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Versorgungsmedizinische Grundsätze

GdB-Tabelle nach der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV)
Schwerbehinderung und Schwerbehindertenausweis



Landessozialgericht Rheinland-Pfalz 6. Senat
12.01.2021
L 6 SB 113/19
Juris


Es kommt nicht entscheidungserheblich darauf an, ob bestehende Beschwerden, insbesondere Konzentrations-Merkfähigkeits- und Schlafstörungen, Folge einer ADS- bzw. ADHS-Erkrankung (im Erwachsenenalter) oder aber Auswirkungen der rezidivierenden depressiven Episode und/oder der sozialen Phobie sind. Entscheidend für die GdB-Bewertung ist die nachgewiesene gesundheitliche Einschränkung der Teilhabe und nicht die konkrete Bezeichnung der Diagnose, wobei eine klare Abgrenzung hier auch schwierig sein dürfte.


Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung eines höheren Grads der Behinderung (GdB) als 40.

Am 30.09.2016 stellte der am geborene Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Anerkennung eines GdB. Als Gesundheitsstörungen machte er eine rezidivierende depressive Störung (mittelgradig), eine soziale Phobie, ein ADHS und eine Insomnia geltend.

Der Beklagte forderte Befundberichte bei Dr. M vom 01.11.2016 und Dr. H vom 08.11.2016 an. Der gutachterlichen Stellungnahme der Ärztin R vom 02.12.2016 folgend, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 13.12.2016 beim Kläger einen GdB von 30 ab dem 30.09.2016 fest. Dabei ging der Beklagte von einer psychischen Störung (depressive Störung) mit einem Einzel-GdB von 30 aus. Die Gesundheitsstörung „Insomnia“ sei bei der festgestellten Beeinträchtigung bereits berücksichtigt.

Der Kläger legte Widerspruch gegen die Entscheidung ein und machte einen GdB von mindestens 50 geltend. Die Beeinträchtigung wegen psychischer Störungen sei zu gering bemessen. Es müsse beurteilt werden, ob und welche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bzw. ob und welche sozialen und beruflichen Anpassungsschwierigkeiten aus der psychischen Erkrankung resultierten. In seinem Fall sei mindestens von mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen. Er sei beruflich massiv gefährdet. Private Kontakte seien aufgrund der Sozialphobie auf das Notwendigste reduziert. Er habe kein Interesse mehr daran, Freunde und Bekannte zu treffen.

Zur weiteren Abklärung forderte der Beklagte einen Bericht bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H vom 25.07.2017 und einen Befundbericht bei der Dipl.-Psych. P vom 27.09.2017 an. Dr. D erstellte hierzu am 10.10.2017 eine gutachterliche Stellungnahme und stellte fest, aktuell sei der GdB von 30 nicht ausgefüllt. Aufgrund des bei dem Krankheitsbild schwankenden Gesundheitszustands könne der GdB von 30 zwar weiterhin beibehalten werden, liege jedoch im oberen Ermessensbereich. Eine höhergradige Beeinträchtigung sei nicht festzustellen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2017 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Mainz (SG) hat der Kläger vorgetragen, der Beklagte habe bislang lediglich die Depression berücksichtigt. Es lägen jedoch weitere Erkrankungen vor, die sich wechselseitig bedingten und verstärkten und insgesamt als Teilhabebeeinträchtigung zu sehen seien. Ein GdB, der einer leichten Depression entspreche, werde dem Krankheitsbild nicht gerecht. Bei ihm lägen erhebliche Einschränkungen der Teilhabe vor. Nach Einschätzung seines behandelnden Psychiaters sei mindestens von mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen. Er sei massiv beruflich gefährdet und private soziale Kontakte seien auf das Notwendigste reduziert. Schon dies begründe einen GdB von mindestens 50. Zusätzlich sei die ADS bzw- ADHS- Erkrankung zu berücksichtigen. Es sei für jede Funktionsbeeinträchtigung, bezogen auf die Teilhabe, ein GdB zu vergeben und dann ein Gesamt-GdB zu bilden. Es sei nicht darauf zu verweisen, dass ein GdB für Funktionssysteme (hier die Psyche) insgesamt angegeben werde.

Das SG hat von Amts wegen ein nervenärztliches Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K in Auftrag gegeben. In dem am 01.12.2017 erstellten Gutachten hat der Sachverständige angegeben, in Anbetracht der aktuellen Psychopathologie sowie der Krankheitsvorgeschichte lasse sich bei dem Kläger die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig leichte depressive Episode, stellen. Darüber hinaus sei zusätzlich eine soziale Phobie zu diagnostizieren und anamnestisch sei ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom im Kindesalter festgestellt worden. Die Diagnose eines Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms im Erwachsenenalter lasse sich aufgrund der fehlenden Voruntersuchungen und Behandlungen nicht mit Sicherheit feststellen und habe bei der Untersuchung sozialmedizinisch nicht ausreichend beurteilt und bewertet werden können. Der psychiatrische Störungskomplex (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, und soziale Phobie) werde nach sozialmedizinischen Kriterien mit einem Einzel-GdB von 40 bewertet. Es handele sich um eine psychovegetative Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sowie deutlichen sozialen Anpassungsschwierigkeiten.

Der Beklagte hat sich dieser Einschätzung nicht anzuschließen vermocht und die gutachterliche Stellungnahme der Dr. He vom 19.01.2018 eingereicht. Diese gab an, der Einschätzung des Gutachters könne nicht gefolgt werden. Die diagnostizierte und in dem psychopathologischen Befund auch so bestätigte aktuell vorliegende leichte depressive Episode entspreche gemäß der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) einem GdB von 20. Der Kläger sei voll berufstätig und betreibe täglich nach der Arbeit noch 2 Stunden Sport. Er befinde sich nicht in psychiatrischer Behandlung und sei nicht antidepressiv medikamentös eingestellt, was bei der nur leichten depressiven Episode auch nicht dringend notwendig erscheine. Ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom sei durch den Gutachter gar nicht festgestellt, sondern nur anamnestisch aus der Kindheit des Klägers berichtet worden, so dass es nicht in die GdB-Feststellung einfließen könne.

Das SG hat daraufhin eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Dr. K. vom 11.02.2018 veranlasst. Dieser hat ausgeführt, die Angabe der Dr. He , dass der Kläger sich nicht in psychiatrischer Behandlung befinde und auch nicht antidepressiv eingestellt sei, treffe nach den medizinischen Vorbefunden und den glaubhaft gemachten Angaben des Klägers nicht zu. Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom sei bei dem Kläger offensichtlich seit der Kindheit diagnostiziert worden, erst als ADHS-Syndrom im Kindesalter und dann später durch die behandelnden Ärzte und Psychologen als Erwachsenen-Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom bestätigt worden. Des Weiteren berücksichtige die Ärztin Dr. He die soziale Phobie beim Kläger nicht. Es sei bei der Bewertung des Gesamt-GdB auf psychiatrischem Gebiet nicht nur die gegenwärtig leichte depressive Episode im Rahmen einer rezidivierend depressiven Störung zu berücksichtigen. Vielmehr sollte der gesamte psychiatrische Störungskomplex „rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, soziale Phobie sowie das anamnestisch bekannte ADHS-Syndrom“ unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen zwischen den einzelnen psychiatrischen Beeinträchtigungen berücksichtigt werden. Nach alledem sei ein Gesamt-GdB aus neuropsychiatrischer Sicht in Höhe von 40 anzunehmen.

Der Beklagte hat hierzu eine gutachterliche Stellungnahme der Ärztin Dr. He vom 22.03.2018 vorgelegt, die auf den fehlenden Nachweis eines ADHS-Syndroms im Erwachsenenalter und einer sozialen Phobie und auf die nur weitmaschige ambulante psychiatrische Behandlung und Medikation mit einem rezeptfreien pflanzlichen Antidepressivum verwies. Der Kläger hat ein ärztliches Attest des Dr. H vom 03.05.2018 eingereicht, in dem dieser feststellte, dass neben der rezidivierenden depressiven Störung auch klinische Überschneidungsaspekte zu einem seit Kindheit und Jugendlichenalter existierenden ADS/ fraglich ADHS-Krankheitsbilds vorlägen, wobei im Vordergrund beim Kläger das depressive Krankheitsgeschehen stehe. Das SG hat daraufhin eine weitere ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Dr. K veranlasst, der am 17.06.2018 angab, er verbleibe bei seiner in dem Gutachten angegebenen Beurteilung des Gesamt-GdB. Sollte die ADHS-Problematik zu einem späteren Zeitpunkt ausreichend diagnostisch und neuropsychologisch ausgewertet und behandelt werden und dadurch eine stärkere Beeinträchtigung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bescheinigt werden, müsste eine erneute Bewertung des neuropsychiatrischen Gesamtkomplexes vorgenommen werden.

In der mündlichen Verhandlung vom 17.09.2019 hat der Kläger seinen Tagesablauf eingehend geschildert. Unter Berücksichtigung der Angaben hat der Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass ab Antragstellung ein Gesamt-GdB von 40 festgestellt wird. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen, führt den Rechtsstreit im Übrigen jedoch weiter und macht die Anerkennung eines GdB von mindestens 50 geltend.

Das SG hat mit Urteil vom 17.09.2019 die über das Teilanerkenntnis hinausgehende Klage abgewiesen. Der Kläger leide unter einer Beeinträchtigung in Form einer psychischen Störung, namentlich einer depressiven Störung, unter Berücksichtigung einer sozialen Phobie und einem anamnestisch bekannten ADS-Syndrom im Kindesalter. Die vorliegende psychiatrische Beeinträchtigung bedinge einen Einzel-GdB von 40. Es sei von einer psychovegetativen Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sowie deutlichen sozialen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen und nach Teil B Nr. 3.7 Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV) eine stärker behindernde Störung festzustellen. Dem Gutachten des Dr. K sei zu folgen. Der Sachverständige sei nach gutachterlicher Untersuchung des Klägers am 29.11.2017 aufgrund des Befundes nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Kläger eine rezidivierend depressive Störung (gegenwärtig leichte depressive Episode), eine soziale Phobie und ein anamnestisch bekanntes ADS-Syndrom im Kindesalter vorliegen. Der vorgeschlagene GdB von 40 stehe mit den Vorgaben der VersMedV in Einklang. Dr. K habe in schlüssiger Weise den psychopathologischen Zustand des Klägers beschrieben, im Besonderen die vorliegende dysthym-neurasthene Systematik mit einem selbst erlebten Unvermögen, mit den Routineanforderungen des täglichen Lebens fertig zu werden und einer Neigung zu depressiven Verstimmungen und Ängstlichkeit bei gleichzeitiger Unfähigkeit sich zu entspannen. Parallel liege bei dem Kläger eine Sozialphobie vor. Bezüglich des ADS-Syndroms im Erwachsenenalter fehle es an einer ausreichenden Voruntersuchung und Behandlungen, so dass lediglich die anamnestische Feststellung des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms im Kindesalter festgehalten werden könne. Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten, die auf eine schwere Störung und damit einen Gesamt-GdB in Höhe von 50 (oder höher) schließen lassen würden, lägen bei dem Kläger hingegen unter Berücksichtigung des geschilderten Tagesablaufs und den Feststellungen im Gutachten nicht vor.

Am 02.10.2019 hat der Kläger gegen das ihm am 01.10.2019 übersandte Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrags aus dem erstinstanzlichen Verfahren Berufung eingelegt. Unter Berücksichtigung der vom ärztlichen Sachverständigenbeirat angeführten Voraussetzungen seien bei ihm tatsächlich mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten anzunehmen, die einen GdB von mindestens 50 bedingten. Das SG habe verkannt, dass es für die Annahme mittelgradiger sozialer Anpassungsschwierigkeiten noch keiner kompletten Isolation im Privaten bzw. einer starken Gefährdung oder eines Ausschlusses der Berufstätigkeit bedürfe. Dies sei erst im Bereich der schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten zu fordern.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 17.09.2019 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 13.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2017 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 17.09.2019 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, die bei dem Kläger bestehende psychische Beeinträchtigung entspreche einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, welche einen GdB von 40 bedinge und mithin den oberen Bewertungsspielraum einer stärkeren Störung ausschöpfe. Eine schwere Störung, die das Vorliegen mittelgradiger (GdB 50-70) bzw. schwerer (GdB 80-100) sozialer Anpassungsschwierigkeiten voraussetze, lasse sich nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen und unter Beachtung der Vorgaben der VersMedV nicht belegen. Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten seien nicht zu erkennen. Weder dem Gutachten noch den Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung lasse sich eine aufgrund der Beeinträchtigung bestehende berufliche Gefährdung entnehmen. Den mit der Sozialphobie verbundenen Problemen sei durch die Versetzung in einen ruhigen Tagesschichtbereich entgegengewirkt worden. Auch erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung seien nicht erkennbar und es liege ein strukturierter Tagesablauf vor.

Der Senat hat einen Befundbericht bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H vom 08.09.2020 angefordert. Hierzu hat der Beklagte eine gutachterliche Stellungnahme der Ärztin Dr. W -S vom 06.11.2020 eingereicht, die angab, nach Auswertung des Berichts des Dr. H halte sie die Bewertung der psychischen Störung mit einem GdB von 40 für keineswegs niedrig bemessen. Einschränkungen, wie sie Personen haben, die an einer schweren Zwangsstörung leiden (GdB 50-70) könne sie bei dem Kläger nicht feststellen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143,144,151 SGG). Es liegt zwar kein Empfangsbekenntnis des Klägers hinsichtlich der Zustellung des Urteils des SG vor, so dass das Datum der Zustellung des Urteils nicht bekannt ist. Abgesandt zur Zustellung wurde das Urteil nach der Akte am 01.10.2019, so dass der Kläger das am 17.09.2019 verkündete Urteil frühestens am 01.10.2019 erhalten hat. Die Klagefrist von 1 Monat wurde mit der am 02.10.2019 eingegangenen Berufung auf jeden Fall eingehalten.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 13.12.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2017 in der Gestalt des Teilanerkenntnisses vom 17.09.2019, mit dem der Beklagte den GdB ab dem 30.09.2016 mit 40 festgestellt hat. Nachdem der Kläger das Teilanerkenntnis des Beklagten angenommen hat, war vom SG nur noch über das darüber hinaus gehende Klagebegehren eines GdB von mindestens 50 ab Antragstellung, also ab dem 30.09.2016, zu entscheiden, weil sich der Rechtsstreit im Rahmen des angenommenen Teilanerkenntnisses insoweit erledigt hat (§ 101 Abs. 2 SGG).

Das SG hat die über das Teilanerkenntnis hinausgehende Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.

Gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der seit dem 01.01.2018 geltenden – hier wegen des im Falle der vorliegenden kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG; zur statthaften Klageart vgl. Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 12.04.2000, B 9 SB 3/99 R, juris; BSG, Urteil vom 17.04.2013 - B 9 SB 3/12 R, juris) maßgeblichen Zeitpunkts der letzten mündlichen Verhandlung bzw. des Zeitpunkts der Entscheidung durch das LSG – Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung (GdB) zum Zeitpunkt der Antragstellung fest. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 152 Abs. 1 Satz 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).

Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in den bis zum 14.01.2015 geltenden Fassungen (aF) gelten bei der Feststellung des GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Damit wird auf die auf Grund des § 30 Abs. 17 (jetzt Abs. 16) BVG mit Wirkung ab 01.01.2009 erlassene Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (VersMedV) Bezug genommen; da der Gesetzgeber von der Ermächtigung in § 153 Abs. 2 SGB IX noch keinen Gebrauch gemacht hat, verbleibt es bis zum Erlass einer solchen neuen Rechtsverordnung bei der bisherigen Rechtslage, d.h. bei der Anwendbarkeit der Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 17 (jetzt Abs. 16) BVG erlassenen Rechtsverordnung (vgl. § 241 Abs. 5 SGB IX; siehe dazu auch BSG Urteil vom 11.08.2015 - B 9 SB 1/14 R, juris).

Nach § 30 Abs. 1 BVG i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX aF ist der GdB nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen, wobei der GdB nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen ist und ein bis zu fünf Grad geringerer Grad vom höheren Zehnergrad mit umfasst wird. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten (§ 30 Abs. 1 Satz 3 BVG).

Aufgrund der ab dem 01.01.2009 geltenden VersMedV, die hier für die Zeit ab Antragstellung zur Anwendung gelangt, sind u.a. die Grundsätze für die medizinische Bewertung von „Schädigungsfolgen“ und die Feststellung des „Grades der Schädigungsfolgen“ im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG geregelt (§ 1 VersMedV) – übertragen auf das SGB IX: die medizinische Bewertung der Behinderungen und die Feststellung des GdB. Die in § 1 VersMedV genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage (Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ - AnlVersMedV) zu dieser Verordnung als deren Bestandteil festgelegt; die Anlage wird auf der Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellt und fortentwickelt (vgl. § 2 VersMedV).

Nach der Rechtsprechung des BSG ist davon auszugehen, dass die VersMedV als verbindliche Rechtsquelle grundsätzlich den Maßstab angibt, nach dem der GdB einzuschätzen ist (vgl. BSG Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 4/10 R, juris). Zweifel am Inhalt der AnlVersMedV, der durch besondere, vor allem medizinische Sachkunde bestimmt ist, sind vorzugsweise durch Nachfrage bei dem verantwortlichen Urheber, hier also beim Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin bzw. bei dem für diesen geschäftsführend tätigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales (§ 3 VersMedV) zu klären (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.). Im Übrigen ist die VersMedV auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 152 SGB IX - zu überprüfen, in dessen Lichte sie auszulegen sind; bei nach entsprechender Auslegung verbleibenden Verstößen gegen § 152 SGB IX ist die VersMedV nicht anzuwenden (so zu § 69 SGB IX aF: BSG, a.a.O, m.w.N.).

Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen, im Sinne von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichenden Körper- und Gesundheitszustand (vgl. § 2 Abs. 1 SGB IX), und die sich daraus ableitenden, in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft länger als 6 Monate hindernden Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese – soweit möglich – den in der AnlVersMedV genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten; eine Addition einzelner Werte ist nicht zulässig (vgl. Teil A Nr. 3 lit. c AnlVersMedV). In einem dritten Schritt ist dann - in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (vgl. Teil A Nr. 3 lit. c AnlVersMedV) - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (siehe auch Teil A Nr. 3 lit. der AnlVersMedV). Von Ausnahmefällen (z.B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen; auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 lit. d, ee AnlVersMedV). Außerdem sind bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der Tabelle der AnlVersMedV feste GdB/MdE-Werte bzw. feste GdS-Werte angegeben sind (vgl. Teil A Nr. 3 lit. b AnlVersMedV).

Ausgehend von diesen maßgeblichen Grundsätzen hat das SG zu Recht keinen höheren als den mit Bescheid vom 13.12.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2017 in der Gestalt des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 17.09.2019 zuerkannten GdB von 40 angenommen. Auf die diesbezüglichen ausführlichen Ausführungen des SG im Urteil vom 17.09.2019 wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG), mit folgenden Ergänzungen:

Bei dem Kläger liegt (allein) eine psychische Störung vor, deren GdB-Bewertung sich nach Teil B Nr. 3.7 der AnlVersMedV richtet. Danach ist der GdB bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen wie folgt anzugeben:

·Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen 0 – 20 ·Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) 30 –40 ·Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) -mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten 50 – 70 -mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten 80 – 100.

Im Fall des Klägers ist zwar eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit anzunehmen, die einen GdB von 40 rechtfertigt, die Voraussetzungen für die Annahme einer schweren Störung mit mittelgradigen oder gar mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten liegen jedoch zur Überzeugung des Senats nicht vor. Das SG hat im Urteil vom 17.09.2019 die Voraussetzungen für „mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten“ zutreffend dargelegt. Kennzeichnend für mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten sind die vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat am Beispiel des schizophrenen Residualzustandes entwickelten Abgrenzungskriterien (vgl. Beschlüsse des Ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 18./19.03.1998 und vom 08./09.11.2000). Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten werden hiernach wie folgt beschrieben: In den meisten Berufen sich auswirkende psychische Veränderungen, die zwar eine weitere Tätigkeit grundsätzlich noch erlauben, jedoch eine verminderte Einsatzfähigkeit bedingen, die auch eine berufliche Gefährdung einschließt; erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung, aber noch keine Isolierung, noch kein sozialer Rückzug in einem Umfang, der z. B. eine vorher intakte Ehe stark gefährden könnte. Dagegen sind schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten dadurch charakterisiert, dass eine weitere berufliche Tätigkeit sehr stark gefährdet oder ausgeschlossen ist und schwerwiegende Probleme in der Familie oder im Freundes- bzw. Bekanntenkreis bis zur Trennung von der Familie, vom Partner oder Bekanntenkreis bestehen. Eine schwere Störung mit (zumindest) mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten lässt sich beim Kläger nicht feststellen. Zwar bedarf es, wie der Kläger in der Berufungsbegründung zu Recht ausführt, für die Annahme mittelgradiger sozialer Anpassungsschwierigkeiten keiner kompletten Isolation im Privaten bzw. einer starken Gefährdung oder gar den Ausschluss der Berufstätigkeit. Dennoch sind weitgehendere Einschränkungen zu fordern als bei einer „wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit“, die eine Bewertung des GdB mit (nur) 30-40 – im Fall des Klägers wurde mit 40 der obere Rahmen ausgeschöpft – rechtfertigt. Im Berufsleben bestehen bei dem Kläger, wie sich aus seinen Angaben gegenüber dem Gutachter Dr. K und den Schilderungen in der mündlichen Verhandlung entnehmen lässt, zwar gewisse Einschränkungen. Eine derart verminderte Einsatzfähigkeit, dass hier von einer „schweren Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten“ auszugehen wäre, wird aber nicht beschrieben. Auf einem Arbeitsplatz im „ruhigen Tagesschichtbereich“ kommt der Kläger offenkundig zurecht. So gab der Kläger nach dem Befundbericht des Dr. H vom 08.09.2020 bei der Wiedervorstellung am 16.07.2020 an, er habe „die Prüfung geschafft“ und dass er jetzt die Möglichkeit von seinem Arbeitgeber bekommen habe, ggf ins Ausland zu gehen, wobei die Umsetzung von den coronabedingten Rahmenbedingungen abhängt. Dies zeigt, dass der Kläger beruflich zwar gewissen Einschränkungen unterliegt, aber nur in bestimmten Arbeitsbereichen, wohingegen ihm in anderen Bereichen eine Berufstätigkeit ohne größere Ausfälle und Einschränkungen möglich ist, so dass der Arbeitgeber aktuell sogar einen Einsatz des Klägers im Ausland erwägt (und auch der Kläger hat Interesse hieran und traut sich einen Auslandseinsatz offenbar dem Grunde nach zu). Zwar befindet sich der Kläger in Kurzarbeit, dies betrifft aber nicht nur ihn, sondern viele Mitarbeiter des Arbeitgebers und ist nicht Folge der psychischen Erkrankung des Klägers, sondern der Corona-Pandemie. Die behandelnde Dipl.-Psych. P gab im Befundbericht vom 27.09.2017 gegenüber dem Beklagten zu den Einschränkungen im Berufsleben an, der Kläger könne nur im Tagesdienst arbeiten. Er solle aufgrund des ADHS keine monotonen Arbeiten verrichten, sondern brauche eine neigungsorientierte Beschäftigung. Dies zeigt, dass bei dem Kläger zwar wegen der psychischen Erkrankungen bestimmte Einschränkungen bestehen, die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit insgesamt ist jedoch nicht gefährdet. Der Kläger ist auch im privaten Bereich zwar nachvollziehbar eingeschränkt, aber auch hier sind keine so weitgehenden Einschränkungen zu erkennen, dass von einer schweren Störung mit zumindest mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten zu sprechen wäre. Der Kläger hat, wie sich seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung beim SG entnehmen lässt, regelmäßig Kontakte zu seiner Familie, auch wenn sich diese Kontakte, wie sich aus den Angaben gegenüber Dr. H (vgl. zB Befundbericht vom 08.09.2020) ergibt, als teilweise spannungsgeladen erweisen, wobei dies jedoch wiederum zumindest zum Teil nicht auf die eigene psychische Erkrankung des Klägers (und somit auf Kontaktschwierigkeiten bzw einen sozialen Rückzug des Klägers) zurückzuführen ist, sondern (auch) auf eigene psychiatrische Probleme des Vaters und „große Probleme“ der Mutter. Dennoch ist der Kläger nach seinen Schilderungen gegenüber dem SG in regelmäßigem Kontakt zu den Eltern, insbesondere der Mutter, und auch zu dem Bruder. Und auch wenn der Kläger bei dem Sachverständigen Dr. K angab, er habe kaum Kontakte außerhalb der Familie und keine Freunde, bestehen offenkundig zumindest gewisse Kontakte nach außen. Gegenüber Dr. H berichtete der Kläger über „eine ihn stabilisierende partnerschaftliche Beziehung“ (Befundbericht vom 08.11.2016) bzw. später über „wechselnde partnerschaftliche Beziehungen“ (Befundbericht vom 08.09.2020), was zeigt, dass er – trotz der glaubhaften Probleme im Umgang mit anderen Menschen – immer wieder auch Partnerschaften führt und sich auch außerhalb der Partnerschaften und der Beziehung zu den Eltern zumindest in einem gewissen Umfang mit anderen Menschen, insbesondere wohl in der Gothic-Szene, der der Kläger angehört, trifft und dabei auch neue Beziehungen aufbauen kann. Das Freizeitverhalten des Klägers lässt ebenfalls Einschränkungen erkennen, ist aber noch nicht in einem Umfang eingeschränkt, dass von mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten zu sprechen wäre. Der Kläger geht regelmäßig ins Fitnessstudio, auch wenn er sich dort nach seinen Schilderungen von anderen Menschen eher fernhält und dies an einzelnen Tagen bzw. in bestimmten Phasen nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Er kann sich auch selber versorgen und geht, wenn auch zu Zeiten mit wenig Publikumsverkehr, selber einkaufen und legt die Wege im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit, der Selbstversorgung, Arzt- und Therapeutenbesuchen und dem Sport alleine und ohne erkennbare Schwierigkeiten zurück. Er kümmert sich des Weiteren alleine um seinen Haushalt einschließlich der Versorgung der Katzen und eines Aquariums, ohne dass hierbei Probleme oder wesentliche Einschränkungen zu erkennen wären. Der Kläger kann sich auch eigenständig um seine gesundheitliche Situation kümmern und Arzt- und Therapietermine ausmachen und einhalten. Trotz der bei dem Kläger zweifellos vorliegenden Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit finden noch Aktivitäten außerhalb des Hauses in einer Art und einem Umfang statt, dass, wie auch vom Sachverständigen Dr. K angenommen, eine Bewertung der Minderung der Teilhabe mit einem GdB von 40 angemessen, aber auch ausreichend ist. Der im Gutachten des Dr. K beschriebene psychische Befund stützt die Auffassung, dass es sich um eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (wie bei ausgeprägten depressiven, hypochondrischen, asthenischen oder phobischen Störungen), nicht aber, wie vom Kläger geltend gemacht, um eine schwere Störung (wie zB eine schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten handelt und die GdB-Bewertung mit 40 zutreffend ist. Der Kläger erschien äußerlich gepflegt und pünktlich zum vereinbarten Untersuchungstermin. Während der Untersuchung hielt er regelmäßig den Blickkontakt aufrecht und war während des Gesamtgesprächs aufmerksam, zugewandt und kooperativ. Der Sachverständige gab an, der Kläger sei während der Untersuchung wach und hinsichtlich Ort, Zeit, Person und Situation voll orientiert gewesen. Vorzeitige Ermüdungserscheinungen seien nicht erkennbar gewesen. Auffassung und Wahrnehmung seien nicht vermindert, die Konzentration ausdauernd und die Merkfähigkeit und Gedächtnisfunktion seien bei der Untersuchung, soweit prüfbar, gut gewesen. Die Grundstimmung habe sich subdepressiv verflacht bei deutlich eingeschränkter affektiver Schwingungs-, Resonanz- und Modulationsfähigkeit dargestellt. Psychomotorisch war der Kläger nach den Angaben des Gutachters ruhig und das Antriebsniveau regelrecht. Die Realitätsprüfung, Urteilskraft sowie Kritik- und Entschlussfähigkeit seien, so der Sachverständige, nicht beeinträchtigt gewesen. Unter Berücksichtigung dieser Befunde, der anamnestischen Angaben des Klägers zu seinen Beschwerden und Einschränkungen und zu seinem Tagesablauf und der Aktenlage einschließlich der Befundberichte der behandelnden Ärzte diagnostizierte Dr. K bei dem Kläger nachvollziehbar eine rezidivierend depressive Störung (gegenwärtig leichte depressive Episode) und eine soziale Phobie und verwies außerdem auf ein anamnestisch bekanntes ADS-Syndrom im Kindesalter. Aus den Befundberichten ergibt sich zwar, dass bei dem Kläger, neben leichten depressiven Phasen (wie zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. K ) zeitweise auch mittelschwere Episoden bestehen (wie in den Berichten des Dr. H beschrieben), dies wird aber durch die Annahme einer rezidivierenden depressiven Störung (mit wechselndem Ausprägungsgrad) berücksichtigt und vom Sachverständigen bei der Bewertung des GdB mit 40 zu Grunde gelegt. Auch Dr. H hatte gemäß ärztlichem Attest vom 03.05.2018 zusammenfassend eine rezidivierende depressive Störung mit wechselnden leichten bis mittelgradigen depressiven Episoden bei außerdem zu berücksichtigender sozialphobischer Komponente (als medizinisch integrativen diagnostischen Bestandteil der rezidivierenden depressiven Störung) und klinischen Überschneidungsaspekten zu einem seit Kindheit existierenden ADS/fraglich ADHS-Krankheitsbild bei dem Kläger festgestellt. Dies lässt erkennen, dass es bei dem Kläger zu Auswirkungen der psychischen Erkrankungen kommt, die sich teilweise überschneiden und teilweise gegenseitig verstärken, dies wurde von Dr. K aber bereits berücksichtigt und rechtfertigt nicht die Einschätzung eines höheren GdB als 40 für die psychiatrischen Störungen beim Kläger. Bei der Einschätzung des GdB mit 40 ging der Sachverständige bereits von einer Gesamtschau der Behinderungen unter Betrachtung ihrer wechselseitigen Beziehungen aus. Er betonte in der ergänzenden Stellungnahme vom 11.02.2018, dass auf dem psychiatrischen Fachgebiet nicht nur die gegenwärtig leichte depressive Episode im Rahmen einer rezidivierend depressiven Störung zu berücksichtigen sei. Vielmehr solle der gesamte psychiatrische Störungskomplex „rezidivierend depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, soziale Phobie sowie das anamnestisch bekannte ADHS- Syndrom“ unter Beachtung der wechselseitigen Beziehungen zwischen den einzelnen psychiatrischen Beeinträchtigungen berücksichtigt werden. Insgesamt, also unter Beachtung der Auswirkungen der Interaktionen der einzelnen Behinderungen innerhalb des psychiatrischen Störungskomplexes, schätzte der Gutachter den GdB aus neuropsychiatrischer Sicht nachvollziehbar mit insgesamt 40 ein. Randnummer35 Bei der Beurteilung kommt es vorliegend nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die beim Kläger bestehenden Beschwerden, insbesondere die Konzentrations-Merkfähigkeits- und Schlafstörungen, Folge einer ADS- bzw. ADHS-Erkrankung (im Erwachsenenalter) oder aber Auswirkungen der rezidivierenden depressiven Episode und/oder der sozialen Phobie sind. Entscheidend für die GdB-Bewertung ist die nachgewiesene gesundheitliche Einschränkung der Teilhabe beim Kläger und nicht die konkrete Bezeichnung der Diagnose, wobei eine klare Abgrenzung hier auch schwierig sein dürfte. Die Begutachtung im Schwerbehindertenrecht ist eine Funktionsbegutachtung, d.h. es kommt auf die durch die gesundheitlichen Einschränkungen entstehenden Funktionsbeeinträchtigungen und nicht die Stellung bestimmter Diagnosen an (s.a. Teil A Nr. 2 lit. a AnlVersMedV). Vom Gericht ist weder eine andere Bezeichnung der anerkannten einzelnen Behinderungsleiden noch eine Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen auszusprechen. Denn die Änderung einer Behinderungsbezeichnung, die Veränderung eines Einzel-GdB beim Vorliegen mehrerer Teil-Behinderungen oder das Hinzutreten weiterer Teil-Behinderungen ohne Auswirkungen auf die Höhe des Gesamt-GdB hat keine rechtlichen Folgen. Im final ausgerichteten Schwerbehindertenrecht ist es gleichgültig, worauf ein regelwidriger Gesundheitszustand beruht, und die Feststellung der daraus erwachsenen Behinderung hätte keine rechtlichen Folgen. Maßgeblicher – vom Gericht zu überprüfender - Regelungsinhalt eines Feststellungsbescheids über das Vorliegen und den Grad einer Behinderung bildet nicht die Frage, wie einzelne Funktionsbeeinträchtigungen für sich genommen zu bewerten sind, sondern welche Folgen sich aus ihrem Zusammenwirken für die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben der Gesellschaft insgesamt ergeben (§ 152 Abs. 1 Satz 1 und 4 und Abs. 3 SGB IX n.F., § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 und Abs. 3 SGB IX a.F.). Das Schwerbehindertenrecht kennt nur einen Gesamtzustand der Behinderung, den ggf. mehrere Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit bestimmen. So genannte Einzel-GdB, die den Grad der Behinderung separat für eine einzelne Erkrankung bzw. Funktionseinschränkung im Bescheid ausweisen, sind nur Begründungselemente (§ 35 SGB X) des Gesamt-GdB; nur letzterer steht im Verfügungssatz des Bescheids und hat Feststellungswirkung (BSG, Urteil vom 24.06.1998 – B 9 SB 17/97 R, juris, und BSG, Beschluss vom 01.06.2015 – B 9 SB 10/15 B, juris). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger zitierten Beschluss des BSG vom 15.05.2017 (B 9 SB 8/17 B, juris). In dem Beschluss stellte das BSG vielmehr fest, dass die geforderte Gesamtschau der Teilhabebeeinträchtigungen eine Gewichtung der ermittelten Einzel-GdB-Werte erfordert, betonte aber gleichzeitig auch, dass die Bildung von Einzel-GdB-Werten innerhalb eines Funktionssystems (hier der Psyche) nur dann entscheidungserheblich zu einer Erhöhung des (entscheidenden und allein feststellungsfähigen) Gesamt-GdB im konkreten Fall führt, wenn sich dadurch weitere Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ergeben. Letzteres ist hier unter Berücksichtigung der überzeugenden Ausführungen des Dr. K gerade nicht der Fall. Der Sachverständige schätzte den GdB beim Kläger vielmehr unter Beachtung der Wechselwirkungen und unter Berücksichtigung aller bei dem Kläger vorliegenden Einschränkungen der Teilhabe aufgrund der Erkrankungen auf psychiatrischen Gebiet mit insgesamt 40 ein, was auch nach Auffassung des Senats den hier vorliegenden Einschränkungen der Teilhabe nachvollziehbar entspricht.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 17.09.2019 ist somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

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