Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) umstritten.
Die am ... 1952 geborene Klägerin (damals wohnhaft in N.) beantragte am 29. März 2005 beim Versorgungsamt M. die Feststellung von Behinderungen und gab u.a. Funktionsstörungen der Wirbelsäule, ein Carpaltunnelsyndrom an beiden Händen, Rheuma, eine Sehschwäche sowie einen depressiven Erschöpfungszustand an.
Das Verwaltungsamt holte Befundscheine der behandelnden Ärzte der Klägerin ein. Die Fachärztin für Augenheilkunde B. teilte am 2. Mai 2005 mit, es bestehe mit Ausnahme einer korrigierten Kurzsichtigkeit keine Augenerkrankung. Der Facharzt für Allgemeinmedizin G. gab an: Die Klägerin habe sich von Juli bis August 1997 wegen eines vegetativen Erschöpfungszustandes in einer stationären Reha befunden. Im Jahr 2000 habe die Klägerin über massive Schmerzen an den Händen geklagt. Eine rheumatoide Arthritis habe ausgeschlossen werden können. Demgegenüber hätten deutliche Hinweise für eine Polyarthrose bestanden. Im Oktober sowie Dezember 2004 sei sie wegen eines Carpaltunnelsyndroms an der linken bzw. rechten Hand operiert worden. Seit Jahren bestünden schmerzhafte Veränderungen an der Wirbelsäule (Skoliose). In Abhängigkeit vom Allgemeinzustand sowie der Schmerzproblematik komme es zu Stimmungsschwankungen und deutlichen Schlafstörungen.
Der beteiligte ärztliche Dienst des Versorgungsamtes schlug in Auswertung der Befunde wegen einer Funktionsminderung der Wirbelsäule einen GdB von 10 vor. Dem folgend lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27. Mai 2005 die Feststellung von Behinderungen ab. Dagegen erhob die Klägerin, nun anwaltlich vertreten, am 15. Juni 2005 Widerspruch und machte geltend: Ihre Behinderungen im Bereich der Wirbelsäule seien mit einem höheren GdB zu bewerten. Sie leide an einer Osteoporose sowie an einer schweren arthrotischen Veränderung der Wirbelsäule, die wöchentliche physiologische Behandlungen erforderlich machten. Zum Schlafen benötige sie als Hilfsmittel spezielle Matratzen und Kissen. Die Polyarthrose verursache gemeinsam mit dem Carpaltunnelsyndrom an beiden Händen erhebliche Behinderungen. So schwellten ihre Hände sowie die Finger laufend an. Auch seien die grobe Kraft und die Feinmotorik in diesem Bereich eingeschränkt. Zusätzlich bestünden arthrotische Veränderungen an den Schultergelenken. Völlig unberücksichtigt sei bisher auch ihr psychisches Leiden geblieben. Mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 13. März 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit einem am 8. Juni 2006 beim Versorgungsamt eingegangenen Schreiben beantragte die Klägerin die Überprüfung der bestandskräftigen Bescheide, legte einen neuen Befund vom 25. April 2006 vom Facharzt für Neurologie Dr. F. vor, der bei ihr eine Fibromyalgie diagnostiziert hatte. Sie gab an, allein deshalb müsse ein GdB von 50 bis 70 festgestellt werden. Denn sie leide an massiven Muskel- und Gelenkschmerzen, schweren Schlafstörungen und einer erheblichen Schmerzverstärkung bei körperlicher Arbeit und bei bestimmten Witterungslagen. Mit Bescheid vom 6. Juli 2006 lehnte das Versorgungsamt die Rücknahme des Bescheides vom 27. Mai 2005 ohne Beteiligung seines ärztlichen Dienstes ab. Die erst im April 2006 von Dr. F. diagnostizierte Erkrankung sei eine bloße Verdachtsdiagnose und müsse in ihrem Verlauf für sechs Monate beobachtet werden. Dagegen legte die Klägerin am 19. Juli 2006 Widerspruch ein und machte geltend: Sie leide nicht erst seit kurzem an dem Fibromyalgiesyndrom, sondern seit Jahren. Neu sei lediglich die Tatsache, dass Dr. F. ihre Beschwerden einem Krankheitsbild habe zuordnen können und eine darauf bezogene Therapie begonnen habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück: Für den Fall, dass sich die neue Diagnose für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten bestätige, werde der Klägerin ein Neufeststellungsantrag empfohlen.
Dagegen hat die Klägerin am 19. September 2006 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und ergänzend vorgetragen: Sie sei nicht an entzündlichem Rheuma, sondern an einer Fibromyalgie erkrankt. Der Beklagte habe das Ausmaß der Einschränkungen, unabhängig von der richtigen Diagnose, nicht hinreichend geprüft. In einer von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung vom 29. November 2007 erklärte der Facharzt für Allgemeinmedizin G., dass die Klägerin neurologisch sowie orthopädisch gesichert an einem Fibromyalgiesyndrom leide. Die Erkrankung werde medikamentös behandelt.
In einer prüfärztlichen Stellungnahme vom 4. Januar 2008 hat die Versorgungsärztin Dr. W. erklärt: Die Diagnose einer Fibromyalgie rechtfertige für sich genommen noch keinen GdB-Wert. Im vorliegenden Falle fehle es an der Mitteilung konkreter Bewegungsmaße der Wirbelsäule sowie von hinreichend konkreten Symptombeschreibungen. Nach derzeitiger Befundgrundlage sei eine maßgebliche Funktionseinschränkung nicht feststellbar.
Das SG hat Befundberichte vom Facharzt für Orthopädie Privatdozent (PD) Dr. M., dem Facharzt für Allgemeinmedizin G. sowie dem Facharzt für Neurologie Dr. F. eingeholt. PD Dr. M. hat unter dem 17. März 2008 als Diagnosen ein Cervical- und Lumbalsyndrom sowie einen Zustand nach Carpaltunnelsyndrom beidseits genannt. Es hätten sich Einschränkungen der Belastbarkeit der Wirbelsäule sowie in der Benutzung beider Arme gezeigt. Dr. F. hat am 23. März 2008 über eine durch Schmerzen eingeschränkte körperliche und psychische Belastbarkeit berichtet. In einem beigefügten Arztbrief vom 25. April 2006 hat er mitgeteilt, dass die Fibromyalgie-Punkte, bei einem ansonsten unauffälligen Befund, bei der Klägerin ausnahmslos positiv seien. Die Fibromyalgie werde mit moderatem körperlichen Training, Entspannungstherapie, Wärmeanwendungen sowie intermittierendem nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) behandelt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin G. hat am 6. April 2008 über eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes der Klägerin seit Juni 2006 wegen einer psychovegetativen Erschöpfung berichtet. Dem Befundbericht war ein Reha-Entlassungsbericht der Klinik am L. vom 19. Februar 2007 (stationäre Behandlung vom 25. Januar bis 15. Februar 2007) beigefügt. Darin diagnostizierte der Leitende Klinikarzt Dr. L. ein degeneratives Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit rezidivierendem schmerzbedingten Funktionsdefizit, eine arterielle Hypertonie, Dysbalancen der wirbelsäulenführenden Muskulatur und eine psychovegetative Erschöpfung. Im Bereich der Halswirbelsäule sei die Beweglichkeit schmerzhaft eingeschränkt (Rotation: 45/0/55 Grad; Lateralflexion: 30/0/30 Grad). Im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule sei die Reklination um ein Drittel vermindert. Das Zeichen nach Ott weise 30/33 cm, das Schoberzeichen 10/14,4 cm aus, wobei der Fingerbodenabstand 10 cm betrage. Über dem DIP-Gelenk D2 habe sich eine diskrete Kapselschwellung befunden. Die Versorgungsärztin Dr. W. hat diese Befunde unter dem 14. Mai 2008 ausgewertet und an der bisherigen Bewertung festgehalten.
Mit Urteil vom 25. April 2005 hat das SG den Bescheid vom 6. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2006 abgeändert und den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin ab Juni 2006 einen GdB um 20 festzustellen, die Klage im Übrigen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin leide in erster Linie unter Schmerzen. Eine spezielle schmerztherapeutische Behandlung sei bisher nicht erfolgt. Nach der Anamnese im Reha-Bericht bestünden im privaten Alltag lediglich gelegentliche Einschränkungen bei körperlich belastenden Hausarbeiten. Die Funktionseinschränkung im Bereich der Halswirbelsäule sei als gering bis mittelgradig einzuschätzen und mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Im Funktionssystem Psyche werde lediglich ein psychovegetativer Erschöpfungszustand diagnostiziert. Die Klägerin sei als Heilpädagogen weiterhin berufstätig. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sei nicht ersichtlich, so dass Einzel-GdB um 20 angemessen erscheine.
Gegen das ihr am 7. Juli 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29. Juli 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt erhoben und zur Begründung ausgeführt: Die Fibromyalgie zwinge sie, ihren Lebensrhythmus auf diese Erkrankung einzustellen. So dürfe sie sich weder zu großer Wärme noch zu großer Kälte aussetzen und müsse ihre körperlichen Anstrengungen beschränken. Zu Beginn jedes Tages sei es notwendig, die Bewegungsabläufe wieder einzuüben. Die feinmotorische Leistungsfähigkeit sei dabei tagesformabhängig. Die Erkrankung führe zu einer eingeschränkten Selbstständigkeit. So sei sie beispielsweise nicht mehr in der Lage, eine Wasserflasche zu öffnen, Gegenstände kontrolliert festzuhalten, einen Lappen auszuwringen oder eine Tasche zu tragen bzw. eine schwergängige Tür aufzuschließen. Seit Jahren leide sie unter Schlafstörungen und könne lediglich maximal zwei Stunden an einem Stück durchschlafen. Sie fühle sich dauernd unausgeschlafen und matt. Neben Schmerzmitteln müsse sie auch blutdrucksenkende Medikamente einnehmen. Die Auswirkungen der Fibromyalgie seien daher nicht auf einzelne Funktionssysteme beschränkt, sondern beträfen den ganzen Körper und die Psyche. In den letzten neun Jahren sei sie als Heilpädagogin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden tätig gewesen. Seit dem 1. September 2008 sei sie arbeitslos. Zum Ausmaß der Erkrankung hätte das SG ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Am 21. August 2008 hat die mit Klägerin mitgeteilt, sie sei nach ... W. (Bundesland S.) verzogen. In der Zeit vom 1. Mai 2009 bis 1. Mai 2010 sei sie Erzieherin bei der Nachmittagsbetreuung von Schulkindern gewesen. Mit Ausführungsbescheid vom 10. Juli 2008 stellte der Beklagte ab dem 1. Juni 2006 einen GdB von 20 wegen einer Funktionsminderung der Wirbelsäule fest.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Mai 2008 und den Ausführungsbescheid des Beklagten vom 10. Juli 2008 abzuändern, den Bescheid vom 6. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2006 insgesamt aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2006 einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 ab 29. März 2005 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat weitere Befundberichte eingeholt. Die Ärztin für Anästhesie, spezielle Schmerztherapie und Akupunktur Dr. S. hat unter dem 12. Februar 2010 angegeben: Seit Behandlungsbeginn am 11. Mai 2009 habe die Klägerin über Schmerzen geklagt. Nach einer Untersuchung vom 12. Februar 2010 sei die grobe Kraft sowie Sensibilität an Armen und Beinen gleich gewesen. Die Hals- sowie Lendenwirbelsäule sei gut beweglich. Multiple sog. Tenderpoints seien vorhanden. Der Schmerzgrad sei unter Medikation nach der Schmerzskala auf eine Stärke von 6 bis 8 einzuschätzen. Die Klägerin werde nach den Leitlinien für Fibromyalgie therapiert. Neben einem moderaten körperlichen Training und einer empfohlenen Psychotherapie erfolge eine medikamentöse Schmerztherapie. In einem Befundbericht vom 6. April 2010 hat der Facharzt für Orthopädie Dr. S. ein Impingement-Syndrom (Ab/Ad 90/0/50 Grad (links); Ab/Ad 90/0/40 Grad (rechts)); Schürzen-Nackengriff eingeschränkt, aber symmetrisch, ohne Muskelatrophie) diagnostiziert.
Am 15. Februar 2011 hat die Klägerin mitgeteilt, sie habe die im August 2010 begonnene psychotherapeutische Behandlung bei Dipl.-Psychologin M. nach kurzer Zeit wegen eines unzureichenden Vertrauensverhältnisses wieder abgebrochen. In einem weiteren Befundbericht vom 4. März 2011 hat die Schmerztherapeutin Dr. S. mitgeteilt: Die letzte Behandlung sei am 9. August 2010 erfolgt. Es bestünden Ganzkörperschmerzen, die sich ähnlich wie Zahnschmerzen am ganzen Körper auswirkten. Die Schmerzintensität bewege sich im Bereich der Stufen 4 bis 7 nach der Schmerzskala. Der Blutdruck habe 125/85 mm/Hg betragen. Das An- und Auskleiden sei flüssig erfolgt. Diagnostisch sei von einer Schmerzchronifizierung im Stadium III nach Gerbershagen auszugehen. Medikamentös werde die Klägerin mit Opiaten therapiert. Die degenerativen Veränderungen seien fortschreitend. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. K. hat am 4. April 2011 angegeben, die Klägerin leide an wiederkehrenden Rückenschmerzen im Sinne eines chronischen Schmerzsyndroms, einer Hyperthyreose sowie an einem Bluthochdruck. In einem beigefügten Arztbrief hat die Schmerztherapeutin Dr. S. angegeben, dass die Klägerin zur Zeit (letzte Untersuchung am 12. Februar 2010) die Arbeitsleistung als Erzieherin mit ca. 20 Stunden Arbeitszeit pro Woche nicht mehr erbringen könne.
Der Senat hat zunächst ein neurologisch-psychiatrisches-sozialmedizinisches Gutachten vom Facharzt für Neurologie, Psychiatrie sowie Sozialmediziner Dr. A. vom 4. Juni 2013 erstatten lassen. Zu ihrem aktuellen Beschwerdebild hat die Klägerin gegenüber dem Sachverständigen angegeben: Sie leide an permanenten Schmerzen, Kraftlosigkeit in den Händen sowie unter Schmerzen im Hals-und Schulterbereich sowie im Bereich der Lendenwirbelsäule. Sie habe ausgeprägte Versagensängste und leide unter Ein- und Durchschlafstörungen. Morgens sei sie erschöpft und habe Konzentrationsprobleme. Hinzu trete eine Traurigkeit, die sie mutlos in die Zukunft blicken lasse. Trotz ihres Alters von 60 Jahren und neun Monaten gehe sie noch einer Tätigkeit als Heilpädagogin im Familienzentrum in S. nach. Hierbei sei sie überwiegend mit der Sprachförderung, der Familienbetreuung sowie der Beratung beschäftigt. Es handele sich um eine Teilzeitstelle, die sie einmal monatlich für eine Woche vollzeitlich ausübe. Während dieser Zeit wohne sie bei einer Freundin. Aktuell bestünden existenzielle Sorgen, da ein neues Haus noch abbezahlt werden müsse. Ihren Hobbys könne sie nur noch eingeschränkt nachgehen. Sie lese und koche gern. Auch gestalte sie gern mit verschiedenen Materialien, fahre Fahrrad und gehe spazieren. Sie habe wenige, aber gute Freunde. Ihr Ehemann habe im Jahr 1999 die C. in M. aufgebaut und sei dann nach einem Bischofswechsel wieder in die Heimat zurückgekehrt. Während der beruflichen Tätigkeit stehe sie um 7.00 Uhr auf, frühstücke gegen 8.00 Uhr und habe gegen 9:00 Uhr Arbeitsbeginn. Dann bestehe eine Pause von 12.00 Uhr bis 14:00 Uhr. Arbeitsende sei dann gegen 16:00 Uhr. Im S. gehe sie gegen 9:00 Uhr mit dem Hund aus und frühstücke erst gegen 10:00 Uhr. Danach verrichte sie die anfallenden Tätigkeiten im Haushalt, jedoch mit vielen Pausen. Gegen Abend werde mit dem Ehemann gegessen. Anschließend mache sie mit dem Hund einen kleinen Spaziergang. Der Abend sei mit Fernsehen, Gesprächen mit dem Partner und Besuchen ausgefüllt. Zum Untersuchungsbefund hat der Sachverständige angegeben: Blutdruck: 141/92 mmHg; Puls 89/min. Bei einer Größe von 160 cm erreiche die Klägerin ein Gewicht von 78 kg, was einem BMI von 27,2 kg/m entspreche. Medikamentös nehme sie Bisoprolol 1-0-0-0, L-Thyroxin 1-0-0-0, Amitriptylin 50 mg 0-0-0-1 ein. Die Einnahme von Tramadura 100 mg ret, Novalminsulfon 500 mg pro ml und Voltaren erfolge bedarfsweise. In Winter benötige sie ungefähr 40 Tabletten Tramadura im Monat. Die Schmerzbelastung sei in dieser Zeit erheblich stärker ausgeprägt als im Sommer. Im Monat nehme sie ungefähr vier Flaschen Novalminsulfon und zwei Packungen Voltaren zu sich. Die Hals- sowie die Lendenwirbelsäule seien deutlich bewegungseingeschränkt. Der Fingerbodenabstand betrage 20 cm. Der psychiatrische Befund sei weitgehend unauffällig. Die Stimmungslage sei ein wenig zum depressiven Pol hin verschoben. Die affektive Schwingungsfähigkeit etwas reduziert, jedoch ohne Beeinträchtigungen von Antrieb und Psychomotorik. Das Verhalten sei sozial und situativ adäquat. Es sei von folgenden Diagnosen auszugehen:
chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren,
ein Karpaltunnelsyndrom-Rezidiv beidseits,
Polyarthrosen, die orthopädisch zu bewerten seien,
Cervicalgie, Cervicobrachialgie beidseits, klinisch neurologisch ohne radikuläre und spinale Defizite,
Lumbalgie, Lumbago, gelegentlich Lumboischiagie, klinisch-neurologisch und elektrophysiologisch ohne radikuläre und spinale Defizite,
anhaltende affektive Störung im Sinne einer Dysthymie.
Bei der Klägerin könne ein chronisches Schmerzsyndrom nachvollzogen werden. Der Begriff Fibromyalgie werde aus neurologischer Sicht vermieden und durch den Terminus chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren ersetzt, da die Fibromyalgie als Krankheitsbild unklar und nicht überzeugend validiert sei. Die somatischen Ursachen des chronischen Schmerzsyndroms hätten ihre Ursache in einem chronischen Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom. Die psychischen Faktoren der chronischen Schmerzerkrankung hätten ihre Ausprägung in einer Dysthymie, das heißt einer chronischen, leichtgradig affektiven Verstimmung. Eine organische Überlagerung der Dysthymie bestehe nach den durchgeführten klinischen neurologischen Untersuchungen nicht. Dies bedeute, dass eine Schädigung des zerebralen Cortex bzw. der Hirnstammstrukturen mit ganz hoher Wahrscheinlichkeit nicht vorliege. Die Polyarthrose müsse hinsichtlich ihrer Funktionsbeeinträchtigungen durch einen Orthopäden bewertet werden. Zusammenfassend sei das Karpaltunnelsyndrom beidseits mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Das degenerative Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom ohne radikuläre Defizite sei mit einem Einzel-GdB von 20 einzuordnen. Dieser Einzel-GdB sei auch für die psychischen Faktoren des chronischen Schmerzsyndroms und die Dysthymie zu vergeben. Auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet bestehe daher ein Gesamt-GdB von 30. Dieser Wert treffe auf den gesamten Zeitraum seit März 2005 zu. Für die Bewertung der Polyarthrosen sei ein orthopädisches Gutachten erforderlich.
Am 24. Juli 2013 hat der Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben und auf ein prüfärztliches Gutachten von Dr. K. vom 16. Juli 2013 Bezug genommen. Hiernach sei von einer Funktionsminderung der Wirbelsäule bei Schmerzstörung (Einzel-GdB 20), einer seelischen Störung (Einzel-GdB 20) und einem Karpaltunnelsyndrom beidseits bei Funktionsstörung des linken Schultergelenks (Einzel-GdB 20) auszugehen. Mit Nachweis eines chronischen Schmerzsyndroms im Stadium III sei der Gesamt-GdB auf 40 ab Mai 2009 zu erhöhen. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis nicht angenommen.
Der Senat hat sodann ein orthopädisches Gutachten vom Facharzt für Orthopädie, spezielle orthopädische Chirurgie und Rheumatologie Privatdozent (PD) Dr. D. vom 7. Januar 2014 eingeholt. Die Klägerin hat gegenüber dem Sachverständigen angegeben: Sie habe zumindest in den letzten vier Jahren eine schmerztherapeutische Behandlung bei Dr. S. durchgeführt. Die Medikamente mit Morphium hätten gut gegen die Schmerzen gewirkt, seien vor ihr jedoch nicht gut vertragen worden. Zuletzt habe es Beschwerden infolge einer Radiusköpfchenfraktur am rechten Ellenbogen gegeben. Sie sei im Frühjahr 2013 auf Glatteis gestürzt und habe sich dabei am Ellenbogen verletzt, was die Gebrauchsfähigkeit des rechten Armes deutlich verringert habe. Anlässlich der Untersuchung hätten keine typischen Tenderpoints festgestellt werden können. Der Finger-Boden-Abstand habe 30 cm betragen. Die Bewegungsausmaße der Halswirbelsäule haben folgende Werte ergeben:
Kinn-Jugulum-Abstand 4/15 cm Links-Rechtsrotation 50/0/60 Grad Links-Rechtsneige 30/0/30 Grad.
Bei der Untersuchung der Brust- und Lendenwirbelsäule habe sich eine schmerzhafte Verspannung der paravertebralen Muskulatur gezeigt. Die Bewegungsausmaße der Brust- und Lendenwirbelsäule haben folgende Werte gezeigt:
Links-Rechtsrotation 30/0/30 Grad Links-Rechtsneige 30/0/30 Grad Fingerbodenabstand 30 cm Ottsches Maß 30/33 cm Schobersches Maß 10/13 cm
Die Beweglichkeit der Hüftgelenke sei endgradig leicht eingeschränkt und die Kniegelenke frei beweglich. Die passive Beweglichkeit der Schulter sei endgradig um ein Drittel eingeschränkt (Außenrotation 30 Grad; Abduktion 90 Grad; Anteversion 110 Grad). Der linke Ellenbogen sei unauffällig, am rechten Ellenbogen sei eine Schwellung des Gelenks und ein deutlicher Druckschmerz der radialen Gelenksanteile feststellbar (Flektion/Extension 100/20/0 Grad; Pronation/Supination 70/0/60 Grad). Die Funktion sei deutlich eingeschränkt. Mit der rechten Hand erreiche die Klägerin gerade eben noch den Mund. Auf orthopädischem Fachgebiet sei von folgenden Diagnosen auszugehen:
rezidivierendes degeneratives HWS-Syndrom, rezidivierendes degeneratives LWS-Syndrom, Teilsteife des rechten Ellenbogengelenks bei Zustand nach Radiusköpfchenfraktur, Periarthrosis humero-scapularis beidseits, Karpaltunnelsyndrom beidseits, Coxarthrose rechts beginnende Coxarthrose links, Metatarsalgie beidseits.
Die degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule hätten mittlerweile zu einer erheblichen Fehlstellung der Lendenwirbelsäule geführt. Dies verursache rezidivierende und überwiegend belastungsabhängige erhebliche Beschwerden. Die posttraumatischen Veränderungen am rechten Ellenbogengelenk seien erheblich. Das zu vermutende Karpaltunnelsyndrom verursache eine Einschränkung der Lebensqualität durch Behinderung des Schlafes. An beiden Schultergelenken bestünden belastungsabhängige Beschwerden, ohne dass höherrangige strukturelle Schäden nachzuweisen seien. Am rechten Hüftgelenk bestehe eine bildgebend nachgewiesene erhebliche Arthrose, wobei das klinische Korrelat eher mäßig ausgeprägt sei. Die Vorfußbeschwerden seien mittelgradig ausgeprägt und die Auswirkungen eher gering. Für das Funktionssystem der Wirbelsäule sei bei mittelgradigen bis teilweise schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten von einem Einzel-GdB von 30 auszugehen. Die Schädigung des Ellenbogens sei mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Auf orthopädischem Fachgebiet betrage der GdB 40 ab Februar 2013 (Zeitpunkt der Verletzung am rechten Ellenbogen). Vor dem Zeitpunkt rechtfertige sich eine GdB von 30.
Die Klägerin hat angeregt, einen mit dem Krankheitsbild der Fibromyalgiesyndrom vertrauten Sachverständigen zur Bewertung des Gesamt-GdB zu beauftragen. Gerade die Wechselwirkung zwischen dem neurologisch-psychiatrischen und orthopädischen Befund rechtfertige einen Gesamt-GdB von mindestens 50. Der Beklagte hält einen höheren GdB als 40 für nicht vertretbar und hat vom Versorgungsarzt Dr. K. eine gutachterliche Stellungnahme vom 7. Februar 2014 vorgelegt. Hiernach betrage der Gesamt-GdB 40 (psychische Störung Einzel-GdB 20; Funktionsminderung der Wirbelsäule bei Schmerzstörung Einzel-GdB 30; Funktionsstörung beider Schultern sowie Funktionsstörung des rechten Ellenbogens bei Karpaltunnelsyndrom beidseits Einzel-GdB 20, Hüftgelenksverschleiß rechts Einzel-GdB 10).
Der Sachverständige PD Dr. D. hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 13. März 2014 ausgeführt: Es sei unrichtig, dass die vom Neurologen festgestellten Behinderungen vollständig von denen auf dem orthopädischem Fachgebiet abgrenzbar seien. Vielmehr überschnitten sich beide Bewertungen erheblich. So sei im Gutachten des Neurologen das Schmerzsyndrom der Wirbelsäule als wesentlicher Faktor bereits bewertet worden. Daher sei der von ihm vertretene Gesamt-GdB von 40 aufrecht zu erhalten. Für eine Fibromyalgie habe kein ausreichend sicherer Hinweis bestanden.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch statthafte Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 50 ab März 2005 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Randnummer38 Die Klägerin verfolgt ihren Anspruch einerseits im Zugunstenverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Da es sich bei der Feststellung des GdB nicht um Sozialleistungen handelt und § 44 Abs. 1 SGB X damit unanwendbar ist (vgl. Bundessozialgericht, (BSG), Urteil vom 7. April 2011, B 9 SB 3/10 R, juris), ist Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren insoweit § 44 Abs. 2 SGB X. Danach ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Satz 1). Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 2). Randnummer39 Dabei ist innerhalb des Zugunstenverfahrens maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des zur Überprüfung gestellten Bescheides der Zeitpunkt seines Erlasses (vgl. von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 44, Rdn. 24 i. V. m. Rdn. 9). Zur Beurteilung der Fehlerhaftigkeit des Bescheides vom 27. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2006 kommt es im Übrigen nicht auf den Stand der Erkenntnis bei Erlass, sondern bei Überprüfung an. Erforderlich dazu ist eine rückschauende Betrachtungsweise im Lichte einer – eventuell geläuterten – Rechtsauffassung zu der bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsaktes geltenden Sach- und Rechtslage. In diesem Sinne beurteilt sich die Rechtswidrigkeit nach der damaligen Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht.
Im Widerspruchsverfahren wurde ausdrücklich festgestellt, dass der Befund von Dr. F. aktuell keinen GdB rechtfertigt, sondern zunächst eine Frist von sechs Monaten abzuwarten ist. Damit hat der Kläger auch ausdrücklich einen Neufeststellungsantrag der Klägerin abgelehnt und damit gleichzeitig eine Prüfung des § 48 SGB X vorgenommen. Zu prüfen ist damit auch, ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist.
Nach Erlass des Bescheides vom 6. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2006 sind Änderungen in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, die einen GdB von 30 ab März 2005 und von 40 ab 1. Mai 2009 aus dem Teilanerkenntnis des Beklagten rechtfertigen. Maßgeblich ist bei der hier erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000, B 9 SB 3/99, juris). Danach liegt bei der Klägerin seit der Antragstellung am 29. März 2005 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung kein höherer Grad der Behinderung als 40 vor.
Der Umzug der Klägerin in das S. führte zu einem Beklagtenwechsel kraft Gesetzes (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2009, B 9 SB 4/08 R, juris). Das Land S.-A. ist wegen der hier vorliegenden Klageart aus dem Prozess ausgeschieden und der Beklagte eingetreten.
Für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). Der hier anzuwendende § 69 SGB IX ist durch die Gesetze vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) und vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) geändert worden. Rechtsgrundlage für den von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Feststellung eines Grads der Behinderung von 50 ist § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Infolge der verfahrensrechtlichen Änderungen des § 69 SGB IX durch das Gesetz vom 23. April 2004 (a.a.O.) hat sich im Übrigen nur die Satzzählung geändert. Im Folgenden werden die Vorschriften des § 69 SGB IX nach der neuen Satzzählung zitiert.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Diese Vorschrift knüpft materiellrechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX ist durch das am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Nach der früheren Fassung der Vorschrift galten für den Grad der Behinderung die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Nach dem Wortlaut der früheren Fassung des ebenfalls durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 geänderten § 30 Abs. 1 BVG war für die Beurteilung die körperliche und geistige Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben maßgeblich, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren. Nach der Neufassung des § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für den Grad der Behinderung die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden.
Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und sind damit nunmehr der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung zugrunde zu legen. Zuvor dienten der Praxis als Beurteilungsgrundlage die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003, B 9 SB 3/02 R, juris). Die in den Anhaltspunkten enthaltenen Texte und Tabellen, nach denen sich die Bewertung des Grades der Behinderung bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind inhaltlich weitgehend unverändert in diese Anlage übernommen worden (vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08, S. 3 f.). Die im vorliegenden Fall heranzuziehenden Abschnitte aus den Anhaltspunkten in den Fassungen von 2004, 2005 und 2008 bzw. aus den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen sind nicht geändert worden.
Der hier streitigen Bemessung des Grads der Behinderung ist die GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A, Seite 17 ff.) zugrunde zu legen. Nach Teil A, Seite 19 werden Grad der Schädigung und der Grad der Behinderung nach gleichen Grundsätzen bemessen und unterscheiden sich begrifflich nur dadurch, dass der Grad der Schädigung nur auf die Schädigungsfolgen (also kausal) und der Grad der Behinderung auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache (also final) bezogen ist. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A, Seite 20) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a, Seite 33).
Nach diesen Maßstäben kann für die Klägerin für den Prüfungszeitraum kein höherer Grad der Behinderung als 40 festgestellt werden. Dabei stützt sich der Senat auf die prüfärztlichen Stellungnahmen des Beklagten, die eingeholten Befundberichte und insbesondere auf die beiden gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten.
a) Ein Hauptleiden der Klägerin ist dem Funktionsbereich "Gehirn einschließlich Psyche" zuzuordnen. Dafür ist ein Einzelgrad der Behinderung von 20 festzustellen. Der Senat folgt insoweit der Einschätzung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. in seinem Gutachten vom 4. Juni 2013 und dem Versorgungsarzt Dr. K. Hiernach ist bei der Klägerin von einem chronischen Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren und einer Dysthymie auszugehen. Für diese psychischen Faktoren des Schmerzsyndroms sowie der Dysthymie ist ein Einzel-GdB von 20 angemessen.
Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze (B 3.9., S. 43) geben hierfür folgenden Bewertungsrahmen vor:
Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen Einzel-GdB: 0 – 20
Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) Einzel-GdB:.30 – 40
Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten Einzel-GdB: ...50 – 70
Psychische Anpassungsschwierigkeiten, die einen Behinderungsgrad von 30 bis 40 rechtfertigen, sind nach dem Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirates (BMA am 18./19.03.1998 – zitiert nach Rohr/Sträßer, A 180, Nr. 26.3, 65. Lfg. – Stand Juni 2001) durch Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße gekennzeichnet. Dieses Kriterium ist zur differenzierenden Einschätzung von Anpassungsschwierigkeiten analog auch dann heranzuziehen, wenn die Symptomatik der psychischen Störungen ganz unterschiedlich ist (Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, BMA am 8./9.11.2000 – zitiert nach Rohr/Sträßer, a.a.O.). Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten setzen neben den Auswirkungen im Berufsleben erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung voraus (Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, BMA am 18./19.03.1998 – zitiert nach Rohr/Sträßer, a.a.O.).
Nach diesem Maßstab ist aufgrund der somatoformen Störung und der Dysthymie von keiner wesentlichen Einschränkung der Erlebnisfähigkeit- und Gestaltungsfähigkeit auszugehen, die keinen höheren Einzel-GdB als 20 rechtfertigt. Nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. A. liegt bei der Klägerin lediglich eine chronisch leichtgradig, affektive Verstimmung vor. Dies zeigt sich darin, dass ihre Stimmungslage etwas zum depressiven Pol verschoben und die affektive Stimmungsfähigkeit der Klägerin ein wenig reduziert ist. Antriebsminderungen vermochte der Sachverständige bei ihr dagegen nicht festzustellen. So kann die Klägerin, wenn auch eingeschränkt, ihrer beruflichen Tätigkeit als Heilpädagogin in einer weiter vom Wohnort entfernten Stadt in N.-W. nachgehen. Gegen eine erhebliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit spricht auch der von Dr. A. detailgenau dargelegte Tagesablauf der Klägerin. Angesichts ihrer gut strukturierten Tagesgestaltung, den fehlenden Hinweisen auf einen sozialen Rückzug, sind die Einschränkungen der Klägerin in diesem Funktionssystem nur als leichtgradig einzuschätzen. Dafür spricht auch, dass sie entgegen der ärztlichen Empfehlung und den Therapieleitlinien für eine Fibromyalgie eine psychiatrische Behandlung nach kurzer Zeit abgebrochen (2010) und in der Folge auch nicht wieder aufgenommen hat. Für die Geringgradigkeit der psychiatrischen Folgen der Erkrankung in diesem Funktionssystem spricht auch die fehlende Einnahme von Psychopharmaka.
b) Außerdem ist für das Funktionssystem "Rumpf" wegen der Funktionseinschränkung der Wirbelsäule ein Einzelbehinderungsgrad von 30 festzustellen. Insoweit folgt der Senat der Einschätzung des Sachverständigen PD Dr. D.
Für Wirbelsäuleneinschränkungen sind die maßgeblichen Bewertungskriterien in Teil B, Nr. 18.9 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze vorgegeben. Danach folgt der GdB bei Wirbelsäulenschäden primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung, der Wirbelinstabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Abschnitte der Wirbelsäule. Erst mittelgradige funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden in einem Wirbelsäulenabschnitt, z.B. eine anhaltende Bewegungseinschränkung oder eine Instabilität mittleren Grades, rechtfertigen einen Einzelgrad der Behinderung von 20. Funktionsstörungen geringeren Grades bedingen allenfalls einen Einzelgrad von 10. Schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) rechtfertigen einen Einzelgrad der Behinderung von 30, mittelgradige bis schwere in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30 bis 40. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch intermittierenden Störungen bei einer Spinalkanalstenose - sind zusätzlich zu berücksichtigen.
Nach diesem Maßstab ist die Bewertung der Wirbelsäulenfunktionseinschränkungen mit einem Grad der Behinderung von 30 gerechtfertigt. Bei der Klägerin liegt ein rezidivierendes degeneratives Hals- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom vor. Nach der überzeugenden Auswertung vom Sachverständigen PD Dr. D. haben die degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule mittlerweile zu einer erheblichen Fehlstellung insbesondere an der Lendenwirbelsäule geführt. Dies verursacht rezidivierende und belastungsabhängige erhebliche Beschwerden, jedoch ohne radikuläre Ausfälle. Für den Funktionsbereich der Wirbelsäule ist daher von mittelgradigen bis teilweise schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten auszugehen, die einen Einzel-GdB von 30 rechtfertigen. Diese Einschätzung wird durch den Ärztlichen Dienst des Beklagten (Dr. K.) unter der Bezeichnung Funktionsminderung der Wirbelsäule bei Schmerzstörung bestätigt. Ein höherer Einzel-GdB für dieses Funktionssystem ist dagegen nicht anzunehmen. Hierfür fehlt es signifikanten Bewegungseinschränkungen, die sich aus den Untersuchungsergebnissen von PD Dr. D. nicht ableiten lassen. In diesem Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, dass sich Überschneidungen zwischen den Funktionssystemen "Gehirn einschließlich Psyche" sowie "Rumpf" ergeben, die nicht zu einer unzulässigen Doppelbewertung führen dürfen. Nach der überzeugenden Stellungnahme von PD Dr. D. vom 13. März 2014 sind die Behinderungen in beiden Bereichen nicht vollständig abgrenzbar. So hat der Neurologe Dr. A. bei seiner Einschätzung das Schmerzsyndrom der Wirbelsäule als wesentlichen Faktor auf sein Fachgebiet bezogen. Seine Einschätzung eines Gesamt-GdB von 30 auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet hat damit die Folgen der Wirbelsäulenerkrankung bereits mit einbezogen, obwohl sie allein dem Funktionssystem "Rumpf" zugeordnet werden dürfen, um eine unzulässige Doppelwertung zu Gunsten der Klägerin zu vermeiden. Die sich insbesondere im Bereich der Wirbelsäule auswirkende Schmerzerkrankung hat im Funktionssystem "Rumpf" zu erfolgen und ist mit einem Einzel-GdB von 30 zutreffend bewertet.
c) Im Funktionssystem der Arme liegt eine Teilsteife des rechten Ellenbogengelenks bei Zustand nach Radiusköpfchenfraktur aus einem glatteisbedingten Unfall der Klägerin seit Februar 2013 vor. Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen ist für den Bereich des Ellenbogens von folgenden Bewertungen auszugehen.
Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk geringen Grades (Streckung/Beugung bis 0-30-120 bei freier Unterarmdrehbeweglichkeit) ... 0 – 10 stärkeren Grades (insbesondere der Beugung einschließlich Einschränkung der Unterarmdrehbeweglichkeit) ...20 – 30
Vor diesem Hintergrund ist der Einschätzung des Sachverständigen PD Dr. D. mit einem Einzel-GdB von 20 zu folgen.
d) Im Funktionssystem "Hand" liegt ein beidseits operiertes Karpaltunnelsyndrom vor, dass die Feststellung eines Einzel-GdB von 10 rechtfertigt (so auch Dr. A. und PD Dr. D.).
e) Für das Funktionssystem "Beine" kann wegen einer Coxarthrose auf der rechten Seite mit leichten Bewegungseinschränkungen ein Einzel-GdB von 10 vergeben werden (so auch PD Dr. D.).
f) Weitere Gesundheitsstörungen, die einem anderen Funktionssystem zuzuordnen sind und zumindest einen Einzelbehinderungsgrad von 10 bedingen, sind nicht erkennbar. Die Periarthrosis ist nach der überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen PD Dr. D. unbeachtlich und rechtfertigt nicht die Vergabe eines Einzel-GdB.
g) Da bei der Klägerin Einzelbehinderungen aus verschiedenen Funktionssystemen mit einem messbaren Grad der Behinderung vorliegen, ist nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der Grad der Gesamtbehinderung zu ermitteln. Dafür sind die Grundsätze nach Teil A, Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (S. 8) anzuwenden. Nach Nr. 3c ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad bedingt, und dann zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Zehnergrad ein oder mehr Zehnergrade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden.
Danach ist von dem Behinderungsgrad von 30 für das Funktionssystem Rumpf auszugehen. Bezogen auf das Funktionssystem Psyche einschließlich Gehirn und einem Einzel-GdB von 20 besteht kein Grund, den Gesamt-GdB zu erhöhen. Beide Funktionssysteme stehen nicht in einem untrennbaren funktionellen Zusammenhang. Vielmehr erweist sich die Einordnung des schmerzbedingten Leidensbildes der Klägerin insoweit als schwierig, als die psychischen und organischen Ursachen der Schmerzen nicht sicher voneinander zu trennen sind und die Gefahr einer Doppelbewertung zu Gunsten der Klägerin besteht. Hierauf hat der Sachverständige PD Dr. D. in seiner ergänzenden Stellungnahme zutreffend hingewiesen. Die Einschätzung des Neurologen Dr. A. einen Gesamt-GdB von 30 anzunehmen, hat dabei das Schmerzsyndrom der Wirbelsäule als wesentlichen Faktor bereits mitbewertet.
Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Teil A) werden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Grad der Schädigung von 20 als leichte Funktionsstörungen definiert, bei denen es vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes des Behinderung zu schließen. Eine Erhöhung kann auch nicht aufgrund der jeweils mit einem Behinderungsgrad von 10 bewerteten Gesundheitsstörungen aus anderen Funktionssystemen erfolgen. Denn nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Teil A, Nr. 3 ee) führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Behinderungsgrad von 10 bedingen, von hier fern liegenden Ausnahmen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes des Gesamtbeeinträchtigung.
Bezogen auf das Funktionssystem der Arme und der deutlich eingeschränkten Beweglichkeit des rechten Ellenbogens der Klägerin seit Februar 2013 hält der Senat – wie auch von PD Dr. D. vertreten – eine Erhöhung des Gesamt-GdB um 10 auf insgesamt 40 für angemessen, da insoweit eine negative Wechselwirkung der beiden Funktionssysteme im Bewegungsablauf eingetreten ist. Wegen des weitreichenden Teilanerkenntnisses des Beklagten braucht der Senat die Einschätzung des Sachverständigen PD Dr. D. nicht zu überprüfen, ob die Erhöhung des Gesamt-GdB bereits zum Unfallzeitpunkt oder erst nach einem Ablauf von sechs Monaten angenommen darf. Mit dem wohlwollenden Teilanerkenntnis des Beklagten einen Gesamt-GdB von 40 bereits ab 1. Mai 2009 anzunehmen, bedarf diese Frage keiner abschließenden Bewertung mehr.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nach § 160 SGG nicht vor.