichkeit kommt es allerdings nicht darauf an, ob der Betroffene aus seiner Sicht meint, die Maske nicht tragen zu können, oder gar glaubt, dass eine CPAP-Behandlung keinen Sinn mache).
Entscheidend ist vielmehr die objektive Therapierbarkeit. Psychische Abnormitäten wie Zwangs- oder Angstneurosen können gegebenenfalls eine Berücksichtigung finden. Hier ist aber zu fordern, dass sich der Betroffene wegen der behaupteten psychischen Probleme beim Tragen der Atemmaske in psychiatrische Behandlung begeben hat.Die spätere Aufhebung dieser zuerkennenden Entscheidungen durch weiteren Bescheid ändert hieran solange nichts, wie gegen den weiteren Bescheid ein Widerspruchs- oder ein Klageverfahren anhängig ist.
Weigert sich die Behörde während dieses Verfahrens, einen Schwerbehindertenausweis auszustellen oder zu verlängern, kann der entsprechende Anspruch gegebenenfalls auch im Rahmen eines Verfahrens auf einstweilige Anordnung geltend gemacht werden.
Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen   24.04.2020     L 13 SB 74/20 B ER
2. Spätere Änderungen können im Rahmen einer zulässigen Klageänderung auch ohne erneute Entscheidung der Verwaltung über den GdB berücksichtigt werden, wenn nach ihrem prozessualen Verhalten eine Streitbeilegung ohne gerichtliche Entscheidung nicht zu erwarten und der Rechtsstreit entscheidungsreif ist.
BSG 9. Senat
  15.08.1996 
  9 RVs 10/94
Etwaige zwischenzeitliche Änderungen in den gesundheitlichen Verhältnissen des/der (Schwer-)Behinderung im Laufe des gerichtlichen Verfahrens sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (Bestätigung von BSG, 15. August 1996, 9 RVs 10/94).
Bayerisches Landessozialgericht 3. Senat
  08.08.2017  
  L 3 SB 94/16
2. Einem vor Spracherwerb Ertaubten, der die Gehörlosenschule abgeschlossen und das 16. Lebensjahr vollendet hat, steht im Regelfall kein Anspruch auf die Merkzeichen G und B zu; das gilt auch für die Dauer einer späteren Ausbildung.
3. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (§ 48 SGB 10) kann auch dann vorliegen, wenn sich Tatsachen ändern, die erst aufgrund einer nach Erlaß des Dauerbescheides eingetretenen Rechtsänderung bedeutsam geworden sind.Erweiterte Ausführungen zur Bewertung von Wirbelsäulenschaden: nach der GdB-Tabelle:
Beeinträchtigungen der Wirbelsäule beim Antrag auf Schwerbehinderung auch tatsächlich geltend machen!
Die Regelung der versorgungsmedizinischen Grundsätze zum Grad der Behinderung für die Wirbelsäule (GdB-Tabelle)
Wann liegen leichte, wann mittelschwere und wann schwere Auswirkungenen an der Wirbelsäule oder Wirbelsäulenabschnitten vor ?
Mehrere Abschnitte der Wirbelsäule betroffen - was gilt ?
Nur ein einziger Abschnitt der Wirbelsäule betroffen: Welcher Grad der Behinderung (GdB) kann maximal erreicht werden ?
Zwei Abschnitte der Wirbelsäule betroffen: Welcher Grad der Behinderung (GdB) kann maximal erreicht weren ?
Zwei Abschnitte der Wirbelsäule von schweren funktionellen Auswirkungen betroffen: GdB ?
Zwei Abschnitte der Wirbelsäule von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen betroffen: GdB ?
Zwei Abschnitte der Wirbelsäule von geringen funktionellen Auswirkungen betroffen: GdB ?
Drei Abschnitte der Wirbelsäule betroffen: Welcher Grad der Behinderung (GdB) kann maximal erreicht weren ?
Sonderfall "Beeinträchtigungen der Wirbelsäule mit besonders schweren Auswirkungen"
Wann liegen leichte, wann mittelschwere und wann schwere Auswirkungenen an der Wirbelsäule oder Wirbelsäulenabschnitten vor ?
GdB-Tabelle Wirbelsäule | WIRBELSÄULENSCHÄDEN Behinderungsgrade
SG Aachen 18. Kammer   09.01.2018     S 18 SB 1001/16
Zustand nach Dekompressions-OP
weitgehend eingesteiftes Segment L 5/S 1 und operativ verstärktes Segment L 4/5
rechtsbetonte pseudoradikuläre Lumboischalgie
akute Lumboischialgie links ohne Korrelat in der MRT sowie eine bekannte Lumboischialgie rechts bei Bandscheibenvorfällen LWK 2/3 und LWK 4/5 mit Hyposensibilität des rechten Beines und Quadrizepsschwäche
hronische Lumboischialgie rechts bei NPP L3/4 mit sensomotorischer L4/S1-Wurzelreizung rechts und chronisches Zervikalsyndrom
Klopfschmerz und Druckschmerz der gesamten Wirbelsäule sowie paravertebral
Druckschmerz mit Hartspann links gluteal und paravertebral der LWS
Lasègue-Test links positiv bei 45°
HWS
Vorneigen/Rückneigen
50-0-30 Grad ( Normal 40/50-0-50/70 Grad)
Seitneigen rechts/links
30-0-30 Grad (30/40-0-30/40 Grad)
Drehen rechts/links
50-0-40 Grad (60/80-0-60/80 Grad)
BWS/LWS
Seitneigen rechts/links
30-0-30 Grad (0-30/40 Grad)
Drehen im Sitzen rechts/links
30-0-40 Grad (0-30/50 Grad)
Finger-Boden-Abstand
19 cm
Ott
30:32 cm (30:32 cm)
Schober
10:11,5 cm (10:15 cm)
Seitverbiegung
thorakal rechts konvex
Als zumindest mittelgradige funktionelle Auswirkungen in Sinne der versorgungsmedizinischen Grundsätze können eine deutliche und anhaltende erhebliche Dekonditionierung und eine hieraus resultierende deutliche Fehlstatik und muskuläre Dysbalance, eine verminderte und fehlerhafte Ansteuerbarkeit der Muskulatur sowie eine unzureichende Koordination der Bewegungsabläufe und darüber hinaus anhaltende Missempfindungen, die in Verbindung mit den haltungs- und belastungsabhängigen Wurzelreizsyndromen auftreten, interpretiert werden.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat   23.10.2013    L 13 SB 80/132. Die Bewertungsstufe des GdB 30 bis 40 wird erst erreicht, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei der drei Wirbelsäulenabschnitte (HWS, BWS, LWS) vorliegen.
3. Die Obergrenze des GdB 40 ist erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten. Die Verteilung auf zwei Wirbelsäulenabschnitte mit jeweils nur mittelgradigen Auswirkungen bzw mit mittelgradiger und schwerer Betroffenheit je Wirbelsäulenabschnitt rechtfertigt dagegen beide Male nur den GdB 30, was ebenso für den vergleichbaren, aber nicht gesondert geregelten Fall der Betroffenheit von drei Wirbelsäulenabschnitten gelten muss, in denen jeweils nur mittelgradige Auswirkungen bestehen.
Auf den medizinischen Gesichtspunkt, dass BWS und LWS funktional als Rumpfwirbelsäule eine Einheit bilden, kommt es nichtan, denn die GdB-Bewertung bei Wirbelsäulen-Einschränkungen ist durch die rechtlichen Vorgaben der AHP und der VG an die Differenzierung in (drei) Wirbelsäulenabschnitte gebunden. Landessozialgericht Baden-Württemberg 8. Senat   24.01.2014    L 8 SB 2497/11In den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen ist eine Versteifung großer Teile der Wirbelsäule nur als Beispiel dafür genannt ist, wann ein Wirbelsäulenschaden mit besonders schweren Auswirkungen vorliegen kann. Der Gesetzgeber hat aber insofern nicht von der Formulierungstechnik anhand von Regelbeispielen Gebrauch gemacht, bei denen unwiderleglich vermutet von einem bestimmten GdB (oder dem Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen von Merkzeichen) auszugehen wäre. Der Verordnungsgeber hat vielmehr den GdB nach wie vor daran festgemacht, dass besonders schwere funktionelle Auswirkungen erforderlich sind. Einen Automatismus zwischen Versteifung großer Teile der Wirbelsäule und besonders schweren Auswirkungen hat er aber nicht gesehen. Vielmehr ist in jedem Einzelfall anhand der vorliegenden funktionellen Einschränkungen festzustellen, ob bereits besonders schwere Auswirkungen vorliegen oder nicht.
Es mag zwar durchaus so sein, dass mit Blick auf potentielle funktionelle Beeinträchtigungen der BWS regelmäßig weniger Bedeutung zukommt als der LWS. Aus diesem Grund können jedoch LWS und BWS nicht als ein Abschnitt zusammengefasst werden. Denn nach der eindeutigen Formulierung des Verordnungsgebers in den VG, Teil B Nr. 18.9 ("mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. ..., die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst"), geht der Verordnungsgeber ersichtlich von drei Wirbelsäulenabschnitten aus, nicht von zwei.
Die versorgungsmedizinischen Grundsätze beinhalten keine abschließende Aufzählung der Fälle, in welchen eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr anzunehmen ist.
BSG 9. Senat   13.08.1997    9 RVs 1/96
Bei ausschließlich im orthopädischen Fachgebiet angesiedelten Beeinträchtigungen kommt die Vergabe des Merkzeichens G dann nicht in Betracht, wenn nicht zumindest eine mit einem GdB von wenigstens 40 zu bewertende Behinderung der unteren Extremitäten vorliegt.
BSG 9. Senat   27.03.2020   B 9 SB 83/19 B
Bei der in den versorgungsmedizinischen Grundsätzen im Zusammenhang mit der Zuerkennung des Merkzeichens G genannten Wegstrecke von 2 km in etwa 1/2 Stunde handelt es sich um keine starre Regelung.
Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern 3. Senat   14.05.2020   L 3 SB 41/15
Die Frage, ob jemand noch in der Lage ist, in 30 Minuten 2 km zurückzulegen, ist für die Zuerkennung des Merkzeichens G nicht alleine streitentscheidend.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 13. Senat   06.11.2019   L 13 SB 114/18
Die Regelbeispiele der Versorgungsmedizinischen Grundsätze beschreiben Situationen, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen sind und können bei der Beurteilung einer dort nicht erwähnten Behinderung als Vergleichsmaßstab dienen.
Landessozialgericht Hamburg 3. Senat   16.10.2018   L 3 SB 21/16
Merkzeichen G bei einseitiger Beinverkürzung und Hüftgelenkserkrankung mit Einzel-GdB 30 sowie Arthrose im Ellenbogengelenk mit Streckhemmung sowie Lupus erythematodes.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat   27.09.2017   L 13 SB 208/16
Eine erhebliche Gehbehinderung kann in den Fällen außerhalb der Regelbeispiele nicht angenommen werden, wenn wenn der Schwerbehinderte noch in der Lage ist, entsprechende Gehstrecken unter Zuhilfenahme von mit Hilfsmitteln wie etwa einem Rollator zu Fuß zurückzulegen.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat   10.05.2017   L 13 SB 261/14
Die Aufzählung der Regelbeispiele in D Nr. 1d bis Nr. 1f VMG enthält indes keine abschließende Listung der in Betracht kommenden Behinderungen aus dem Formenkreis einzelner medizinischer Fachrichtungen: Anspruch auf den Nachteilsausgleich G hat – über die genannten Regelbeispiele hinausgehend – vielmehr auch der schwerbehinderte Mensch, der nach Prüfung des einzelnen Falles aufgrund anderer Erkrankungen mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion und die zumutbare Wegstrecke dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis gleichzustellen ist (siehe BSG, Urteil vom 11. August 2015 – B 9 SB 1/14 R –, SozR 4-3250 § 69 Nr. 21). Denn der umfassende Behindertenbegriff im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX gebietet im Lichte des verfassungsrechtlichen als auch des unmittelbar anwendbaren UN-konventions-rechtlichen Diskriminierungsverbots (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG; Art. 5 Abs. 2 UN-BRK) die Einbeziehung aller körperlichen, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen. Den nicht erwähnten Behinderungen sind die Regelbeispiele als Vergleichsmaßstab zur Seite zu stellen.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat   08.03.2018   L 13 SB 28/17
Kein Merkzeichen G für Couch-Potatos
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat   27.09.2018   L 13 SB 89/16
Psychisch erkrankte Personen, deren Leiden nicht mit „Anfällen“ gleichzusetzen sind und nicht zu Störungen der Orientierungsfähigkeit führen, sondern nur z.B. mit Verstimmungen, Antriebsminderung und Angstzuständen einhergehen, sind daher in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt.
Landessozialgericht Baden-Württemberg 6. Senat   28.10.2014   L 6 SB 3619/13
Zwangs- und Somatisierungsstörungen, die den Betroffenen im Wesentlichen daran hindern, sein Haus zu verlassen und längere Gehstrecken zurückzulegen, sind nicht mit den in § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit vergleichbar.
Mit diesen Anfällen und Störungen sind nur hirnorganische Anfälle, insbesondere epileptische Anfälle, aber auch hypoglykämische Schocks bei Zuckerkranken gemeint, also solche Anfälle, die mit Bewusstseinsverlust und Sturzgefahr verbunden sind.
Die Fälle der die Fortbewegungsfähigkeit beeinträchtigenden Gründe, welche bei der Zuerkennung des Merkzeichens G einbezogen werden dürfen, sind … abschließend geregelt. Hierzu gehören … lediglich Anfälle und Störungen der Orientierungsfähigkeit. Als nicht in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt gelten daher psychisch erkrankte Personen, deren Leiden nur mit sonstigen Beeinträchtigungen oder Störungen einhergehen, wie etwa Verstimmungen, Antriebsminderung und Angstzuständen.  
Landessozialgericht Baden-Württemberg 6. Senat   12.10.2011   L 6 SB 3032/11Psychische Gehstörungen können zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr führen, auch wenn sie Anfallsleiden oder Orientierungsstörungen nicht gleichzusetzen sind.
BSG 9. Senat   11.08.2015   B 9 SB 1/14 REine Demenz kann die Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen begründen, sodass in diesem Falle das Merkzeichen G zuzuerkennen ist.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat   09.02.2017   L 13 SB 10/15Anspruch auf den Nachteilsausgleich "G" hat über die genannten Regelbeispiele hinausgehend auch der schwerbehinderte Mensch, der nach Prüfung des einzelnen Falles aufgrund anderer Erkrankungen mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion und die zumutbare Wegstrecke dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis gleichzustellen ist. Teil D Nr. 1 VMG enthält keine abschließende Listung in Betracht kommender Behinderungen aus dem Formenkreis einzelner medizinischer Fachrichtungen, sondern erfasst etwa auch psychische Behinderungen (zu in Teil D Nr. 1 Buchst. d VMG nicht genannten psychischen Erkrankungen: BSG, 11.8.2015 - B 9 SB 1/14 R
Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen 21. Senat   11.01.2019   L 21 SB 224/16 
... die in Ziffer 30 (3) 1. Absatz AP enthaltenen Beweiserleichterungen beschränken den gesetzlichen Anspruch nicht ... dahingehend, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nur angenommen werden könne, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von mindestens 40 bedingen.  
Landessozialgericht NRW, 6. Senat   25.08.1998   L 6 SB 122/97
1. Bei der als Voraussetzung des Merkzeichens "G" in § 229 Abs 1 S 1 SGB IX genannten Wegstrecke, die üblicherweise zu Fuß zurückgelegt wird, kommt es nicht auf die empirisch festzustellende Gehgewohnheit des "normalen, nicht behinderten Durchschnittsbürgers" in der Nachbarschaft an, sondern auf die abstrakte Fähigkeit, noch solche Entfernungen zu Fuß zurückzulegen, für deren Überwindung normalerweise weder ein öffentliches noch ein privates Verkehrsmittel in Anspruch genommen wird, unabhängig davon, an welchem Ort diese Wegstrecke zurückgelegt wird.
2. Wer nur durch Wiederholung "auswendig" gelernte Wegstrecken zurückzulegen vermag, sich aber auf neuen Wegstrecken, also solchen, die er nicht täglich zurücklegt, nicht eigenständig orientieren kann, erfüllt regelmäßig die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G".
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 11. Senat
  14.12.2020 
  L 11 SB 87/19
Die Aufzählung der Regelbeispiele in D Nr. 1d bis Nr. 1f VMG enthält indes keine abschließende Listung der in Betracht kommenden Behinderungen aus dem Formenkreis einzelner medizinischer Fachrichtungen: Anspruch auf den Nachteilsausgleich G hat – über die genannten Regelbeispiele hinausgehend – vielmehr auch der schwerbehinderte Mensch, der nach Prüfung des einzelnen Falles aufgrund anderer Erkrankungen mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion und die zumutbare Wegstrecke dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis gleichzustellen ist (siehe BSG, Urteil vom 11. August 2015 – B 9 SB 1/14 R –, SozR 4-3250 § 69 Nr. 21). Denn der umfassende Behindertenbegriff im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX gebietet im Lichte des verfassungsrechtlichen als auch des unmittelbar anwendbaren UN-konventions-rechtlichen Diskriminierungsverbots (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG; Art. 5 Abs. 2 UN-BRK) die Einbeziehung aller körperlichen, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen. Den nicht erwähnten Behinderungen sind die Regelbeispiele als Vergleichsmaßstab zur Seite zu stellen (vgl. BSG, Urteil vom 11. August 2015 a.a.O. unter Hinweis auf das Urteil vom 13.8.1997 – 9 RVs 1/96 –, SozR 3-3870 § 60 Nr. 2).
Liegt eine schwere psychische Störung in Form einer Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren vor, die zu einer ausgeprägten Somatisierung führt und mit schweren belastungsabhängigen Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule erlebt wird, kann eine erhebliche Gehbehinderung im obigen Sinne bejaht werden.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat   21.11.2019    L 13 SB 63/18
Im Hinblick auf die Orientierungsfähigkeit ist zu berücksichtigen, dass im Internet frei zugängliche Stadtpläne und genaue Wegbeschreibungen ebenso wie entsprechende Apps auf Smartphones zu Orientierungszwecken genutzt werden können. Diesen kommt mittlerweile für die Möglichkeit der Orientierung gerade auf unbekannten Wegen im Alltag eine überragende Bedeutung zu.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 13. Senat   09.09.2020    L 13 SB 40/17
In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB IX.
Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird.
SG Aachen 12. Kammer   28.07.2020    S 12 SB 639/18
Die Voraussetzungen des gesundheitlichen Merkzeichens G können auch erfüllt sein, wenn zwar die auf die Gehfähigkeit sich auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen keinen Teil-GdB von mindestens 40 bedingen, aber aufgrund einer negativen Wechselwirkung von orthopädischen, internistischen und neurologischen Erkrankungen die Gehfähigkeit derart limitiert wird, dass eine Gehstrecke von 2 km nicht mehr innerhalb einer halben Stunde zurückgelegt werden kann.
Landessozialgericht für das Saarland 5. Senat   05.06.2019    L 5 SB 30/16
Bei der Beurteilung, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr besteht, ist zu beachten, dass das Gehvermögen von verschiedenen Faktoren geprägt wird. Dabei sind von Relevanz die anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und Behinderungen, und nicht die das Gehvermögen ebenfalls beeinflussenden Faktoren wie Trainingszustand, Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation. Mit Hilfe der unter den VG, Teil D, Nr 1 Buchst d bis f aufgeführten Regelbeispiele ist der für die Feststellung des Merkzeichens G tatsächlich in Betracht kommende Personenkreis praxisgerecht von den Personen abzugrenzen, die lediglich behaupten, ortsübliche Wegstrecken nicht mehr zu Fuß zurücklegen zu können, oder die aus nicht behinderungsbedingten Gründe ortsübliche Wegstrecken nicht zurücklegen.
Landessozialgericht Baden-Württemberg 3. Senat   24.10.2018     L 3 SB 2660/16
Auch ein erhebliches Übergewicht gehört zu den Faktoren, die einen Bezug zu einer Behinderung aufweisen und daher bei der Beurteilung des Gehvermögens Berücksichtigung finden müssen (so BSG, Urteil vom 24. April 2008, B 9/9a SB 7/06 R, SozR 4-3250 § 146 Nr. 1). Die funktionellen Auswirkungen einer Adipositas permagna sind nicht nur bei Einschätzung eines aus anderen Gesundheitsstörungen folgenden GdB erhöhend zu berücksichtigen (vgl. Nr. 26.15 [S. 99]der AHP 200 bzw. Teil B Nr. 15.3 [Bl. 74] der Anlage zur VersMedV), sondern auch insoweit, als sie zu einer Einbuße der in § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr führen (vgl. BSGE 62, 273, 274 = SozR 3850 § 60 Nr. 2 S 2.).
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat   15.04.2010    L 13 SB 82/08
Psychotische Störungen der Orientierungsfähigkeit können die Zuerkennung des Merkzeichens G rechtfertigen, wenn der Behinderte an Orientierungsstörungen und Panikreaktionen leidet und es hierdurch zu unvorhersehbaren und gefährlichen Reaktionen im öffentlichen Verkehr kommen kann.
In diesem Fall kann auch die Zuerkennung des Merkzeichens B in Betracht kommen.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat   27.11.2015    L 13 SB 82/15
Die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" liegen auch dann vor, wenn die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erst durch ein Zusammenwirken von Gesundheitsstörungen und großem Übergewicht erheblich beeinträchtigt wird.
BSG 9. Senat
  24.04.2008     B 9/9a SB 7/06 R
Auch die Kombination mehrerer Erkrankungen führt nicht zur Feststellung des Merkzeichens aG, wenn der schwerbehinderte Mensch mit Hilfsmitteln (Rollator, Unterarmstützen) noch ca 200 m zurücklegen kann und dabei weder große Anstrengungen leisten noch Pausen einlegen muss.
Äußere Umstände (Wohnsituation, Notwendigkeit von Begleitpersonen) sind bei der Feststellung des Merkzeichens aG nicht zu berücksichtigen.
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt 7. Senat   15.06.2020    L 7 SB 27/20 B ER
Antragsteller müssen regelmäßig den Ausgang des von ihnen betriebenen Klageverfahrens abwarten, wenn sie wegen der Versagung des Merkzeichens "aG" gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, um wegen einer Gehbehinderung in den Genuss von Parkerleichterungen zu kommen. Eine einstweilige Anordnung kann insoweit allenfalls ergehen, wenn dem Vortrag des Antragstellers Umstände zu entnehmen sind, aufgrund derer er nahezu unerlässlich auf die Inanspruchnahme der mit dem Rollstuhlfahrer-Symbol gekennzeichneten Parkplätze angewiesen sein könnte.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 13. Senat   16.05.2012    L 13 SB 56/12 B ER
Nach § 229 Abs. 3 S. 1 SGB IX (bis 31.12.2017 § 146 Abs. 3 SGB IX) sind schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung Personen mit einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung, die einem Grad der Behinderung von mindestens 80 entspricht. Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung liegt vor, wenn sich die schwerbehinderten Menschen wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können (S. 2). Hierzu zählen insbesondere schwerbehinderte Menschen, die auf Grund der Beeinträchtigung der Gehfähigkeit und Fortbewegung - dauerhaft auch für sehr kurze Entfernungen - aus medizinischer Notwendigkeit auf die Verwendung eines Rollstuhls angewiesen sind. Verschiedenste Gesundheitsstörungen (insbesondere Störungen bewegungsbezogener, neuromuskulärer oder mentaler Funktionen, Störungen des kardiovaskulären oder Atmungssystems) können die Gehfähigkeit erheblich beeinträchtigen (S. 4). Diese sind als außergewöhnliche Gehbehinderung anzusehen, wenn nach versorgungsärztlicher Feststellung die Auswirkung der Gesundheitsstörungen sowie deren Kombination auf die Gehfähigkeit dauerhaft so schwer ist, dass sie der unter Satz 1 genannten Beeinträchtigung gleichkommt (S. 5).
In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/9522, S. 317 f.) zu dieser Vorschrift werden folgende Beispiele genannt, bei denen die Voraussetzungen erfüllt sein können:
- zentralnervöse, peripher-neurologische oder neuromuskulär bedingte Gangstörungen mit der Unfähigkeit, ohne Unterstützung zu gehen, oder wenn eine dauerhafte Rollstuhlbenutzung erforderlich ist (insbesondere bei Querschnittlähmung, Multipler Sklerose, Amyotropher Lateralsklerose (ALS), Parkinsonerkrankung, Para- oder Tetraspastik in schwerer Ausprägung)
- Funktionsverlust beider Beine ab Oberschenkelhöhe oder Funktionsverlust eines Beines ab Oberschenkelhöhe ohne Möglichkeit der prothetischen oder orthetischen Versorgung (insbesondere bei Doppeloberschenkelamputierten und Hüftexartikulierten)
- schwerste Einschränkung der Herzleistungsfähigkeit (insbesondere bei Linksherz-schwäche Stadium NYHA IV)
- schwerste Gefäßerkrankungen (insbesondere bei arterieller Verschlusskrankheit Stadium IV)
- Krankheiten der Atmungsorgane mit nicht ausgleichbarer Einschränkung der Lungen-funktion schweren Grades
- schwerste Beeinträchtigung bei metastasierendem Tumorleiden (mit starker Auszehrung und fortschreitendem Kräfteverfall)
Bayerisches Landessozialgericht 18. Senat   14.11.2018    L 18 SB 111/17Für die Zuerkennung des Merkzeichens aG müssen erhebliche mobilitätsbezogene Beeinträchtigungen vorhanden sein. Wie bei Personen, die unmittelbar aufgrund orthopädischer Leiden in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, muss es sich um besonders gravierende und schwerwiegende Beeinträchtigungen handeln. Das bedeutet, dass die sich aus einer geistigen Behinderung bzw. Hirnleistungsschwäche ergebenden Einschränkungen für die Mobilität im Hinblick auf die Orientierung und die Fähigkeit, zielgerichtete Wege zu gehen, für sich genommen ebenso wenig ausreichen, wie eine verminderte Gehfähigkeit aufgrund von orthopädischen Beschwerden. Es muss eine erhebliche Beeinträchtigung vorliegen, die von der Intensität einer Rollstuhlnutzung auch auf kurzen Wegstrecken entspricht. Das ist nach höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung erst dann der Fall, wenn aufgrund der erheblichen Selbstgefährdung oder Gefährdung Dritter eine verantwortungsbewusste Begleitperson den Behinderten im innerstädtischen Fußgängerverkehr nicht mehr führen, sondern regelmäßig nur noch im Rollstuhl befördern würde (BSG v. 13.12.1994 - 9 RVs 3/94; LSG Nordrhein-Westfalen v. 25.08.2005 - L 7 SB 176/04; LSG Berlin-Brandenburg v. 10. März 2016 - L 11 SB 257/13 jeweils in juris).
Landessozialgericht Hamburg 3. Senat
  14.05.2019    L 3 SB 22/17außergewöhnliche Gehbehinderung - Maßgeblichkeit des Gehvermögens in fremder Umgebung
Landessozialgericht Baden-Württemberg 6. Senat  18.03.2021   
L 6 SB 3843/19Der Nachteilsausgleich aG dient nur dazu, die neben der Kraftfahrzeugbenutzung unausweichliche Wegstrecke für diejenigen Schwerbehinderten abzukürzen, die sich nur mit außergewöhnlich großer Anstrengung zu Fuß fortbewegen können. Der Personenkreis, dem der Nachteilsausgleich zugebilligt wird, ist eng zu fassen. Ständig aufsichtsbedürftige Personen können dem in der VV zu § 46 StVO im Einzelnen angesprochenen Personenkreis erst dann gleichgestellt werden, wenn sie im innerstädtischen Fußgängerverkehr von einer Begleitperson nicht mehr sicher geführt werden können. Ein solcher Zustand ist noch nicht erreicht, wenn der Behinderte wegen der Beeinträchtigung seines Orientierungsvermögens und seines unkontrollierbaren Bewegungsdranges der Führung durch eine Begleitperson bedarf. Hinzukommen muss eine so starke Selbstgefährdung oder Gefährdung Dritter, dass eine verantwortungsbewusste Begleitperson den Behinderten im innerstädtischen Fußgängerverkehr nicht mehr führen, sondern regelmäßig nur noch im Rollstuhl befördern würde.
BSG 9. Senat   13.12.1994    9 RVs 3/94
Der Nachteilsausgleich "aG" steht Behinderten nicht zu, die wegen eines Anfallsleidens oder wegen Störungen der Orientierungsfähigkeit zwar nur unter Aufsicht gehen können, aber nicht auf einen Rollstuhl angewiesen sind (Bestätigung und Fortführung von BSG vom 29.1.1992 - 9a RVs 4/90).
BSG 9. Senat   13.12.1994    9 RVs 3/94
In besonders gelagerten Einzelfällen bereits die akute Gefahr einer erheblichen Verschlimmerung eines progredienten Leidens für die Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung ausreichen, auch wenn die funktionelle Einschränkung des Gehvermögens noch nicht derjenigen der in den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften genannten Personen gleichsteht. Dies kann insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn der durch das Merkzeichen auszugleichende Nachteil bereits unmittelbar droht und sein Eintritt nur durch ein entsprechendes Verhalten des Schwerbehinderten zeitlich hinausgezögert werden kann. Die durch den Nachteilsausgleich gebotene Erleichterung fällt mithin dann prophylaktisch ins Gewicht, wenn der Schwerbehinderte aus medizinischen Gründen zur Vermeidung einer weiteren alsbald eintretenden erheblichen Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes das Gehen in allen Lebensbereichen soweit wie möglich einschränken muß; hiervon ist allerdings erst dann auszugehen, wenn medizinisch feststeht, daß er zur Vermeidung überflüssiger Gehstrecken regelmäßig einen Rollstuhl benutzen soll.
Landessozialgericht Baden-Württemberg 11. Senat   15.03.2001     L 11 SB 4527/00
Wer aufgrund eines schwerstgradig ausgeprägten Autismussyndroms nicht in der Lage ist, selbstständig zielgerichtet – auch unter Zuhilfenahme einer Begleitperson – eine auch nur geringfügige Strecke zurückzulegen, ist als außergewöhnlich gehbehindert i. S. v. § 229 Abs. 3 SGB IX anzusehen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens aG sind dann ausnahmsweise trotz prinzipiell physisch vorhandener Gehfähigkeit gegeben.
SG Gießen 16. Kammer   30.01.2020    S 16 SB 110/17
keine Zuerkennung bei selbständigem Gehen über Strecken von 50 bis 80 Metern unter Zuhilfenahme eines Rollators
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat   18.01.2019    L 13 SB 312/16t 
Kein Merkzeichen aG bei Gehvermögen von 250m mit technischen Hilfsmitteln oder mit Unterstützung von Begleitpersonen.
Bayerisches Landessozialgericht 18. Senat   14.11.2018    L 18 SB 111/17
Parkinson-Erkrankte können Anspruch auf Merkzeichen aG haben - dem Erfordernis ständiger Rollstuhlbenutzung kommt hierbei wesentliche Bedeutung zu.
Bundessozialgericht 9. Senat   16.03.2016   B 9 SB 1/15 R  
Wer nicht in der Lage ist, außerhalb seines Fahrzeugs auch nur einen Schritt zu tun ohne sich entweder am Fahrzeug selbst oder am Rollator oder Rollstuhl festzuhalten, kann einen Anspruch aus das Merkzeichen aG haben. Insbesondere die Schwierigkeit der Durchführung von Erholungspausen sowie deren erforderliche Dauer können hierbei zu der Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung führen.
SG Bremen 20. Kammer  29.11.2018   S 20 SB 297/16
Für die Notwendigkeit ständiger Begleitung reicht es aus, dass Gefahren möglich sind, sie brauchen weder mit Sicherheit einzutreten, noch wahrscheinlich zu sein.
SG Dortmund 54. Kammer   09.12.2021   S 54 SB 909/19
Das "regelmäßige" Angewiesensein auf das Mitfahren einer Begleitperson ist das nach dem Gesetz Entscheidende, nicht ein ständiges stetes Angewiesensein.
SG Düsseldorf 4. Kammer   23.05.2019   S 4 SB 1110/14
Es kommt nicht auf die altersbedingt eingeschränkte Fähigkeit des Kindes an, Stoffwechselentgleisungen zu erkennen und zu behandeln. Die Voraussetzungen des Merkzeichens B sind unabhängig vom Alter zu bewerten. Nach Teil D 2a Satz 3 der Anlage zur VersMedV sind für die Beurteilung dieselben Kriterien wie bei Erwachsenen mit gleichen Gesundheitsstörungen maßgebend. D. h., es ist darauf abzustellen, ob ein Erwachsener mit den bei der Klägerin vorhandenen Stoffwechselschwankungen in der Lage wäre, diese rechtzeitig zu erkennen und (selbst) Maßnahmen zur Stabilisierung zu ergreifen.
Sächsisches Landessozialgericht 9. Senat   30.01.2018   L 9 SB 6/15
Der Tatbestand für die Zuerkennung des Merkzeichens B knüpft an die Nachteilsausgleiche G, Gl und H an.
Weiter ist Voraussetzung, dass der Behinderten bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel infolge der Behinderung regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen ist.
SG Aachen 12. Kammer   28.07.2020   S 12 SB 639/18
Merkzeichen B bei Kindern mit Diabetes
Die Zuerkennung des Merkzeichens H bei einem Kind, das an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus leidet, bedingt nur in Ausnahmefällen auch die Zuerkennung des Merkzeichens B. Denn die latente Gefahr des Erleidens hypoglykämischer Schocks ist hinsichtlich des Merkzeichens B nicht ausreichend, um die Notwendigkeit einer ständigen Begleitung bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu begründen.
Für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des Nachteils B bei einem behinderten Kind vorliegen, sind vielmehr dieselben Kriterien wie bei einem Erwachsenen maßgebend.
Bayerisches Landessozialgericht 3. Senat   28.07.2014   L 3 SB 195/13
Merkzeichen B bei Kleinkindern und Saüglingen
Teil D Ziff. 2 a) S. 2, 3 der Versorgungsmediznischen Grundsätze stellt klar, dass auch bei Säuglingen und Kleinkindern dieselben Kriterien wie bei Erwachsenen mit gleichen Gesundheitsstörungen maßgebend sind, wobei diese Regelung für übrige Kinder und Jugendliche in gleicher Weise gilt.
Insofern ist danach zu fragen, ob die vorliegenden Gesundheitsstörungen bei einem Erwachsenen zur Notwendigkeit einer ständigen Begleitung führen würden
Die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen von Säuglingen und Kindern sind also auf einen gedachten Erwachsenen zu übertragen. Soweit bei diesem hiernach die Voraussetzungen für das Merkzeichen B zu bejahen wären, steht es auch dem Säugling oder Kind zu.  
SG Aachen 18. Kammer   18.02.2020   S 18 SB 181/18
Wenn durch ein Parkinson-Syndrom die posturale (die das Gleichgewicht betreffende) Stabilität und die Koordination mit daraus resultierender Behinderung der Mobilität beeinträchtigt sind, die Feinmotorik und die motorischen Koordination an den oberen Extremitäten mit daraus resultierender Behinderung bei manuellen Tätigkeiten des täglichen Lebens gestört sind, kognitiv-mnestische Defizite vorliegen sowie Verhaltensauffälligkeiten, die sich negativ auf die Fähigkeit zur Bewältigung des Alltags und zur sozialen Integration auswirken, kann ein GdB von 80 in Betracht kommen.
Der Schwerbehinderte, der bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen angewiesen ist, hat Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens B.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat   08.03.2018    L 13 SB 28/17
Bei Gehörlosen kann nach Abschluss der Gehörlosenschule und einer Ausbildung nicht aufgrund typischer Funktionsbeeinträchtigungen, insbesondere beeinträchtigter Kommunikationsfähigkeit, vom Vorliegen des Merkzeichens B ausgegangen werden. Sofern früh ertaubte, aber des Lesens und Schreibens kundige Gehörlose unbekannte Wege erstmals zurückzulegen haben, können sie im Internet frei zugängliche Stadtpläne und genaue Wegbeschreibungen ebenso nutzen wie aktuell die auf den handelsüblichen Smartphones verfügbaren Navigationsgeräte mit GPS-Peilung, die sogar eine Ortung ermöglichen.
Landessozialgericht Baden-Württemberg 6. Senat   21.02.2013    L 6 SB 5788/11
1. Bei der Vergabe des Merkzeichens "B" an Kinder sind die selben Kriterien wie bei Erwachsenen mit den gleichen Gesundheitsstörungen maßgebend.
2. Bei einem schwerbehinderten Kind, bei dem bereits die Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" vorliegen und das an Mukoviszidose leidet, ist die Vergabe des Merkzeichens "B" deshalb gerechtfertigt, da das Kind an unkontrolliert auftretenden Hustenattacken, auch mit Blaufärbung, leidet und deshalb bei der Benutzung - vergleiche mit einer Anfallskranken - von öffentlichen Verkehrsmitteln auf fremde Hilfe angewiesen ist.
Landessozialgericht für das Saarland 5. Senat   07.12.2004    L 5 SB 100/03
Im Hinblick auf die Orientierungsfähigkeit ist zu berücksichtigen, dass im Internet frei zugängliche Stadtpläne und genaue Wegbeschreibungen ebenso wie entsprechende Apps auf Smartphones zu Orientierungszwecken genutzt werden können. Diesen kommt mittlerweile für die Möglichkeit der Orientierung gerade auf unbekannten Wegen im Alltag eine überragende Bedeutung zu.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 13. Senat   09.09.2020    L 13 SB 40/17
Bei einem verbliebenen Visus von 0,05 und fehlender Nachweisbarkeit einer zusätzlichen erheblichen Sehstörung (hier: Gesichtsfeldausfall wegen eines ausgeprägten Nystagmus nicht genau feststellbar) können die Voraussetzungen für das Merkzeichen "Bl" nicht festgestellt werden.
Die Grundsätze für die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs der Blindheit werden danach in den „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“ (VG) der AnlVersMedV in Teil A Nr. 6 Buchst. a), b) und c) verbindlich festgelegt (vgl. BSG, Urteil vom 24.10.2019 – a.a.O.). Nach Teil A Nr. 6 Buchst. a) ist blind ein behinderter Mensch, dem das Augenlicht vollständig fehlt. Als blind ist auch ein behinderter Mensch anzusehen, dessen Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht beidäugig mehr als 0,02 (1/50) beträgt oder wenn andere Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichzustellen sind. Eine gleichzusetzende Sehbehinderung liegt nach den Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) vor bei bestimmten Einengungen des Gesichtsfeldes, großen Skotomen sowie homonymen, bitemporalen und binasalen Hemianopsien (Teil A Nr 6 Buchst. b) aa) bis gg). Blind ist schließlich auch ein behinderter Mensch mit einem nachgewiesenen vollständigen Ausfall der Sehrinde (Rindenblindheit), nicht aber mit einer visuellen Agnosie oder anderen gnostischen Störungen (Teil A Nr. 6 Buchst. c).
2. Hilflos iS von § 33b Abs 6 EStG ist stets, wer bei den von dieser Vorschrift erfassten Verrichtungen für mindestens zwei Stunden am Tag fremder Hilfe dauernd bedarf.
3. Bei einem täglichen Zeitaufwand für fremde Hilfe zwischen einer und zwei Stunden ist Hilflosigkeit dann anzunehmen, wenn der wirtschaftliche Wert der erforderlichen Pflege besonders hoch ist.
4. Eine nach § 33b Abs 6 S 3 EStG berücksichtigungsfähige Bereitschaftszeit setzt zeitlich und örtlich denselben Einsatz voraus wie körperliche Hilfe (Fortentwicklung von BSG vom 8.3.1995 - 9 RVs 5/94 = SozR 3-3870 § 4 Nr 12).Bei einem Asperger - Syndrom können aufgrund erheblicher Kommunikations- und sozialer Defizite die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens H erfüllt sein.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 11. Senat   23.06.2011   L 11 SB 374/09
Wer nur in relativ geringem Umfang von täglich etwa einer Stunde auf fremde Hilfe angewiesen ist, ist nicht hilflos und hat keinen Anspruch auf das Merkzeichen H.
Bei einem täglichen Zeitaufwand für fremde Hilfe zwischen einer und zwei Stunden ist Hilflosigkeit dann anzunehmen, wenn der wirtschaftliche Wert der erforderlichen Pflege (wegen der Zahl der Verrichtungen bzw. ungünstiger zeitlicher Verteilung der Hilfeleistungen) besonders hoch ist.
SG Potsdam 22. Kammer   08.07.2020   S 22 SB 2/17
2. Im Grundpflegeaufwand sind auch die verrichtungsbezogenen Pflegemaßnahmen der Sekretelimination im Bereich der Mobilität zu berücksichtigen. Der darüber hinausgehende Zeitaufwand für die erforderlichen Inhalationen einschließlich der Reinigung des Gerätes wird als Behandlungspflege bei der Feststellung des Merkzeichens H nicht erfasst. Auch der hauswirtschaftliche Mehraufwand durch die Zubereitung spezieller kalorienreicher Kost, den Einkauf dieser Lebensmittel sowie durch den vermehrten Anfall von Wäsche aufgrund des starken Schwitzens wird nicht berücksichtigt.
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt 7. Senat   26.03.2013    L 7 SB 58/08Um den individuellen Verhältnissen Rechnung tragen zu können, ist aber nicht allein auf den zeitlichen Betreuungsaufwand abzustellen; vielmehr sind auch die weiteren Umstände der Hilfeleistung, insbesondere der wirtschaftliche Wert der Leistung oder die körperliche und psychische Belastung der Pflegeperson, zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteile vom 14. Dezember 1994 – 3 RK 14/94 –, vom 12. Februar 2003 – B 9 SB 1/02 R –, und vom 24. November 2005 – B 9 SB 1/05 R –; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 23. Februar 2010 – L 15 SB 124/07– alle bei juris).
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 11. Senat   23.07.2015    L 11 SB 157/11