GdB 30 - 40 Depression psychische npassungsschwierigkeiten

Psychische Anpassungsschwierigkeiten, die einen Behinderungsgrad von 30-40 rechtfertigen, sind durch Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbußen gekennzeichnet, dieses Kriterium ist zur differenzierenden Einschätzung von Anpassungsschwierigkeiten analog auch dann heranzuziehen, wenn die Symptomatik der psychischen Störungen ganz unterschiedlich ist.


SG Magdeburg 2. Kammer
03.07.2019
S 2 SB 366/17
Juris



Tatbestand

Streitig zwischen Beteiligten ist, ob die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung von wenigstens 50 hat.

Bei der am ... 1969 geborene Klägerin war zunächst mit Bescheid vom 06.08.2013 ein GdB von 40 festgestellt worden aufgrund der Behinderungen "Sehminderung des rechten Auges" (Einzel - GdB 25), "psychische Störung" (Einzel – GdB 20) und "Asthma bronchiale" (Einzel - GdB 20).

Die Klägerin beantragte am 23.01.2017 die Aufhebung dieses Bescheides und Neufeststellung des Grades der Behinderung und gab an, dass bei ihr eine Erkrankung der Lendenwirbelsäule mit neurologischen Ausfallerscheinungen hinzugetreten sei.

Dem Beklagten lag der Reha - Entlassungsbericht aus S. vom 23.11.2016 vor. Hier wurden bei der Klägerin eine Belastungseinschränkung der LWS nach PLIF L4-5 mit Fusion und Spaneinlagerung, ein chronisches Cervikobrachialsyndrom bei muskulären Dysbalancen, ein Asthma bronchiale, eine bekannte posttraumatische Belastungsstörung und eine Stimmungsinstabilität mit Antriebsminderung bei bekannten rezidivierenden depressiven, gegenwärtig mittelgradigen Episoden diagnostiziert. In der Aufnahmeuntersuchung war die Herzaktion rein und rhythmisch, der Blutdruck wurde mit 135/80 mmHg gemessen. Der Gefäßstatus war unauffällig. Die Klägerin wirkte allseits orientiert bei gedrückter Stimmungslage, es waren keine Störungen der Konzentration oder Aufmerksamkeit erkennbar. Das Ankleiden und Auskleiden erfolgte selbstständig, der Gang war flüssig und frei, der Einbeinstand beidseits sicher, der Zehenstand und Hackengang ausführbar. Die Wirbelsäule war gerade, es bestand ein Druckschmerz und Klopfschmerz über L3 bis L5. Die HWS war in der Rotation beidseits mit 60° beweglich, in der Seitneige mit jeweils 20°. Die untere Wirbelsäule war in der Rotation mit jeweils 20° beweglich, das Zeichen nach Schober betrug 14 cm, die Seitneige gelang bis jeweils 20°, der FBA wurde mit 20 cm gemessen. Die oberen Extremitäten waren frei beweglich, der Faustschluss vollständig, die Umfangsmaße seitengleich, ebenso die Kraftentfaltung. Die Hüftgelenke waren in Streckung und Beugung mit 0/0/120° beweglich, die Kniegelenke mit 0/0/130° beidseits bei unauffälligem Bandapparat, die Sprunggelenke waren beidseits frei beweglich, die Kraftentfaltung betrug im rechten Bein Janda 4-5, links 5. Die Klägerin klagte über ein Taubheitsgefühl im rechten Oberschenkel, die Reflexe der oberen und unteren Extremitäten waren seitengleich erhältlich, das Zeichen nach Lasègue negativ. Psychologischerseits erschien die Klägerin bewusstseinsklar und orientiert, ihre Stimmungslage gedrückt, mit eingeschränkter affektiver Schwingungsfähigkeit und leicht reduziertem Antrieb. Wahrnehmungsstörungen, Konzentrationsstörungen bestanden nicht. Die Klägerin selbst berichtete schlechte Träume und Stimmungsschwankungen, Grübeln und Rückzugstendenzen sowie Müdigkeit. Aktuell laufe eine ambulante Psychotherapie. In der Vergangenheit habe es traumatische Ereignisse und Gewalterfahrungen in Ehen gegeben. Am Ende der Maßnahme war die Klägerin mit dem Ergebnis des Heilverfahrens nicht zufrieden, die Beschwerden seien unverändert, die psychologischen Gespräche hätten eher aufgewühlt, was sie als unangenehm erlebe. Sie sei noch sehr unruhig und grübelnd, vor allem durch anhaltende und aktuelle Probleme der Tochter, die durch ihren letzten gewalttätigen Ehemann auch missbraucht worden sei und Drogen konsumiere.

Herr H., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie hat dann im Februar 2017 an den Beklagten berichtet, dass bei der Klägerin eine Somatisierungsstörung, eine posttraumatische Belastungsstörung, eine mittelgradige depressive Episode und ein chronisches Schmerzsyndrom vorlägen. Die Reha-Maßnahme sei ohne Besserung gewesen, die Rückenschmerzen hätten zugenommen und ebenso die Depressivität im Verlauf. Mit der Klägerin werde laufend eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie durchgeführt, auch nehme die Klägerin Medikamente gegen die psychischen Krankheiten ein. Die Klägerin lebe alleine und arbeite stundenweise in einem Schreibwarenladen. Es bestünden Konflikte mit den Kindern, der Zustand nach sexuellen Übergriffen als Kind, Gewalterfahrungen in Kindheit und Ehen und sexuelle Übergriffe auf ihre Tochter durch den Partner hätten die Klägerin geprägt. Die Klägerin fühle sich unverstanden, allein, überfordert und ungeliebt, es bestehe weiterhin Kontakt zur Mutter, zu ihren drei Kindern, der Kontakt sei aber instabil und vorwurfsvoll.

Unter Beteiligung des versorgungsärztlichen Dienstes schätze der Beklagte ein, dass bei der Klägerin neu eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei operierter Wirbelkanalenge vorliege, was einen GdB von einzeln 10 bedinge.

Mit Bescheid vom 19.04.2017 wurde dann der Neufeststellungsantrag der Klägerin abgelehnt.

Hiergegen legte die Klägerin am 03.05.2017 Widerspruch ein. Sie ließ vorbringen, dass die psychische Störung zu gering bewertet worden sei. Insoweit ergebe sich auch im Gesamtbild ein GdB von wenigstens 50.

Dem Beklagten lag der Bericht der Hausärztin der Klägerin, der Fachärztin für Allgemeinmedizin H., vor. Diese berichtete am 08.08.2017, dass bei der Klägerin nach wie vor eine depressive Störung vorliege von mittelgradiger Episode mit somatischen Beschwerden. Hier finde eine regelmäßige psychiatrische Behandlung statt. Ferner bestehe eine schwere Obstruktion bezüglich der Lunge, ein Asthmaanfall trete ca. einmal monatlich auf, die Klägerin nehme hier dauerhaft Medikamente ein. Weiter bestünden anhaltende Schmerzen der Wirbelsäule, mit intermittierenden Sensibilitätsstörungen L4-5 rechtsbetont, der FBA sei mit 10 cm gemessen worden. Die Klägerin nehme dauerhaft Novaminsulfon als Schmerzmittel ein.

Unter erneuter Beteiligung des versorgungsärztlichen Dienstes wies der Beklagte dann den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 19.04.2017 hinsichtlich eines höheren Grades der Behinderung als 40 als mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2017 unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 19.10.2017 Klage erhoben. Sie hat vortragen lassen wie im Widerspruchsverfahren und zusätzlich darauf hingewiesen, dass die zahlreichen bei ihr vorliegenden Behinderungen einen höheren Gesamtgrad der Behinderung bedingten.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 19.04.2017 in Gestalt Widerspruchsbescheids vom 21.09.2017 aufzuheben und dahingehend abzuändern, dass bei ihr ein GdB von wenigstens 50 ab dem 23.01.2017 festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholen von Befundberichten der behandelnden Ärzte der Klägerin. Ferner wurden Unterlagen des Rentenversicherers eingereicht.

Frau H., Fachärztin für Allgemeinmedizin hat am 05.06.2018 berichtet, dass bei der Klägerin anhaltende Schmerzen der gesamten Wirbelsäule bestünden nach Operation im Jahr 2015 mit Fixateur externe, der FBA sei mit 20 cm gemessen worden. Der Nacken– und Schürzengriff sei möglich. Die Klägerin klage über dauernde Schmerzen, es werde eine dauernde Schmerztherapie mit Metamizol durchgeführt. Hierin bestünden auch die Einschränkungen und Funktionsstörungen der Klägerin, so schmerzbedingte Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule und rezidivierende Asthmaanfälle und eine psychische Belastung. Beigefügt war ein Ergebnis einer Lungenfunktionsprüfung, hier fanden sich die Werte im Schnitt um höchstens 1/3 gemindert. Weiterer beigefügt war der bereits bekannte Reha-Entlassungsbericht aus S.

Der Rentenversicherung der Klägerin hat dann die bei ihr vorliegenden Unterlagen übersandt, so das fachorthopädische Gutachten zur Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Klägerin von Prof. K./ Frau R. vom 20.06.2016, Fachärztinnen für Orthopädie, Rheumatologie. Die Klägerin gab hier an, dass im Vordergrund Schmerzen der LWS stünden, die Schmerzen würden gelindert durch die Einnahme von Novaminsulfon. Sie könne nicht lange Sitzen und Stehen und verspüre zeitweise ein Brennen im linken Bein und eine Taubheit. Zudem bestünden Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich. Die Klägerin sei als Verkäuferin in einem Schreibwarenladen tätig, arbeite dort 65 Stunden pro Monat. Der Blutdruck wurde mit 130/100 mmHg gemessen. Die Atemgeräusche waren unauffällig. Die Klägerin wirkte voll orientiert und bewusstseinsklar. Das Zeichen nach Lasègue war beidseits negativ, die Klägerin gab Kribbelmissempfindungen im gesamten linken Unterschenkel sowie im Fuß an, es bestand keine Fußheberschwäche. Das Gangbild war dezent rechtshinkend, der Einbeinstand war beidseits mit Unsicherheiten möglich, der Fersenstand ebenfalls. Die HWS war in Streckung und Beugung beidseits mit 30° beweglich, ebenso in der Seitneige, in der Rotation konnten jeweils 60° erzielt werden. Die untere Wirbelsäule war in der Seitneige beidseits mit 15° beweglich, ebenso in der Rotation, das Zeichen nach Schober wurde mit 15 cm gemessen, FBA mit 19 cm. Es erfolgte keine Schmerzangabe bei der Bewegungsprüfung. Die der Nacken- und Schürzengriff war ungestört möglich, die Schultergelenke frei beweglich und schmerzfrei. Der Faustschluss war beidseits komplett, das Zeichen nach Gaenslen negativ. Der Kraftgrad beider Hände betrug 4/5. Die weiteren Gelenke der oberen Extremitäten waren frei beweglich. Bezüglich der unteren Extremitäten wurden in Streckung und Beugung der Hüftgelenke 0/0/100° gemessen, der Kniegelenke mit 0/0/130°. Die Beweglichkeit der Sprunggelenke war beidseits frei, es fanden sich keine Ödeme. Bei der Klägerin sei ein chronisches pseudoradikuläres Lumbalsyndrom festzustellen mit Zustand nach operativem Eingriff und ein lokales HWS-Syndrom, eine Finger-Polyarthrose, eine rezidivierende depressive Störung, eine Somatisierungsstörung, eine posttraumatische Belastungsstörung und Übergewicht. (Die Klägerin könne noch leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten von 6 Stunden und mehr ausführen). Weiter beigefügt war der bereits bekannte Reha-Entlassungsbericht aus dem S. Hierbei war nunmehr beigefügt das Ergebnis einer Nachsorgedokumentation der Reha vom 06.05.2017 von der Fachärztin für physikalische und rehabilitative Medizin Frau R. Es wurde als Diagnose nun ein Belastungsdefizit der LWS nach Bandscheibenvorfall, ein Zustand nach Fixateur externe L 4/5 und ein cerviko - brachiales Schmerzsyndrom diagnostiziert. Die HWS war in Extension/Flexion mit 30/0/40° beweglich, in der Seitneige beidseits mit 30°, in der Rotation mit beidseits 70°. Die Beweglichkeit der unteren Wirbelsäule wurde in der Seitneige beidseits mit 20° gemessen, ebenso in der Rotation, der FBA wurde mit 8 cm gemessen, das Wiederaufrichten erfolgte mit Abstützen. Das Zeichen nach Schober betrug 16 cm. Sämtliche Gelenke der oberen und unteren Extremitäten waren aktiv und passiv frei beweglich, es bestanden keine motorischen Ausfälle und keine Sensibilitätsstörungen, keine Fußheberschwäche oder Zehenextensorenschwäche, das Zeichen nach Lasègue war beidseits negativ.

Dr. E., Facharzt für Neurologie und Nervenheilkunde und Chirotherapie hat am 17.06.2018 berichtet, dass die Klägerin über Schmerzen der LWS bei Belastung geklagt habe, was vor allem bei der Ausübung ihres Berufs problematisch sei. Weiterhin bestünden rezidivierende depressive Symptome in Zusammenhang mit jeglichen Belastungssituationen. Die Klägerin sei äußerst bemüht, sich durch ihre doch teils erheblichen Probleme nicht bei der Arbeit beeinträchtigen zu lassen. Bei der Klägerin bestünden aufgrund der belastungsabhängigen Lumboischialgien eine eingeschränkte körperliche Belastungsfähigkeit und eine Einschränkung der psychischen Belastbarkeit bei immer wieder vorhandenem Auftreten von häufigen Exacerbationen der rezidivierenden Depression bei posttraumatischer Belastungsstörung. Insoweit werde eine ambulante Psychotherapie durchgeführt. Beigefügt waren ältere Arztbriefe, unter anderem ein Bericht des Neurologen selbst an die an den Hausarzt vom 31.03.2016. Hier hatte sich die Klägerin bei ihm mit kurzen Schwindelattacken vorgestellt, die beim morgendlichen Aufstehen und beim Hinlegen auf die rechte Seite oder schnellen Kopfbewegungen aufträten. Der Schwindel würde massiv für wenige Sekunden bestehen, so dass im Anschluss noch Übelkeit bestehe. Diese Episoden seien am ehesten im Sinne eines Lagerungsschwindels zu bewerten, nach dem Lagerungsmanöver zeige sich eine Besserung des Schwindels. Im MRT des Kopfes habe sich kein richtungsweisender Befund gefunden, weiter habe die Klägerin über eine rezidivierende depressive Symptomatik bei posttraumatischer Belastungsstörung geklagt.

Herr H., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie hat am 05.10.2018 berichtet, dass bei der Klägerin nach wie vor eine Somatisierungsstörung, posttraumatische Belastungsstörung und mittelgradige depressive Episoden vorlägen. Verschlechterungen hätten abgefangen werden können. Körperliche Einschränkungen bestünden durch eine Versteifung der Lendenwirbelkörper L 4/5 und eine generelle Herabsetzung der psycho-physischen Belastbarkeit durch die psychischen Erkrankungen mit immer wieder auftretenden massiven Destabilisierungen. Insoweit finde weiter eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie statt und passager die Gabe von Antidepressiva. Die Klägerin leide unter Schlafstörungen, somatischen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und Schwindel, Weinphasen, innerer Unruhe und körperlichen Spannungen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die o.g. Bescheide des Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50. Randnummer25 Der Grad der Behinderung (GdB) bestimmt sich gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nach den Maßstäben für die Minderung der Erwerbsfähigkeit im Versorgungsrecht (§ 30 BVG). Zur Beurteilung werden nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 und der aufgrund des § 30 XVII des BVG erlassenen Rechtsverordnung ("Versorgungsmedizinische Grundsätze", als Anlage 1 zu § 2 VersMedV) herangezogen. Der Gesamt-GdB wird nicht durch die Addition der Einzel-GdB’en errechnet, sondern indem ausgehend von der höchsten Einzelbehinderung in einer Gesamtschau mit den weiteren Behinderungen/Funktionsstörungen ein Gesamtwert gebildet wird (BSG, Urteil vom 16. März 1994, Az.: 9 RVs 6/93, "Versorgungsmedizinische Grundsätze", Teil A Nr. 3 a.). Dabei brauchen leichte Gesundheitsstörungen mit einem Einzel-GdB von bis zu 20, selbst wenn sie verschiedene Funktionsbereiche betreffen, im Regelfall nicht berücksichtigt zu werden, da davon ausgegangen werden darf, dass diese Behinderungen nicht zu einer Zunahme der Gesamtbeeinträchtigung führen ("Versorgungsmedizinische Grundsätze", Teil A Nr. 3. d), ee)). Randnummer26 Die bei der Klägerin vorliegende psychische Einschränkung in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung, rezidivierenden mittelgradigen depressiven Episoden, somatoformen Störungen mit Schmerzsyndrom bedingen einen GdB von 40 nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen", Teil B, Ziff. 3.7.

Bei der Klägerin bestehen die genannten psychischen Erkrankungen, ausweislich der oben beschriebenen Befunde und Funktionseinschränkungen bestehen hier stärker behindernde Störungen von Neurosen/Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen, was nach der genannten Vorschrift einen GdB von 30-40 bedingt.

Ein höherer GdB, so von mindestens 50 kommt nicht in Betracht. Es lässt sich feststellen, dass bei der Klägerin eben keine schwere Störung im Sinne der Ziff. 3.7 festzustellen ist, genannt ist hier beispielhaft eine schwere Zwangskrankheit. Bei der Klägerin liegt eine stärker behindernde Schmerzstörung/somatoforme Störung mit zeitweise auftretenden depressiven Phasen vor, nicht aber eine schwere Störung im Sinne einer schweren Zwangskrankheit oder vergleichbar einer lang andauernden Psychose im floriden Stadium (vgl. Ziff. 3.6). Dies wäre erst der Fall bei Vorliegen wenigstens mittelgradiger sozialer Anpassungsschwierigkeiten (so laut Niederschrift des ärztlichen Sachverständigenbeirats beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vom 18. bis 19.03.1998). Dies ist aber nicht festzustellen. Zwar ist durch die psychische Erkrankung die berufliche Gestaltungsfähigkeit der Klägerin leicht eingeschränkt, da ihre Einsatzfähigkeit ausweislich der Befunde bedroht, jedoch wohl nicht ausgeschlossen ist, nicht aber ist die familiale Erlebnisfähigkeit in diesem Maße eingeschränkt. Dies würde voraussetzen, dass erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung vorliegen. Ausweislich der ärztlichen Befunde ist aber festzustellen, dass sich keine derartigen familiären Probleme ergeben. Es ist nicht erkennbar, dass gerade durch die psychische Einschränkung ein Rückzug oder eine affektive Nivellierung eingetreten ist, die zu einem Ausschluss oder zu einer deutlichen Störung der familialen Kontakte geführt hat. Vielmehr erscheint es so, dass die Klägerin aufgrund familiärer Konflikte und Vorfälle einen schwierigen Umgang mit ihren Kindern hat und nicht, weil sie durch ihre psychische Erkrankung am Kontakt gehindert ist.

Insoweit ist ein GdB von mehr als 40 hier ausgeschlossen, es liegt keine Einbuße beruflicher und sozialer Anpassungsfähigkeiten vor (dies ist aber laut Niederschrift des ärztlichen Sachverständigenbeirats beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vom 18. bis 19.03.1998 erforderlich; vgl. dazu auch: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.06.2015, Az.: L 7 SB 100/13, wonach mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten neben den Auswirkungen im Berufsleben erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung voraussetzen).

Bei der Klägerin liegen erhebliche Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor, nicht aber mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten. Psychische Anpassungsschwierigkeiten, die einen Behinderungsgrad von 30-40 rechtfertigen, sind durch Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbußen gekennzeichnet, dieses Kriterium ist zur differenzierenden Einschätzung von Anpassungsschwierigkeiten analog auch dann heranzuziehen, wenn die Symptomatik der psychischen Störungen ganz unterschiedlich ist (LSG Sachsen - Anhalt, Urteil vom 16.06.2015, Az.: L 7 SB 100/13). Daraus ergibt sich aber auch, dass die Gesamtheit der bei der Klägerin diagnostizierten psychischen Erkrankungen keinen höheren GdB als 30/40 bedingt.

Insoweit ergibt sich der GdB im Rahmen von 30-40. Hierzu ist wiederum festzustellen, dass bei der Klägerin mehrere psychische Einschränkungen bestehen, die sich doch deutlicher auswirken. So besteht nicht "lediglich" eine mittelgradige depressive Störung, sondern eben auch eine chronische Schmerzstörung und eine die Klägerin deutlicher beeinträchtigende posttraumatische Belastungsstörung. Bei der Klägerin machen sich fortlaufend therapeutische und medikamentöse Therapien erforderlich, eine tatsächliche Besserung der psychischen Situation konnte hierdurch jedoch nicht erreicht werden. Insoweit ist es hier gerechtfertigt, den GdB nicht am unteren, sondern am oberen Rahmen für schwerer behindernde psychische Störungen anzusetzen, so dass zu Gunsten der Klägerin hier ein GdB von 40 aufgrund der mehrfachen psychischen Behinderungen festzustellen ist.

Die bei der Klägerin vorliegende Erkrankung mit einem Asthma bronchiale bedingt einen GdB von 20 nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen", Teil B, Ziff. 8.5, 8.3.

Bei der Klägerin ist ein Asthma bronchiale diagnostiziert, die Hausärztin gibt ca. monatliche Anfälle an, ohne dass dies belegt wäre bzw. sich eine fachärztliche Behandlung erforderlich macht. Insgesamt kann bei diesem Bild von einer Hyperreaktivität mit seltenen bzw. leichten Anfällen ausgegangen werden und einer leichten Beeinträchtigung der Lungenfunktion, so dass höchstens ein GdB mit 20 insgesamt nach den anzuwendenden Vorschriften in Betracht kommt. Ein höherer GdB aufgrund von häufigeren Anfällen pro Monat oder schweren Anfällen ergibt sich nicht, da beides nicht belegt bzw. dokumentiert ist.

Die bei der Klägerin vorliegende Funktionseinschränkung der Wirbelsäule bedingt einen GdB von 20 nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen", Teil B, Ziffer 18.9.

Bei der Klägerin bestehen leichtgradige Funktionseinschränkungen der HWS, so Verspannungszustände, die zu Schmerzen führen, nicht jedoch zu Bewegungseinschränkungen oder Ausfallerscheinungen oder Instabilitäten. Insoweit sind jeweils Bewegungsmaße mitgeteilt, die auf eine freie Beweglichkeit der oberen Wirbelsäule schließen lassen. Wesentliche Funktionseinschränkungen oder deutlichere Funktionseinschränkungen sind nicht belegt, so dass sich hier leichtgradige Einschränkungen ergeben, die nach der genannten Vorschrift einen GdB von einzeln 10 bedingen.

Bezüglich der unteren Wirbelsäule, so der LWS, sind deutlichere Funktionseinschränkungen geschildert, hier bestehen leicht– bis mittelgradige Bewegungseinschränkungen. Auch ist die Versteifung im Bereich eines Wirbelkörpers vorgenommen worden, was aber keine wesentlichen Auswirkungen auf die Beweglichkeit hat. Im Vordergrund stehen hier Missempfindungen und Schmerzen. Wurzelreizerscheinungen deutlicherer Art, Instabilitäten der Wirbelsäule oder neurologische Ausfallerscheinungen bestehen hingegen nicht. Insgesamt kann somit nicht von mittelgradigen Funktionseinschränkungen der unteren Wirbelsäule ausgegangen werden, was nach der genannten Vorschrift einen GdB von einzeln 20 bedingt.

In der Gesamtbetrachtung ergibt sich für die Funktionseinschränkung der gesamten Wirbelsäule nach der genannten Vorschrift dann ein GdB von 20. Das Schmerzsyndrom war im Rahmen der psychischen Erkrankung gesondert zu bewerten (vgl. oben).

Die bei der Klägerin vorliegende Behinderung des rechten Auges liegt unverändert vor mit einem Einzel-GdB von 25 nach Ziff. 4.3.

Weitere messbare Behinderungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Insbesondere bestehen hier keine weiteren Funktionseinschränkungen auf orthopädischem Gebiet, sämtliche Gelenke der oberen und unteren Extremitäten sind frei beweglich und weisen keine Funktionseinschränkung auf, die nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen", Teil B, Ziff. 18.13,18.14 einen GdB bedingen würden.

Die von der Klägerin geklagten Schwindelerscheinungen sind ohne wesentliche Folgen und sind im Übrigen auch im Jahr 2016 zuletzt geklagt worden, wobei hier auch von einer eher psychosomatischen Komponente auszugehen ist, die bereits bewertet wurde. Insoweit sind hier auch eher leichte Unsicherheiten bei höheren Belastungen geschildert, so dass sich hier nach Ziff. 5.3 auch kein GdB ergeben würde.

In der Gesamtbetrachtung ergibt sich ein GdB von 50.

Dabei wird der Gesamtgrad der Behinderung nicht durch Addition ermittelt, sondern indem ausgehend von der höchsten Einzelbehinderung in einer Gesamtschau mit den weiteren Behinderungen/Funktionsstörungen ein Gesamtwert gebildet wird, dabei brauchen leichte Gesundheitsstörungen mit einem Einzel – GdB von bis zu 20, selbst wenn sie verschiedene Funktionsbereiche betreffen, in der Regel nicht berücksichtigt zu werden, da davon ausgegangen werden darf, dass diese Behinderungen nicht zu einer Zunahme der Gesamtbeeinträchtigung führen (vgl. dazu bereits die obigen Ausführungen). Randnummer43 Dabei ist davon auszugehen, dass sich bei Vorliegen einer Vielzahl einzelner Behinderungen die psychische Einschränkung und die Wirbelsäulenbeschwerden sowie die Augenerkrankung und das Asthma leicht verstärken, so dass sich ein GdB von 50 ergibt

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.



Versorungsmedizinische Grundsätze
in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung