a) Für die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson ist nach dem SGB IX
die Berechtigung für eine ständige Begleitung zu beurteilen. Auch bei Säuglingen
und Kleinkindern ist die gutachtliche Beurteilung der Berechtigung für
eine ständige Begleitung erforderlich. Für die Beurteilung sind dieselben Kriterien
wie bei Erwachsenen mit gleichen Gesundheitsstörungen maßgebend.
Es ist nicht zu prüfen, ob tatsächlich diesbezügliche behinderungsbedingte
Nachteile vorliegen oder behinderungsbedingte Mehraufwendungen entstehen.
b) Eine Berechtigung für eine ständige Begleitung ist bei schwerbehinderten
Menschen (bei denen die Voraussetzungen für die Merkzeichen „G“, „Gl“ oder
„H“ vorliegen) gegeben, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln
infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen
sind. Dementsprechend ist zu beachten, ob sie bei der Benutzung öffentlicher
Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder
während der Fahrt des Verkehrsmittels angewiesen sind oder ob Hilfen zum
Ausgleich von Orientierungsstörungen (z.B. bei Sehbehinderung, geistiger
Behinderung) erforderlich sind.
c) Die Berechtigung für eine ständige Begleitung ist anzunehmen bei
Querschnittgelähmten,
Ohnhändern,
Blinden und
Sehbehinderten, Hörbehinderten, geistig behinderten Menschen und Anfallskranken,
bei denen die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der
Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt ist.
Rechtsprechung
Merkzeichen B
Nach § 229 Abs. 2 SGB IX sind zur Mitnahme einer Begleitperson schwerbehinderte Menschen berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind. Nach Teil D Ziff, 2.b) VmG ist dementsprechend zu beachten, ob sie bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt des Verkehrsmittels angewiesen sind oder ob Hilfen zum Ausgleich von Orientierungsstörungen (z. B. bei Sehbehinderung, geistiger Behinderung) erforderlich sind.
Dabei ist von einem weitgehenden Gefahrenbegriff auszugehen. Für die Notwendigkeit ständiger Begleitung reicht es aus, dass Gefahren möglich sind, sie brauchen weder mit Sicherheit einzutreten, noch wahrscheinlich zu sein (vgl. Bayrisches LSG, Urteil vom 26.09.2001, Az.: L 18 SB 117/00, juris).
SG Dortmund 54. Kammer
09.12.2021
S 54 SB 909/19
Merkzeichen B bei Erforderlichkeit von Begleitung in stark frequertierten Verkehrsmitteln
Das "regelmäßige" Angewiesensein auf das Mitfahren einer Begleitperson ist das nach dem Gesetz Entscheidende, nicht ein ständiges stetes Angewiesensein.
SG Düsseldorf 4. Kammer
23.05.2019
S 4 SB 1110/14
1. Die Regelung zur Berechtigung der Inanspruchnahme einer ständigen Begleitung (Merkzeichen B) in Teil D Nr 2 VG ist nicht abschließend.
2. Liegt kein "Katalogfall" des Teil D Nr 2 Buchst c VG vor, kommt eine Berechtigung für eine ständige Begleitung jedoch in Betracht, wenn der Schweregrad einer Behinderung alleine oder mehrerer Behinderungen zusammen in einer "funktionellen Gesamtschau" entsprechend dem Schutzzweck der Regelung eine so schwere funktionelle Teilhabebeeinträchtigung ergibt, wie sie durch die "Katalogfälle" des Teil D Nr 2 Buchst c VG beschrieben ist, so dass eine Gleichstellung mit dem in der VersMedV genannten Personenkreis entsprechend der "Katalogfälle" gerechtfertigt ist.
Die Zuerkennung des Merkzeichens „B“ kann somit nur erfolgen, wenn das Merkzeichen „G“, „H“ oder „Bl“ zuerkannt ist
Landessozialgericht Baden-Württemberg 8. Senat
22.03.2019
L 8 SB 3550/18
Rechtsprechung
Merkzeichen B an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit
Nach dem bis zum 31.12.2017 geltenden Recht waren zur Mitnahme einer Begleitperson schwerbehinderte Menschen berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind (§ 146 Abs. 2 SGB IX a.F.). Nach § 145 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX a.F. wird eine Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 145 Abs. 1 SGB IX a.F. unentgeltlich im öffentlichen Nahverkehr befördert, wenn die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen ist und dies im Schwerbehindertenausweis eingetragen ist. Schwerbehinderte Menschen i.S.d. § 145 Abs. 1 SGB IX a.F. sind Personen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, hilflos oder gehörlos sind, denen also das Merkzeichen „G“, „H“ oder „Gl“ zuerkannt ist. Das bedeutet, dass die Zuerkennung des Merkzeichens „B“ nur erfolgt, wenn „G“, „H“ oder „Bl“ zuerkannt ist (BSG 11.11.1987 - 9a RVs 6/86 - SozR 3870 § 38 Nr. 2). Dementsprechend ist zu beachten, ob sie bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt des Verkehrsmittels angewiesen sind oder ob Hilfen zum Ausgleich von Orientierungsstörungen (z.B. bei Sehbehinderung, geistiger Behinderung) erforderlich sind.
Seit dem 01.01.2018 sind nach § 229 Abs. 2 Satz 1 SGB IX schwerbehinderte Menschen zur Mitnahme einer Begleitperson berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind. Nach § 228 Abs. 6 Nr. 1 SGB IX wird eine Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 228 Abs. 1 SGB IX a.F. unentgeltlich im öffentlichen Nahverkehr befördert, wenn die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen und dies im Ausweis des schwerbehinderten Menschen eingetragen ist. Schwerbehinderte Menschen i.S.d. § 228 Abs. 1 SGB IX sind Personen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind. Damit knüpft der Tatbestand noch immer an die Merkzeichen „G“, „Gl“ und „H“ an. Dementsprechend ist zu beachten, ob sie bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt des Verkehrsmittels angewiesen sind oder ob Hilfen zum Ausgleich von Orientierungsstörungen (z.B. bei Sehbehinderung, geistiger Behinderung) erforderlich sind.
Landessozialgericht Baden-Württemberg 8. Senat
23.11.2018
L 8 SB 324/18
Rechtsprechung
Merkzeichen B Kinder
Teil D Ziff. 2 a) S. 2, 3 VMG stellt klar, dass entsprechend Teil D Ziff. 1 c) VMG (zum Merkzeichen G) auch bei Säuglingen und Kleinkindern dieselben Kriterien wie bei Erwachsenen mit gleichen Gesundheitsstörungen maßgebend sind, wobei diese Regelung für übrige Kinder und Jugendliche in gleicher Weise gilt (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. Juli 2014 - L 3 SB 195/13 -, Rn. 26, juris; Vogl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 229 SGB IX, Rn. 30).
Insofern ist danach zu fragen, ob die vorliegenden Gesundheitsstörungen bei einem Erwachsenen zur Notwendigkeit einer ständigen Begleitung führen würden (Bayerisches Landessozialgericht, a.a.O., Rn. 25; Urteil vom 16. Oktober 2018 – S 18 SB 317/17 –, Rn. 56, juris).
Die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen von Säuglingen und Kindern sind also auf einen gedachten Erwachsenen zu übertragen. Soweit bei diesem hiernach die Voraussetzungen für das Merkzeichen B zu bejahen wären, steht es auch dem Säugling oder Kind zu. Teil D Ziff. 2 a) lässt in S. 3 dabei unmittelbar im Normtext den Sinn dieser Übertragung erkennen.
Anders als § 2 Abs. 1 S. 2 SGB IX bzw. Teil A Ziffer 2 c) VMG für die Bemessung des Grades der Behinderung vorgeben, soll es für das Merkzeichen B nicht auf eine Relation der finalen Beeinträchtigung zum Alter ankommen. Auch Säuglingen und Kindern, die letztlich schon ohne Behinderung altersbedingt öffentliche Verkehrsmittel nicht ohne Begleitung nutzen könnten, soll das Merkzeichen B zustehen können.
SG Aachen 18. Kammer
S 18 SB 181/18
18.02.2020
Rechtsprechung
Merkzeichen B Autismus Kind
Merkzeichen "B" bei an Autismus leidenden Kindern
Das Abstellen auf dieselben Kriterien wie bei Erwachsenen bei der Beurteilung der Berechtigung für eine ständige Begleitung von Kindern bedeutet nicht, dass bei der Beurteilung etwas in Abzug zu bringen ist, was ohnehin auch alterstypisch die selbstständige Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel erschwert. Denn in der Konsequenz dieser Blickrichtung läge es, dass etwa Säuglingen das Merkzeichen B niemals zustehen könnte, da auch gesunde Säuglinge ständiger Begleitung bedürften. Es ist aber gerade Sinn und Zweck des Buchstaben a S. 2, 3 klarzustellen, dass eine Relation behinderungsbedingter Einschränkungen zum Alter nicht herzustellen ist.
SG Aachen 18. Kammer
S 18 SB 181/18
18.02.2020
Rechtsprechung
Merkzeichen B Mukoviszidose Kind
1. Bei der Vergabe des Merkzeichens "B" an Kinder sind die selben Kriterien wie bei Erwachsenen mit den gleichen Gesundheitsstörungen maßgebend.
2. Bei einem schwerbehinderten Kind, bei dem bereits die Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" vorliegen und das an Mukoviszidose leidet, ist die Vergabe des Merkzeichens "B" deshalb gerechtfertigt, da das Kind an unkontrolliert auftretenden Hustenattacken, auch mit Blaufärbung, leidet und deshalb bei der Benutzung - vergleiche mit einer Anfallskranken - von öffentlichen Verkehrsmitteln auf fremde Hilfe angewiesen ist.
Landessozialgericht für das Saarland 5. Senat
07.12.2004
L 5 SB 100/03
Rechtsprechung
Merkzeichen B Stoffwechselentgleisungen
Die Zuerkennung des Merkzeichens H bei einem Kind, das an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus leidet, bedingt nur in Ausnahmefällen auch die Zuerkennung des Merkzeichens B. Denn die latente Gefahr des Erleidens hypoglykämischer Schocks ist hinsichtlich des Merkzeichens B nicht ausreichend, um die Notwendigkeit einer ständigen Begleitung bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu begründen.
Bayerisches Landessozialgericht 3. Senat
28.07.2014
L 3 SB 195/13
Allerdings kommt es nicht auf die altersbedingt eingeschränkte Fähigkeit des Kindes an, Stoffwechselentgleisungen zu erkennen und zu behandeln; die Voraussetzungen des Merkzeichens B sind unabhängig vom Alter zu bewerten. Nach Teil D 2a Satz 3 der Anlage zur VersMedV sind für die Beurteilung dieselben Kriterien wie bei Erwachsenen mit gleichen Gesundheitsstörungen maßgebend. D. h., es ist darauf abzustellen, ob ein Erwachsener mit den bei der Klägerin vorhandenen Stoffwechselschwankungen in der Lage wäre, diese rechtzeitig zu erkennen und (selbst) Maßnahmen zur Stabilisierung zu ergreifen.
Sächsisches Landessozialgericht 9. Senat
L 9 SB 6/15
30.01.2018