Von einer Nichtdurchführbarkeit der nasalen Überdruckbeatmung kann erst ausgegangen werden, wenn anatomische Besonderheiten einer nasalen Überdruckbeatmung entgegen stehen oder wenn durch das Scheitern entsprechender Therapieversuche der Nachweis der Nichtdurchführbarkeit der nasalen Überdruckbeatmung erbracht ist. Dazu gehört, dass der Betroffene verschiedene Masken ausgetestet und ein Gewöhnungstraining erfolglos durchlaufen hat. Es reicht nicht, wenn die Beatmungsmaske wegen subjektiver Beschwerden nicht mehr benutzt wird.


Bayerisches Landessozialgericht 15. Senat
17.07.2012
L 15 SB 213/11
Juris



Leitsatz

1. Zur Höhe des GdB bei einem Schlafapnoe-Syndrom
2. Von einer Nichtdurchführbarkeit der nasalen Überdruckbeatmung kann erst ausgegangen werden, wenn anatomische Besonderheiten einer nasalen Überdruckbeatmung entgegen stehen oder wenn durch das Scheitern entsprechender Therapieversuche der Nachweis der Nichtdurchführbarkeit der nasalen Überdruckbeatmung erbracht ist. Dazu gehört, dass der Betroffene verschiedene Masken ausgetestet und ein Gewöhnungstraining erfolglos durchlaufen hat. Es reicht nicht, wenn die Beatmungsmaske wegen subjektiver Beschwerden nicht mehr benutzt wird.


Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger ein höherer Grad der Behinderung (GdB) als 40 nach § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zusteht.

Der 1952 geborene Kläger beantragte erstmals am 19.05.2009 die Feststellung des GdB. Mit Bescheid vom 04.08.2009 wurde ein GdB von 30 festgestellt.

Am 03.12.2009 stellte der Kläger einen Neufeststellungsantrag; seine Gesundheit habe sich verschlechtert; neue Krankheiten seien aufgetreten.

Nach Auswertung diverser ärztlicher Unterlagen durch den versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten stellte der Beklagte mit Bescheid vom 19.05.2010 einen GdB von 40 fest. Dem lagen folgende Gesundheitsstörungen zugrunde:

1. Schlafapnoe-Syndrom, chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung, Nasenscheidewandverkrümmung - Einzel-GdB 20

2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen - Einzel-GdB 20

3. Funktionsstörung durch Fußfehlform beidseits, postthrombotisches Syndrom links, Funktionsbehinderung des Kniegelenks links, Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke - Einzel-GdB 20.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Der Bescheid sei nichtig, nicht rechtswirksam und rechtswidrig. Er habe gravierende Formfehler; es seien Gesundheitsstörungen unterschlagen worden. Die Unterschlagung sei eine bewusste Handlung. Nach objektiver Sachlage sei ein GdB von mindestens 50 angesagt. Die Feststellung der Schwerbehinderung solle mit allen Mittel verhindert werden. Es sei unter anderem die Schwergradigkeit des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms verleugnet worden. Mit Schreiben vom 28.07.2010 listete der Kläger sämtliche Erkrankungen auf und legte diverse ärztliche Unterlagen vor. Darin wurde unter anderem berichtet, dass beim Kläger im November 2009 wegen des Schlafapnoe-Syndroms eine nasale CPAP-Beatmungstherapie eingeleitet worden sei, unter der die schlafbezogenen Atemstörungen fast vollständig unterdrückt worden seien, die Beatmung sich aber schwierig gestalte, da der Kläger an erheblichen Einschlafstörungen leide.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Am 04.10.2010 haben die Bevollmächtigten des Klägers Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. Nach Einholung von Befundberichten bei den behandelnden Ärzten hat der Facharzt für Arbeitsmedizin und Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie und Betriebsmedizin Dr. S. den Kläger am 24.02.2011 begutachtet. Bei der Begutachtung - so der Sachverständige - habe der Kläger Beschwerden am linken Bein infolge einer Thrombose, Atemnot, verstärkt bei körperlicher Belastung, Beschwerden am Bewegungsapparat und Becken, permanentes Nasenbluten sowie das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom angegeben. Die nächtliche Überdruckbeatmung mit dem CPAP-Gerät sei - so der Kläger - wegen Schlaflosigkeit abgebrochen worden. Seit einem halben Jahr benutze er das Gerät nicht mehr.

Zu den Gesundheitsstörungen des Klägers hat der Sachverständige Folgendes ausgeführt:

Aus dem Schlafapnoe-Syndrom, der chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung und der Nasenscheidewandverkrümmung resultiere ein Einzel-GdB von 20. Das Schlafapnoe-Syndrom erfordere eine kontinuierliche nasale Überdruckbeatmung. Diese Therapie habe sehr gut angesprochen. Von einer Undurchführbarkeit einer nasalen Überdruckbeatmung könne nicht ausgegangen werden. Die statischen und dynamischen Lungenvolumina würden noch im unteren Normbereich liegen. Aus der Verengung der Nasengänge ergebe sich keine zusätzliche Erhöhung.

Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule durch degenerative Veränderungen sei mit einem Einzel-GdB von 10 bis 20 zu beurteilen; ein GdB von 20 sei vertretbar. Radiologisch seien noch leichte degenerative Veränderungen nachweisbar. Die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule sei nur gering eingeschränkt.

Das postthrombotische Syndrom links mit Ödembildung könne angesichts von Vorgeschichte und anamnestischen Angaben mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet werden. Der Kläger habe von anhaltenden Schwellungen im linken Fuß berichtet, obwohl bei der gutachterlichen Untersuchung keine Umfangsvermehrung feststellbar gewesen sei.

Die Funktionsstörung durch Fußfehlform, Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks und Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke sei bei Fehlen von wesentlichen Bewegungseinschränkungen mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten.

Der Gesamt-GdB sei auf 40 zu schätzen.

Dieses Gutachten hat der Kläger mit Schreiben vom 20.02.2011 als parteilich, mangelhaft und schlampig bezeichnet. Die bisherigen Beurteilungen der Einzel-GdB und des jeweiligen Gesamt-GdB würden nicht eine Beurteilung nach der allgemeinen Logik des gesunden Menschenverstands darstellen. Objektive Beurteilungen lägen nicht vor. Er stelle daher einen Befangenheitsantrag gegen den Gutachter Dr. S..

Mit Schreiben vom 17.04.2011 hat der Kläger ein von ihm selbst eingeholtes Gutachten des Chirurgen Dr. A. vom 11.04.2011 vorgelegt. Damit sei - so der Kläger - nun offiziell von fachkundiger sozialmedizinischer Seite bestätigt, dass das Gutachten des Dr. S. nicht gemäß den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung, (VG) erstellt worden und damit nichtig sei.

Der Chirurg Dr. A. ist in seinem "fachübergreifenden sozialmedizinischen Gutachten" vom 11.04.2011 zu dem Ergebnis gekommen, dass der Gesamt-GdB 70 betrage. Dem hat er folgende Funktionsstörungen zu Grunde gelegt:

1. Funktionssystem Lunge/Schlafapnoe - Einzel-GdB 50

2. Funktionssystem Wirbelsäule - Einzel-GdB 30

3. Funktionssystem Gefäße, postthrombotisches Syndrom - Einzel-GdB 30

4. Funktionssystem untere Extremitäten (Gelenke, Beckenschiefstand, Beinverkürzung) - Einzel-GdB 20.

Beim Schlafapnoe-Syndrom ist der Sachverständige von der Unmöglichkeit einer Maskebeatmung wegen Unverträglichkeit ausgegangen. Bei der Beurteilung der Wirbelsäule hat er darauf hingewiesen, dass radiologisch in allen drei Wirbelsäulenabschnitten Veränderungen nachgewiesen seien.

Im Auftrag des Gerichts hat sich am 18.07.2011 der gerichtliche Sachverständige Dr. S. ergänzend geäußert. Dabei hat er auf Folgendes hingewiesen:

Nach den VG sei für das Schlafapnoe-Syndrom mit der Notwendigkeit einer nasalen Überdruckbeatmung ein GdB von 20 anzusetzen. Nicht nachgewiesen sei, dass eine nasale Überdruckbeatmung nicht durchführbar sei. Für eine erhebliche Ödembildung oder häufig rezidivierende Entzündungen würden die VG einen Einzel-GdB von 20 bis 30 vorsehen. Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben sei der GdB für das postthrombotische Syndrom links mit Ödembildung noch auf 20 zu schätzen. Die Einschätzung eines Einzel-GdB von 30 für die Wirbelsäule durch Dr. A. sei angesichts der eher leichtgradig eingeschränkten Bewegungsumfänge in keiner Weise nachvollziehbar. Auch der von Dr. A. angegebene GdB von 20 für das Funktionssystem der unteren Extremitäten sei bei freiem Bewegungsumfang von Knie- und Hüftgelenken nicht erklärbar. Im Gutachten Dr. A. würden im Übrigen wichtige Messungen fehlen.

Mit Schreiben vom 07.08.2011 hat der Kläger seine Ansicht wiederholt, dass das Gutachten des Dr. S. nichtig und damit nicht prozessrelevant sei. Das Schlafapnoe-Syndrom sei mit einem GdB von 50 zu bewerten, da eine nasale Überdruckbeatmung nicht durchführbar sei. Das Gericht lehne er wegen Rechtsbeugung im Amt ab.

In der mündlichen Verhandlung vom 07.09.2011 haben die Bevollmächtigten des Klägers erklärt, dass kein Befangenheitsantrag gestellt werde. Mit Urteil vom selben Tag ist die Klage abgewiesen worden. Dabei ist das Gericht den Feststellungen des Dr. S. gefolgt.

Mit Schreiben vom 26.09.2011 hat der nunmehr unvertretene Kläger Berufung eingelegt. Das Urteil sei nicht objektiv, nicht fair und nicht nach fachmedizinischen Erkenntnissen erstellt. Das Urteil als Abschluss des Verfahrens zeige die grundsätzliche Parteilichkeit des Gerichts. Die Begutachtung sei schlampig gewesen und nicht nach den VG erfolgt. Das Gericht habe die Angaben des Klägers bezüglich der nachgewiesenen Noncompliance zur CPAP-Therapie unterschlagen. Weiter hat der Kläger die Ansicht vorgetragen, dass das erstinstanzliche Urteil nichtig sei, da nicht über den Befangenheitsantrag entschieden worden sei.

Auf Nachfrage des Gerichts hat der Kläger angegeben, dass weitere orthopädische und pneumologische Untersuchungen nicht durchgeführt worden seien. Er empfinde aber subjektiv eine Verschlechterung.

Der behandelnde Pneumologe des Klägers, Dr. D., hat mit Schreiben vom 28.11.2011 mitgeteilt, dass der Kläger das CPAP-Gerät zurückgegeben habe, da er mit nächtlicher Maskenbeatmung eher munterer werde, als dass er schlafen könne. Bei der Vielzahl der unterschiedlichen verfügbaren Masken und der möglichen verschiedenen Beatmungsmethoden könne von einer Unmöglichkeit einer nasalen Überdruckbeatmung nicht ausgegangen werden. Die Maskenbeatmung sei zwar gewöhnungsbedürftig, wobei es individuell vom Patienten abhänge, inwieweit er die Überdruckbeatmung toleriere. Bei empfindlichen Patienten könne deshalb ein stufenweises Gewöhnungstraining durchgeführt werden.

Mit Schreiben vom 06.12.2011 hat der Kläger die Ansicht geäußert, dass der Sachverständige Dr. S. nicht kompetent sei, orthopädische Gesundheitsstörungen zu beurteilen. Die diversen Beschwerden würden zu depressiven Zuständen führen. Einen entsprechenden Arzttermin habe er noch nicht. Eine Langzeit-Verträglichkeit einer Maskentherapie sei nicht nachgewiesen. Der Gutachter und das Sozialgericht hätten Beweise für die Langzeitverträglichkeit der CPAP-Therapie finden müssen, um die nachgewiesene Unverträglichkeit zu entkräften.

Der Hausarzt des Klägers hat im Dezember 2011 berichtet, dass sich relevante Befundänderungen nicht ergeben hätten.

Einen mit Schreiben vom 25.01.2012 gestellten Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.06.2012, bestätigt im Schreiben vom 27.06.2012, zurückgenommen.

Im Schreiben vom 27.06.2012 hat der Kläger weiter mitgeteilt, dass seiner Ansicht nach das Gericht bisher nicht nach den VG gehandelt habe. Weiter hat er unter ausführlicher Wiedergabe großer Passagen der VG und bei Zitierung diverser gerichtlicher Entscheidungen erläutert, warum sein Begehren begründet sei. Beigelegt worden ist ein Arztbrief des Neurologen Dr. S., wonach eine leichte depressive Störung vorliege, die im Rahmen der schwierigen Krankheitsverarbeitung und bei anhaltender Schlafstörung im Rahmen des Schlafapnoe-Syndroms zu erklären sei. U.a. hat der Kläger auch auf sein deutliches Übergewicht (Größe 184 cm, Gewicht 130 - 132 kg) hingewiesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 07.09.2011 sowie den Bescheid vom 19.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des Sozialgerichts Nürnberg beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Der Senat hat gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Entscheidung entscheiden können, da die Beteiligten dazu ihr Einverständnis erklärt haben. Auf weiteres rechtliches Gehör, für das im Übrigen auch kein Anlass bestanden hätte, hat der Kläger ausdrücklich im Schreiben vom 27.06.2012 verzichtet.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Bescheid vom 19.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2010 ist nicht zu beanstanden; ein höherer GdB als 40 steht dem Kläger nicht zu. Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.

Zwar hat sich in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers seit dem Bescheid vom 04.08.2009 eine Änderung dahingehend ergeben, dass der GdB auf 40 zu erhöhen war; dieser Verschlimmerung hat der Beklagte zutreffend mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 19.05.2010 Rechnung getragen. Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf eine weitere Erhöhung des GdB über 40 hinaus. Ein höherer GdB als 40 ist nicht nachgewiesen. Bis zum Tag der Entscheidung haben sich keine neuen Tatsachen ergeben, die einen höheren GdB als 40 begründen würden.

Rechtsgrundlage des mit der Klage angefochtenen Bescheids ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Verschlechterung (oder Besserung) der Verhältnisse, die der festgestellten Behinderung zugrunde liegen, eine Erhöhung (oder Herabsetzung) des GdB um wenigstens 10 ergibt.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht es zur Überzeugung des Senats fest, dass im Gesundheitszustand des Klägers im Vergleich zu den gesundheitlichen Verhältnissen, wie sie dem bestandskräftigen Bescheid vom 04.08.2009 zugrunde gelegen haben, zwar eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist, die ab Antragstellung einen GdB von 40 begründet. Eine weitergehende Änderung der Verhältnisse, die einen höheren GdB begründen würde, hat sich aber bis heute nicht ergeben.

Rechtsgrundlage für die Feststellung des Vorliegens einer Behinderung und des GdB ist § 69 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit den VG. Die VG sind ein auf besonderer medizinischer Sachkunde beruhendes Regelwerk, das die möglichst gleichmäßige Anwendung der Bewertungsmaßstäbe im räumlichen Geltungsbereich des Gesetzes bezweckt und dem Ziel des einheitlichen Verwaltungshandelns und der Gleichbehandlung dient.

Der beim Kläger anerkannte GdB ist nach der Überzeugung des Senats mit einer Höhe von 40 vom Beklagten zutreffend bewertet worden; diese Bewertung ist nach wie vor richtig. Dies folgt aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme.

Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat insbesondere auf das überzeugende und nachvollziehbar begründete Gutachten des Sachverständigen Dr. S. vom 24.02.2011 sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 18.07.2011. Dem Sachverständigen sind die gesamten Akten mit Beweisanordnung vom 13.01.2011 über einen Monat vor der ambulanten Untersuchung des Klägers übersandt worden. Der Sachverständige hat sich, wie den Ausführungen im Gutachten zu entnehmen ist, umfassend auf die Untersuchung des Klägers vorbereitet und sämtliche vorliegenden Befunde, die den Gesundheitszustand des Klägers umfassend wiedergeben, eingehend gewürdigt. Irgendwelche Gesichtspunkte, die Anlass für die Annahme geben würden, dass bei einer Untersuchung des Klägers in einer ärztlichen Praxis, in der weitergehende apparative Untersuchungen als bei einer Untersuchung in Räumlichkeiten des Gerichts möglich gewesen wären, weitergehende Erkenntnisse zu finden gewesen wären, als sie sich aus den umfassenden Berichten der behandelnden Ärzte in Zusammenschau mit der ambulanten Untersuchung durch den Sachverständigen ergeben, sind nicht ansatzweise ersichtlich. Das Gericht hat daher mit Blick auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu sogenannten Terminsgutachten (vgl. BSG, Urteile vom 21.01.1959, Az.: 11/9 RV 206/57, und vom 17.01.1967, Az.: 10 RV 895/63) keinerlei Bedenken, das Gutachten des Dr. S. der Entscheidung zugrunde zu legen. Der Sachverständige hat die beim Kläger vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen vollständig erfasst und in Übereinstimmung mit den zu beachtenden Vorgaben der VG zutreffend gewürdigt. Der Senat macht sich diese sachverständigen Feststellungen zu eigen.

Der Feststellung eines GdB von 40 liegen folgende Gesundheitsstörungen zu Grunde:

1. Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, chronisch-obstruktive Atemwegerkrankung, Nasenscheidewandverkrümmung

Für diesen Funktionskomplex ist ein Einzel-GdB von 20 anzusetzen. Damit folgt das Gericht den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. S., die in Übereinstimmung mit den VG stehen.

Die Höhe des GdB bei einem Schlafapnoe-Syndrom, das durch Untersuchung im Schlaflabor nachzuweisen ist, hängt zunächst davon ab, ob eine kontinuierliche nasale Überdruckbeatmung erforderlich ist oder nicht. Bei fehlender Notwendigkeit sehen die VG (Teil B Nr. 8.7) einen GdB von 0 bis 10 vor. Ist hingegen eine nasale Überdruckbeatmung erforderlich, ist der GdB mit 20 einzuschätzen, wenn diese Überdruckbeatmung durchführbar ist. Ist sie nicht durchführbar, ist der GdB mit 50 festzulegen (vgl. VG, Teil B Nr. 8.7). Zwischenwerte sehen die VG nicht vor.

Im vorliegenden Fall ist nach den übereinstimmenden Angaben der behandelnden Ärzte und aller Sachverständigen von einem Schlafapnoe-Syndrom mit der Notwendigkeit einer nasalen Überdruckbeatmung auszugehen. Damit ist ein GdB von 20 anzusetzen.

Eine Nichtdurchführbarkeit der nasalen Überdruckbeatmung ist nicht nachgewiesen.

Von einer solchen Nichtdurchführbarkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn anatomische Besonderheiten (z.B. eine Gesichtsschädelanomalie) einer nasalen Überdruckbeatmung entgegen stehen oder wenn durch das Scheitern entsprechender Therapieversuche der Nachweis der Nichtdurchführbarkeit der nasalen Überdruckbeatmung erbracht ist (vgl. Bayer. Landessozialgericht - LSG -, Urteil vom 12.10.2010, Az.: L 15 SB 64/09). Allein die Tatsache, dass die Beatmungsmaske trotz der aus medizinischer Sicht gegebenen Notwendigkeit der nasalen Überdruckbeatmung nicht benutzt wird, kann die Nichtdurchführbarkeit einer nasalen Überdruckbeatmung nicht beweisen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.04.2002, Az.: L 6 SB 95/01).

Wie die aus dem Schlaflabor des Klinikums A-Stadt vorliegenden Befunde belegen, hat der Kläger in der Vergangenheit eine Atemmaske für eine gewisse Zeit mit gutem Therapieerfolg benutzt. Anatomische Besonderheiten, die einer nasalen Überdruckbeatmung entgegen stehen würden, sind beim Kläger nicht erkennbar und weder von einem der behandelnden Ärzte noch von einem Sachverständigen, auch nicht von dem vom Kläger beauftragten Chirurgen Dr. A., angenommen worden. Vielmehr hat der Kläger die Benutzung der Maskenbeatmung offensichtlich - dies ergibt sich aus seinen eigenen Angaben - nur deshalb nach rund einem halben Jahr eingestellt, weil er eine fehlende Compliance bei dieser Behandlungsmethode zu erkennen meint. Dem Senat ist auch aus anderen Verfahren bekannt, dass die Verwendung einer Maskenbeatmung in der Nacht nicht von jedem Patienten als angenehm und unbelastend empfunden wird. Dieses subjektive Gefühl, dass das Tragen der Maske unangenehm ist, führt aber noch nicht dazu, dass von einer objektiven Nichtdurchführbarkeit der nasalen Überdruckbeatmung ausgegangen werden könnte. Einschlafschwierigkeiten, wie sie der Kläger für die eher kurze Zeit der Maskenbenutzung angegeben hat, begründen jedenfalls noch keine objektive Nichtdurchführbarkeit der Überdruckbeatmung. Der Senat macht sich insofern die Feststellungen des Dr. S. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.07.2011 zu eigen, wonach es sich bei den vom Kläger gemachten Angaben, warum er die Maske nicht benutze, um subjektive Beschwerden des Klägers handle, die nicht durch entsprechende Untersuchungen in einem Schlaflabor bestätigt seien. Wäre tatsächlich eine Nichtdurchführbarkeit der nasalen Überdruckbeatmung gegeben, wäre dies mit Sicherheit bei den Untersuchungen im Schlaflabor zutage getreten.

Dass nicht von einer Nichtdurchführbarkeit einer nasalen Überdruckbeatmung ausgegangen werden kann, ergibt sich auch aus den Angaben des den Kläger behandelnden Pneumologen Dr. D.. Dieser hat auf Nachfrage des Gerichts am 28.11.2011 klar und zweifelsfrei mitgeteilt, dass nicht von einer Unmöglichkeit einer nasalen Überdruckbeatmung ausgegangen werden könne, da eine Vielzahl unterschiedlicher Masken und verschiedene Beatmungsmethoden zur Verfügung stünden. Nach den vorliegenden Unterlagen und Angaben des Klägers hat dieser von der Möglichkeit, verschiedene Masken und Beatmungsmethoden auszutesten, bislang keinen Gebrauch gemacht. Solange dies nicht der Fall ist, kann nicht von der Nichtdurchführbarkeit einer nasalen Überdruckbeatmung ausgegangen werden. Im Übrigen - auch darauf hat der Pneumologe Dr. D. hingewiesen - ist zwar eine Maskenbeatmung gewöhnungsbedürftig und wird daher von empfindlichen Personen nicht unbedingt sofort toleriert, kann aber durch ein stufenweises Gewöhnungstraining ermöglicht werden. Dass der Kläger ein derartiges Gewöhnungstraining erfolglos durchgeführt hätte, ergibt sich weder aus den vorliegenden Unterlagen noch aus den eigenen Angaben des Klägers.

Sofern der Kläger meint, es müsse solange von der Nichtdurchführbarkeit der Maskenbeatmung ausgegangen werden, wie nicht der Beklagte oder das Gericht ihm die Nichtdurchführbarkeit nachgewiesen hätten, verkennt der Kläger die im Sozialrecht geltenden Beweislastgrundsätze. Denn bei der Nichtdurchführbarkeit der nasalen Überdruckbeatmung im Sinne der VG, Teil B Nr. 8.7 handelt es sich um eine anspruchsbegründende Tatsache, die des Vollbeweises bedarf. Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht erforderlich, dass die Tatsache mit absoluter Gewissheit feststeht. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch noch am Vorliegen der nachzuweisenden Tatsache zweifelt, d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92). Diese Beweisanforderung gilt solange, als nicht Sonderregelungen einen geringeren Beweisgrad ausreichen lassen oder gar eine Beweislastumkehr vorsehen. Für die in den VG vorgegebenen Tatsachen gibt es derartige Beweiserleichterungen aber nicht, sodass eine Unaufklärbarkeit der Undurchführbarkeit einer nasalen Überdruckbeatmung zu Lasten des Klägers geht.

Wenn der Chirurg Dr. A. in dem vom Kläger selbst in Auftrag gegebenen Gutachten nicht von einem GdB von 20, sondern von einem GdB von 50 wegen des Schlafapnoe-Syndroms ausgeht und dies mit der Unverträglichkeit der Maskenbeatmung begründet, steht diese Annahme in eklatantem Widerspruch zu den VG und den geltenden Beweisanforderungen. Wie dieser Arzt in Kenntnis der Tatsache, dass der Kläger die Maskenbeatmung lediglich aus einer subjektiv empfundenen Maskenunverträglichkeit wegen Einschlafstörungen abgesetzt hat, ohne irgendwelchen weiteren Versuche mit anderen Masken und/oder Beatmungsmethoden unternommen oder ein Gewöhnungstraining durchgeführt zu haben, zu der Annahme einer Undurchführbarkeit einer nasalen Überdruckbeatmung kommen kann, kann sich der Senat nur mit der eklatant mangelnden Fachkenntnis dieses Arztes erklären.

Im Bereich des Funktionssystems der Lunge und Atemwege liegt neben dem Schlafapnoe-Syndrom noch eine obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne einer COPD vor. Von Relevanz auf den Einzel-GdB für das Funktionssystem Lunge/Atemwege ist diese Erkrankung aber nicht. Die statischen und dynamischen Lungenvolumina des Klägers liegen nach den vorliegenden Untersuchungen noch im (unteren) Normbereich und sind nicht so sehr durch diese Erkrankung, sondern vielmehr durch das erhebliche Übergewicht des Klägers zu erklären. Auch der behandelnde Pneumologe Dr. D. hat im Attest vom 24.06.2010 angegeben, dass beim Kläger nur bei starker körperlicher Belastung eine Dyspnoe zu verzeichnen sei. Wegen der geringen Ausprägung erhöht dies den Einzel-GdB von 20, wie er sich aus dem Schlafapnoe-Syndrom ergibt, nicht. Gleiches gilt für die beim Kläger vorliegende Verengung der Nasengänge, die von nur geringer Auswirkung auf die Atmung sind. Auch insofern macht sich das Gericht die sachverständigen Ausführungen des Dr. S., die überzeugend sind, zu eigen.

2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen

Für diesen Funktionskomplex ist ein Einzel-GdB von 20 angemessen. Dabei stützt sich der Senat auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. S.. Diese stehen in Übereinstimmung mit den Vorgaben der VG.

Beim Kläger liegt ein Beckenschiefstand vor, der eine leichte Wirbelsäulenfehlhaltung zur Folge hat. Eine funktionelle Einschränkung liegt nur insofern vor, als die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule gering eingeschränkt ist. Neurologische Auffälligkeiten im Bereich der Wirbelsäule oder davon ausgehend bestehen nicht. Der Finger-Boden-Abstand war bei der Untersuchung durch Dr. S. mit 12 cm nur leicht verlängert. Auch die Halswirbelsäule war in der Bewegungsprüfung nur leicht eingeschränkt.

Angesichts dieser nur leichten bis allenfalls mittelgradigen funktionellen Auswirkungen kann der Einzel-GdB für die Wirbelsäule auf nicht mehr als 20 geschätzt werden. Der Senat schließt sich insofern den überzeugenden Ausführungen des Gutachters Dr. S. an. Diese stehen in Übereinstimmung mit den Vorgaben der VG (vgl. Teil B Nr. 18.9). Ein höherer GdB von 20 lässt sich damit nicht vertreten; dafür wären entweder schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten erforderlich. Vielmehr erscheint dem Senat der GdB von 20 angesichts der objektiv dokumentierten Befunde als sehr großzügig geschätzt.

Wenn Dr. A. in dem vom Kläger vorgelegten Gutachten von einem Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem Wirbelsäule ausgeht, ist diese Annahme nicht von den Befunden, wie sie dieser Arzt erhoben hat, gedeckt und verstößt gegen die Vorgaben der VG. Dr. A. stützt sich bei seiner Annahme offenkundig, ohne dies näher zu erläutern, darauf, dass radiologisch Veränderungen in allen drei Wirbelsäulenabschnitten gegeben seien. Ganz abgesehen davon, dass diese Veränderungen bereits auf Grund ihres Umfangs nicht stark ausgeprägt sind, verkennt Dr. A. auch, dass sich die Höhe des GdB nicht aus bildgebenden Befunden ergeben kann, sondern die funktionellen Auswirkungen zu berücksichtigen hat. Diese funktionellen Auswirkungen bezieht er in die Ermittlung des GdB nicht ausreichend ein. Vielmehr fehlen in seinem Gutachten wichtige funktionelle Befunde (z. B. Finger-Boden-Abstand), die im Rahmen von sozialmedizinischen Gutachten von Bedeutung sind. Auch dies belegt wieder, dass Dr. A. mit den Vorgaben der VG und den Anforderungen an eine sozialmedizinische Begutachtung nicht vertraut ist. Seine Annahme eines Einzel-GdB von 30 ist jedenfalls nicht haltbar.

3. Postthrombotisches Syndrom links mit Ödembildung

Für diese Gesundheitsstörung ist ein Einzel-GdB von 20 angemessen. Auch hier macht sich der Senat die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. zu eigen.

Der Kläger hat in den Jahren 1988 und 2010 zwei Beckenvenenthrombosen erlitten. Aktuell liegen eine Schwellenneigung in der linken unteren Extremität und ein gering belastungsabhängiges Ödem vor. Bei der Untersuchung durch Dr. S. war diese Schwellenneigung im Knöchel nur vergleichsweise gering (2 cm Umfangsmehrung) ausgeprägt. Das Gericht berücksichtigt dabei aber zu Gunsten des Klägers, dass der Kläger bei der Untersuchung mit Kompressionsstrümpfen erschienen ist und dies die ödembedingte Umfangsmehrung möglicherweise reduziert hat.

Diese Einschätzung des Sachverständigen Dr. S. steht in Übereinstimmung mit den Vorgaben der VG (Teil B Nr. 9.2.3). Danach ist ein postthrombotisches Syndrom mit geringem belastungsabhängigem Ödem ohne wesentliche Stauungsbeschwerden mit einem GdB von 0 bis 10, mit erheblicher Ödembildung, häufig (mehrmals im Jahr) rezidivierenden Entzündungen mit einem GdB von 20 bis 30 einzuschätzen. Derartige rezidivierende Entzündungen sind beim Kläger nicht nachgewiesen. Auch an einer erheblichen Ödembildung bestehen gewisse Zweifel. Vielmehr ist nach den Untersuchungsbefunden des Dr. S. hier von einem geringen Ödem auszugehen, das allenfalls einen GdB von 10 begründen würde. Der Sachverständige Dr. S. hat aber - im Sinne des Klägers - auch dessen Angaben zur Ödembildung berücksichtigt und daher einen GdB von 20 angenommen. Dieser GdB ist keinesfalls zu knapp geschätzt, vielmehr erscheint er dem Senat als durchaus großzügig.

Wenn der Arzt Dr. A. in seinem vom Kläger vorgelegten Gutachten für das postthrombotische Syndrom hingegen einen Einzel-GdB von 30 schätzt, ist dies nicht nachvollziehbar. Dass von einer so erheblichen Ödembildung ausgegangen werden könnte, dass der dafür eröffnete Spielraum für den GdB von 20 bis 30 ausgeschöpft werden müsste, spricht nichts. Ganz abgesehen davon, dass sich Dr. A. nicht mit den bei der Vorbegutachtung erhobenen Befunden, die keine erhebliche Schwellung nachweisen, auseinandergesetzt hat, ist auch seinem Gutachten selbst nicht zu entnehmen, wie stark die Schwellenneigung ausgeprägt war. Der Gutachter hat es entgegen der üblichen Praxis unterlassen, entsprechende Umfangsmessungen vorzunehmen und in seinem Gutachten zu dokumentieren. Auch aus den beigelegten Fotos ist nicht ersichtlich, dass es sich um eine besonders stark ausgeprägte Schwellenneigung handeln sollte; vielmehr sind die Fotos vergleichsweise wenig aussagekräftig. Im Übrigen stützen auch die vorliegenden Befundberichte der behandelnden Ärzte die Annahme des Dr. A. nicht. Dort wird lediglich über eine Schwellenneigung des linken Knöchels bei fehlender Kompression berichtet, es liegen aber keine weitergehenden Befunde vor, die eine erhebliche Ödembildung oder eine häufige rezidivierende Entzündung belegen würden. Insofern ist festzustellen, dass Dr. A., ganz abgesehen davon, dass sein Gutachten an inhaltlichen Mängeln betreffend die Befunddokumentation leidet, die Vorgaben der VG nicht ausreichend beachtet.

4. Funktionsstörung durch Fußfehlform, Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks, Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke

In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S., die sich der Senat zu eigen macht, ist hierfür ein Einzel-GdB von 10 anzusetzen.

Bei der Untersuchung durch Dr. S. ist eine freie Beweglichkeit von Knie- und Hüftgelenken beidseits festgestellt worden. In Anbetracht dieser weitgehend uneingeschränkten Beweglichkeit wäre für diesen Funktionskomplex nicht einmal ein GdB von 10 anzusetzen. Der Sachverständige Dr. S. hat aber mit dem von ihm angenommenen GdB von 10 der Tatsache Rechnung getragen, dass radiologisch am rechten Kniegelenk eine mäßiggradige Arthrose und in den Hüftgelenken eine leicht vermehrte Sklerosierung gegeben sind. Mit diesen radiologischen Veränderungen vereinbar ist es, wenn der Kläger Schmerzen in den unteren Extremitäten angibt. Das Gericht hält es daher für vertretbar, trotz fehlender Bewegungseinschränkungen wegen der degenerativ bedingten Schmerzempfindungen einen Einzel-GdB von 10 anzunehmen. Ein höherer GdB ist aber nicht vertretbar. Einer weitergehenden Berücksichtigung von Schmerzen stehen die Vorgaben der VG (Teil A Nr. 2 Buchst. j) entgegen.

Wenn demgegenüber Dr. A. den GdB für das Funktionssystem der unteren Extremitäten auf 20 schätzt, ist dies nicht nachvollziehbar. Auch wenn der Senat angesichts der ansonsten erhobenen Befunde und sachverständigen Ausführungen gewisse Zweifel daran hat, dass die von Dr. A. - ausnahmsweise - dokumentierten Bewegungsmaße zu der Beweglichkeit der Sprunggelenke zutreffen, würde dies noch keinen über 10 hinausgehenden GdB begründen.

Der aus den dargestellten Funktionsstörungen resultierende Gesamt-GdB beträgt 40. Dabei stützt sich der Senat auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. S.. Diese stehen in Übereinstimmung mit den Vorgaben der VG zur Bildung des Gesamt-GdB (vgl. VG Teil A Nr. 3). Die Bildung eines höheren Gesamt-GdB als 40 beim Vorliegen von drei Einzel-GdB von 20 und einem Einzel-GdB von 10 ist in Ansehung der Vorgaben der VG nicht vertretbar; eine besonders nachteilige Auswirkung der vorliegenden funktionellen Beeinträchtigungen oder eine besondere gegenseitige Beeinflussung sind nicht erkennbar. Vielmehr hält der Senat einen Gesamt-GdB von 40 angesichts der Tatsache, dass der Einzel-GdB für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule von 20 eher im unteren Bereich angesiedelt ist und Ähnliches auch für den GdB von 20 für das postthrombotische Syndrom gilt, für ausgesprochen großzügig.

Wenn der Kläger im Schriftsatz vom 27.06.2012 seine Meinung zu erkennen gibt, dass seine Adipositas zu einer Erhöhung des GdB führen müsse, so irrt er. Es trifft zwar zu, dass eine Adipositas per magna, die beim Kläger definitionsgemäß noch nicht vorliegt - sein BMI erreicht den nach den WHO-Kriterien für eine Adipositas per magna erforderlichen BMI von 40 nicht -, aufgrund der funktionellen Auswirkungen bei einem aus einer anderen Gesundheitsstörungen resultierenden GdB erhöhend zu berücksichtigen sein kann (vgl. auch BSG, Urteil vom 24.04.2008, Az.: B 9/9a SB 7/06 R). Eine pauschale Erhöhung anderer Einzel-GdB resultiert aber aus dem Vorliegen einer Adipositas per magna nicht. Vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, inwiefern sich das erhebliche Übergewicht als funktionelle Einschränkung auswirkt. Diesen Vorgaben wird das Gutachten des Dr. S. gerecht. Der Sachverständige hat bei der Bewertung der neben dem Schlafapnoe-Syndrom vorliegenden obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne einer COPD und bei Berücksichtigung der statischen und dynamischen Lungenvolumina ausdrücklich das erhebliche Übergewicht des Klägers in seine Überlegungen zum GdB einbezogen. Die Ausführungen im Gutachten dazu sind überzeugend; der Senat macht sie sich zu eigen.

Weitere Ermittlungen waren nicht angezeigt:

- Die Überzeugung davon, dass sich seit der Begutachtung keine relevante Verschlechterung des Gesundheitszustands ergeben hat, hat der Senat zum einen aus den Auskünften der behandelnden Ärzte gewonnen. Zum anderen stützt sich der Senat auf die Angaben des Klägers, wonach keine weiteren ärztlichen Behandlungen erfolgt seien, die eine Verschlechterung belegen könnten.

- Ein Gutachten gemäß § 109 SGG war nicht einzuholen, da der Kläger seinen entsprechenden Antrag zurückgezogen hat.

- Ein orthopädisches Gutachten war nicht erforderlich. Die vom Sachverständigen Dr. S. getroffene Einschätzung ist überzeugend und steht in Einklang mit den Vorgaben der VG. Durch seine fachkundigen Ausführungen hat der Sachverständige gezeigt, dass er die für die Beurteilung orthopädischer Leiden, wie sie hier vorliegen, erforderliche Kompetenz verfügt. Allein die Tatsache, dass er nicht über die Facharztbezeichnung eines Orthopäden verfügt, kann seine Fachkenntnisse für die Beurteilung der vorliegenden Leiden nicht in Zweifel stellen (vgl. Beschluss des Senats vom 08.08.2011, Az.: L 15 SB 107/11 B PKH).

- Ein psychiatrisches Gutachten war nicht notwendig. Auch wenn mit dem Arztbrief des Neurologen Dr. S. vom 27.02.2012 die erste Bestätigung eines behandelnden Arztes für eine leichte depressive Störung vorliegt, würde aus dieser Erkrankung, wenn sie bei einer Begutachtung bestätigt würde, kein höherer Gesamt-GdB als 40 resultieren. Der Senat geht davon aus, dass aus dieser Erkrankung kein höherer GdB als von 10 resultieren kann. Dieser Wert entspricht sowohl den Vorgaben der VG (dort Teil B Nr. 3.7) bei Zugrundelegung des Mittelwerts als auch der Annahme des Klägers selbst. Auch bei den Begutachtungen fielen relevante psychische Störungen nicht auf, sodass ein höherer GdB ausgeschlossen werden kann. Ein GdB von 10 würde aber den Gesamt-GdB aufgrund der Vorgaben der VG zur Bildung des Gesamt-GdB nicht erhöhen.

Nicht rechtsfehlerhaft wird die erstinstanzliche Entscheidung dadurch, dass über die dort zunächst gestellten Befangenheitsanträge (gegen den Sachverständigen Dr. S. und die zuständige Richterin) nicht entschieden worden ist. Denn einer solchen Entscheidung bedurfte es nicht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht haben die Bevollmächtigten des Klägers ausdrücklich erklärt, dass Befangenheitsanträge nicht gestellt würden. Eine solche förmliche Antragstellung in der mündlichen Verhandlung wäre aber Voraussetzung dafür gewesen, dass darüber förmlich zu entscheiden gewesen wäre.

Wenn der Kläger darin, dass das Urteil vom 07.09.2011 am 15.09.2011 unterzeichnet in der Geschäftsstelle des Sozialgerichts eingegangen ist, den Beleg dafür zu erkennen meint, dass dem Urteil ein standardisiertes Vorformular des Gerichts als Schnellverfahren zugrunde gelegen habe, das nur etwas individuell angepasst worden sei, entbehrt diese Unterstellung jeglicher nachvollziehbaren Grundlage. Vielmehr ist dem Urteil zu entnehmen, dass sich das Sozialgericht umfassend mit dem Sachverhalt auseinander gesetzt und sich mit den medizinischen Ausführungen sowohl des Gerichtsgutachters als auch des Dr. A., den der Kläger selbst außerhalb des Verfahrens beauftragt hat, befasst hat. Irgendwelche vorformulierten Passagen oder allgemein gehaltene Ausführungen enthält das Urteil nicht ansatzweise. Es dem Gericht als Ausdruck einer Parteilichkeit zu unterstellen, wenn es das Urteil zügig und unter dem Eindruck der mündlichen Verhandlung abgefasst hat, belegt nur die mangelnde Objektivität des Klägers in eigener Sache, nicht aber die des Gerichts.

Die Berufung hat daher keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).



Versorungsmedizinische Grundsätze
in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung