GdB irritabler Darm Divertikulose Divertikulitis Darmteilresektion
Auch chronische Darmstörungen (irritabler Darm, Divertikulose, Divertikulitis, Darmteilresektion) mit stärkeren und häufig rezidivierenden oder anhaltenden Symptomen (z.B. Durchfälle, Spasmen) werden gemäß Nr. 26.10 AHP (bzw. jetzt Teil B Nr. 10.2.2 VersMedV) mit einem GdB von 20 – 30 bewertet, so dass sich auch nach dieser Einordnung kein höherer GdB ergibt. Erst bei erheblicher Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes liegt nach den AHP der GdB-Rahmen bei 40 – 50.
Die Beteiligten streiten über die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB).
Der 1953 geborene Kläger beantragte am 22. Juni 2000 die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft aufgrund eines Krebsgeschwulstes im Dickdarm. Der Beklagte zog daraufhin einen Befundbericht der Hausärztin Dr. B. vom 14. November 2000 bei, welche über eine Rektumresektion im September 2000 und eine erheblich reduzierte Belastbarkeit berichte.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2001 stellte der Beklagte einen GdB von 80 fest. Die Gültigkeit des auszustellenden Ausweises wurde bis Mai 2006 befristet. Als Behinderung wurde eine Enddarmerkrankung berücksichtigt, bei welcher zunächst die weitere Stabilisierung abzuwarten sei (Heilungsbewährung). Es erfolgte ein Hinweis, dass im Anschluss an die Heilungsbewährung der GdB ausschließlich nach den noch verbliebenen Funktionsbeeinträchtigungen zu bemessen sei.
Mit Befundbericht vom 10. Oktober 2005 teilte die behandelnde Internistin Dr. Br. mit, dass klinisch und paraklinisch im April 2005 kein Anhalt für ein Rezidiv der Erkrankung bestanden habe, es bestehe eine intermittierende Stuhlinkontinenz, hinsichtlich der Sekundärschäden nach Therapie erfolge eine Verlaufskontrolle. Laut Arztbrief an die Hausärztin vom 21. April 2005 habe ein Zustand nach ultratiefer, intrasphintärer Rectumresektion mit koloanaler Anastomose, Zustand nach adjuvanter Chemotherapie bis 02/01 und Rückverlagerung Anus praeter 03/01 bestanden. Das subjektive Befinden sei gut, Gewichtszunahme von 2 kg. Der Eisen- und Vitaminspiegel sei normwertig. Sonographisch sei eine Leberzyste beschrieben.
Mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 5. November 2005 bewertete Dr. G. die Afterschließmuskelschwäche und den Enddarmverlust mit einem GdB von 30. Die ebenfalls berichtete Leberzyste stelle keine Behinderung dar.
Am 16. November 2005 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Neufeststellung des GdB auf 30 an.
Der Kläger teilte daraufhin am 4. Dezember 2005 mit, dass es sich bei ihm nicht nur um eine leichte Beeinträchtigung handele, nach eingenommener Mahlzeit könne er sich nicht mehr aus der Nähe einer Toilette entfernen. Weder der Zeitpunkt noch die Dauer der Stuhlentleerung könnten von ihm beeinflusst werden. Man müsse daher von einer fast fehlenden Funktion des Schließmuskels sprechen. Es habe bei der Operation eine Naht im Schließmuskel gelegt werden müssen. Außerdem sei der Dünndarm beschädigt. Er könne nur abends eine Mahlzeit zu sich nehmen und müsse sich anschließend in der Wohnung aufhalten. Würde er mehrere Mahlzeiten am Tag einnehmen, könnte er die Wohnung gar nicht mehr verlassen. Des Weiteren könne er nur wenige Lebensmittel zu sich nehmen, nur so sei es ihm möglich, die Stuhlentleerungen auf ca. zweimal pro Nacht für 30 bis 50 min zu beschränken. Außerdem müsse er zur ausreichenden Reinigung jeweils duschen. So gesehen hätten sich kaum Verbesserungen seit der Zeit nach der Operation ergeben. Nur aufgrund des beschriebenen Lebensrhythmus könne er seiner Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter nachgehen bzw. tagsüber am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.
Mit daraufhin eingeholtem weiterem Befundbericht vom 14. Dezember 2005 teilte Frau Dr. Br. mit, dass der Kläger vordergründig lediglich angegeben habe, dass er noch ab und an „Probleme“ mit dem Stuhlgang habe, über eine Funktionsstörung in dem Sinne habe er ihr nicht berichtet. Die Coloskopie sei bis auf eine diskrete Rötung unauffällig gewesen.
Nach versorgungsärztlicher Stellungnahme von Dr. W. dahingehend, dass die vom Kläger geltend gemachten schweren Stuhlgangsprobleme ärztlicherseits nicht bestätigt werden würden, hob der Beklagte mit Bescheid vom 20. Juni 2006 den Bescheid vom 30. Januar 2001 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) insoweit auf, als nunmehr ein Grad der Behinderung von 30 festzustellen sei. Als Behinderungen wurden die Afterschließmuskelschwäche und der Enddarmverlust berücksichtigt. Die mitgeteilten Stuhlgangsprobleme seien nicht nachgewiesen worden. Die Leberzyste könne nicht als Behinderung mit einem GdB von mindestens 10 anerkannt werden.
In seinem Widerspruch vom 17. Juli 2006 verwies der Kläger erneut auf seine Stuhlgangsprobleme und fügte ein Schreiben seiner Hausärztin Dr. B. vom 6. Juli 2006 bei, in welchem diese einen BMI von 19,7 bestätigte und mitteilte, dass der Kläger nur bestimmte Nahrungsmittel zu sich nehmen könne. Die einzige Hauptmahlzeit sei abends, da nach dem Essen ein Stuhlgang vorhanden sei und mehrfach dünne Stühle abgesetzt werden müssten. Hierdurch komme es auch zu Beeinträchtigungen der Nachtruhe.
Nach erneuter versorgungsärztlicher Stellungnahme von Dr. K. erließ der Beklagte einen Teilabhilfebescheid vom 16. November 2006 und stellte unter zusätzlicher Berücksichtigung der Stuhlgangsprobleme einen GdB von 40 fest.
Der Kläger hielt seinen Widerspruch aufrecht. Mit erneutem Befundbericht vom 5. Dezember 2006 berichtete Frau Dr. Br. von der letzten Vorstellung des Klägers am 27. Oktober 2006. Hier habe der Kläger lediglich über eine Milchunverträglichkeit mit rezidivierenden Durchfällen berichtet. Ein proktologischer Befund liege ihr aktuell nicht vor. Im beigefügtem Arztbrief berichtete sie über ein insgesamt gutes Befinden des Klägers, nach wie vor bestünde eine Fixierung auf die gastroentrologische Symptomatik, im klinisch-internistischen Status bestünden jedoch reizlose abdominelle Narben, fehlender Druckschmerz, keine pathologischen Resistenzen und lebhafte Peristaltik. Aufgrund des persistierenden Mangels von Vitamin B 12 sei eine parenterale Substitution erfolgt.
Nach weiterer versorgungsärztlicher Stellungnahme von Dr. H. wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2007 zurück. Seit der Operation seien inzwischen über 5 Jahre vergangen, ohne dass ein Rückfall eingetreten sei. Der GdB sei deshalb wegen der Heilungsbewährung unter Berücksichtigung der vorhandenen Leistungs- bzw. Funktionseinbußen neu festzustellen. Die bestehende Afterschließmuskelschwäche sei bei der geklagten Beschwerdesymptomatik mit einem GdB von 40 bewertet worden. Erst ein vollständiger Funktionsverlust des Afterschließmuskels begründe einen GdB von 50. Dr. Br. habe jedoch lediglich über eine Milchunverträglichkeit mit rezidivierenden Durchfällen berichtet. Ein höherer GdB als 40 lasse sich daher nicht begründen.
Am 6. Februar 2007 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Rostock. Aufgrund des um ca. 30 cm verkürzten Dünndarms und des Verlustes des Enddarms sei das Verdauungssystem des Klägers erheblich gestört. Die Funktion des Afterschließmuskels sei fast vollständig aufgehoben. Der Stuhlgang sei nicht mehr zu kontrollieren. Die Funktionsbeeinträchtigungen seien nach wie vor vorhanden, so dass es zu keiner wesentlichen Änderungen der Verhältnisse im Vergleich zum Erlass des Erstbescheides gekommen sei. Der Beklagte habe weder den erheblich verminderten Kräfte- und Ernährungszustand des Klägers noch die Notwendigkeit einer besonderen Kost berücksichtigt. Der Kläger nehme nur einmal am Tag Nahrung zu sich. Der Kläger sei vergleichbar mit einer Person, die an einer Morbus-Crohn-Erkrankung im Sinne der Nr. 26.10 der GdB-Tabelle der Anhaltspunkte (AHP) erkrankt sei, welche mit einem GdB zwischen 50 und 60 zu bewerten sei. Auch die chronische Darmstörung mit erheblicher Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes sei bereits mit einem GdB von 40 bis 50 zu bewerten. Der Funktionsverlust des Afterschließmuskels entspreche einem GdB von wenigstens 50. Der Kläger erhalte eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und sei auch in seiner Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erheblich beeinträchtigt, da er sich stets in der Nähe einer Toilette aufhalten müsse.
Der Kläger hat beantragt,
bei ihm unter Abänderung des Bescheides vom 20. Juni 2006 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 16. November 2006 wiederum in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2007 festzustellen, dass der Kläger zum Personenkreis der Schwerbehinderten gehört und der Grad der Behinderung mindestens 50 v. H. beträgt.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat zur weiteren Sachverhaltsaufklärung einen Befundbericht von Dr. B. vom 14. August 2008 eingeholt, welche über ständige wässrige Durchfälle nach dem Essen und Stuhldrang berichtet hat, weshalb der Kläger nur einmal abends eine Mahlzeit zu sich nehme, wenn er die Wohnung nicht mehr verlasse. Es bestehe eine Unverträglichkeit vieler Nahrungsmittel, spezielle Kost sei erforderlich, einmal im Monat erfolge eine Substitution von Vitamin B 12 mittels Injektion, darüber hinaus eine medikamentöse Dauertherapie mit Folsäure und Loperamid. Der Kläger sei untergewichtig mit einem BMI von 19,7. Er habe Ängste vor einem Rezidiv. Des Weiteren hat die Internistin Dr. Br. am 8. September 2008 von einer intermittierenden, zum Teil nahrungsmittelabhängigen Diarrhoe, die jedoch seit Ernährungsumstellung deutlich zurückgegangen sei, berichtet. Loperamid werde nur noch bei Bedarf benötigt. Ihres Erachtens bestehe zusätzlich eine mangelnde Krankheitsverarbeitung mit Fixierung auf das Stuhlgangsproblem. Dr. St. hat über einen Coloskopiebefund am 02. September 2005 berichtet, es habe eine perianale Rötung bestanden und eine rektal digital narbig verzogene Anastomoseregion, zusammenfassend habe ein unauffälliger p.o. Befund bestanden. Laut Klinikbericht der Universitätsklinik für Innere Medizin Abt. Onkologie über die Behandlung am 09. Mai 2003 hat sich der Kläger in gutem Allgemeinzustand befunden und gutem Appetit, aktuell sei der Kläger beruflich stark belastet gewesen, der Stuhlgang sei regelmäßig, ungefähr zweimal pro Tag, die Stuhlkonsistenz von normal bis breiig, die Nahrungsaufnahme erfolge nur abends, um den Stuhldrang tagsüber zu vermeiden, der Kläger habe immer noch über frequente Stuhlgänge nach den Mahlzeiten geklagt vermutlich als Folge der Operation.
Mit daraufhin eingereichter versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 05. März 2009 hat Dr. P. auf den fachärztlich mitgeteilten in Frequenz und Konsistenz regelrechten Stuhlgang bei gutem Allgemein- und Ernährungszustand verwiesen, während nicht nachvollziehbar zeitgleich aus hausärztlicher Sicht ständig wässrige Durchfälle vorlägen. Eine tastbare Narbenplatte im Anastomosenbereich und mangelnde Krankheitsbewältigung mit Fixierung auf den Stuhlgang seien bereits mitberücksichtigt. Ein Funktionsverlust des Afterschließmuskels liege nicht vor.
Mit Urteil vom 26. Juni 2009 hat das Sozialgericht unter Klageabweisung im Übrigen die Bescheide des Beklagten zum Teil aufgehoben und einen Grad der Behinderung von 50 festgestellt. Die zweifelhafte Befundlage für den Zeitraum der Verwaltungsentscheidungen gehe zu Lasten des Beklagten. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen würden die Befunde jedenfalls weit überwiegend dafür sprechen, dass der Kläger in den Jahren 2006 und 2007 bei einer Gesamtschau dem Bild eines schwerbehinderten Menschen entsprochen habe. Zu berücksichtigen sei dabei auch die mangelnde Krankheitsverarbeitung. Der Kläger sei ähnlich beeinträchtigt, wie eine Person, bei der der Afterschließmuskel versage.
Gegen dieses am 5. Oktober 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 30. Oktober 2009 eingereichte Berufung des Beklagten, mit welcher dieser sein Klageabweisungsbegehren fortsetzt. Ausschlaggebend für die Absenkung des GdB sei die Einschätzung von Dr. Br. gewesen, dass der Kläger lediglich noch ab und an Probleme mit dem Stuhlgang habe und die Coloskospie bis auf eine diskrete Rötung unauffällig gewesen sei. Auch aufgrund der vom Sozialgericht eingeholten Befundberichte ließe sich ein höherer GdB als 40 nicht begründen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 26. Juni 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Sozialgericht sei zuzustimmen, wenn es annehme, dass der Kläger ähnlich beeinträchtigt sei, wie eine Person, bei der der Afterschließmuskel gänzlich versage. Die Feststellung des GdB von 50 begründe sich in dem vollständigen Verlust des Enddarms sowie in dem um 30 cm verkürzten Dünndarm. Dadurch sei das Verdauungssystem des Klägers erheblich beeinträchtigt. Der Kläger leide infolge der Nahrungsmittelunverträglichkeit und der Durchfälle unter erheblichem Untergewicht. Der Vitamin B 12 Mangel werde durch Substitution ausgeglichen. Die Darmentleerung in der Nacht führe zu nachhaltigen Schlafstörungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz sowie die von dem Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
Die nach den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.
Der Beklagte hat zutreffend aufgrund einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse den GdB von 80 auf 40 abgesenkt, weil von der überstandenen Krebserkrankung des Darms keine Nachwirkungen mehr ausgehen, die zu einer höheren Bemessung des GdB führen, so dass das zum Teil stattgebende Urteil des Sozialgerichts Rostock aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen ist.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides vom 20. Juni 2006 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 16. November 2006 sowie des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2007 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist.
Bei Feststellungsbescheiden nach § 69 Abs. 1 SGB IX handelt es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung. Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung (oder Verschlechterung) der Behinderung eine Herabsetzung (oder Erhöhung) des GdB um wenigstens 10 ergibt. Handelt es sich bei den anerkannten Behinderungen um solche, bei denen – wie dies bei Krebserkrankungen der Fall ist – der GdB wegen der Art der Erkrankung höher festgesetzt worden ist, als es die tatsächlichen Funktionseinschränkungen erfordern, liegt eine Änderung der Verhältnisse im Sinn des § 48 SGB X auch dann vor, wenn bei der der Festsetzung des GdB zugrunde liegenden Erkrankung die Zeit der sogenannten Heilungsbewährung abgelaufen, d. h. ein rückfallfreier Ablauf von fünf Jahren eingetreten ist (vgl. BSG, Urteil vom 09.08.1995, Az.: 9 RVs 14/94; BayLSG, Urteil vom 27.10.2011, Az.: L 15 SB 83/10).
Nicht mehr maßgeblich ist damit der GdB, wie er ursprünglich mit Bescheid vom 30. Januar 2001 für die Enddarmerkrankung in Heilungsbewährung angesetzt worden ist. Denn damals waren die Folgen einer akut aufgetretenen Krebserkrankung zu bewerten, jetzt hingegen ist der Zustand nach Ablauf der Heilungsbewährung die Grundlage für die Bemessung des GdB. Bei Gesundheitsstörungen, die zu Rezidiven neigen, ergibt sich aufgrund der Notwendigkeit des Abwartens einer Heilungsbewährung gegenüber den Beeinträchtigungen, die von dem Organverlust selbst ausgehen, eine andere Konstellation, weshalb während der Zeit des Abwartens einer Heilungsbewährung ein höherer GdB gerechtfertigt ist, als er sich aus dem festgestellten Organ- oder Gliedmaßenschaden allein unter funktionellen Gesichtspunkten ergeben würde (vgl. Nr. 26.1 Abs. 3 AHP bzw. Teil B Nr. 1 Buchst. c VersMedV). Der Begriff der Heilungsbewährung beschreibt nicht nur, dass nach Ablauf der Bewährungszeit keine erhebliche Rezidivgefahr mehr besteht. Die Heilungsbewährung erfasst daneben auch die vielfältigen Auswirkungen, die mit der Feststellung, Beseitigung und Nachbehandlung eines Tumors in allen Lebensbereichen verbunden sind. Dies lässt es zu, bei Krebserkrankungen nicht nur den Organverlust zu bewerten, sondern unter Berücksichtigung der Krebserkrankung als solcher einen GdB von mindestens 50 anzunehmen und Krebskranken damit unterschiedslos zunächst den Schwerbehindertenstatus zuzubilligen. Diese umfassende Berücksichtigung körperlicher und seelischer Auswirkungen der Erkrankung hat andererseits zur Folge, dass der GdB auf einen den tatsächlichen funktionellen Beeinträchtigungen entsprechenden GdB herabzusetzen ist, wenn die Krebskrankheit nach rückfallfreiem Ablauf der Heilungsbewährungszeit von regelmäßig fünf Jahren aufgrund medizinischer Erfahrungen mit hoher Wahrscheinlichkeit überwunden ist und außer der unmittelbaren Lebensbedrohung damit auch die vielfältigen Auswirkungen der Krankheit auf die gesamte Lebensführung entfallen sind (BSG, Urteil vom 09.08.1995, Az.: 9 RVs 14/94).
Der Gesundheitszustand des Klägers hat sich im Vergleich zu den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 30. Januar 2001 zugrunde gelegen haben, durch den rezidivfreien Ablauf der Zeit der Heilungsbewährung von fünf Jahren wesentlich geändert. Dies begründet vorliegend die Herabsetzung des GdB auf 40.
Rechtsgrundlage für die Feststellung des GdB ist vorliegend § 69 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit den zur Zeit der Verwaltungsentscheidung maßgeblichen Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP).
Bei dem Kläger liegen wie vom Beklagten festgestellt eine Afterschließmuskelschwäche, ein Enddarmverlust und Stuhlgangsprobleme vor. Dabei handelt es sich um eine einheitliche gesundheitliche Funktionsbeeinträchtigung, so dass kein Gesamt-GdB aus Einzel-GdB zu bilden ist, vielmehr ist die Darmerkrankung einheitlich in ihrer gesamten Auswirkung zu berücksichtigen.
Eine Afterschließmuskelschwäche verbunden mit seltenem unwillkürlichen Stuhlabgang wird mit einem GdB von 10 bewertet, sonstige Afterschließmuskelschwächen mit einem GdB von 20 – 40 (Nr. 26.10 AHP bzw. jetzt Teil B Nr. 10.2.4 VersMedV). Die Feststellung eines GdB von 40 liegt damit am obersten Rand des für eine Afterschließmuskelschwäche zur Verfügung stehenden Rahmens und begründet sich durch die vom Kläger geltend gemachten erheblichen Stuhlgangsprobleme. Erst ein vollständiger Funktionsverlust des Afterschließmuskels würde einen GdB von wenigstens 50 begründen. Ein solcher vollständiger Funktionsverlust liegt beim Kläger jedoch nicht vor.
Auch chronische Darmstörungen (irritabler Darm, Divertikulose, Divertikulitis, Darmteilresektion) mit stärkeren und häufig rezidivierenden oder anhaltenden Symptomen (z.B. Durchfälle, Spasmen) werden gemäß Nr. 26.10 AHP (bzw. jetzt Teil B Nr. 10.2.2 VersMedV) mit einem GdB von 20 – 30 bewertet, so dass sich auch nach dieser Einordnung kein höherer GdB ergibt. Erst bei erheblicher Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes liegt nach den AHP der GdB-Rahmen bei 40 – 50. Eine höhere Einstufung als 40 schließt sich damit aus. Bereits im Mai 2003 befand sich der Kläger entsprechend dem Bericht der Universitätsklinik wieder in einem guten Allgemeinzustand mit regelmäßigem Stuhlgang zweimal pro Tag und normaler bis breiiger Stuhlkonsistenz. Bei einem BMI von 19,7 liegt auch keine erhebliche Minderung des Ernährungszustandes vor. Laut WHO-Klassifikation liegt der Bereich des Normalgewichts bei jungen Erwachsenen bei einem BMI von 18,5 bis unter 25. Auch wenn in hohem Lebensalter zunehmende BMI-Grenzwerte gelten und im Alter bereits BMI-Werte unter 20 kg/m² als Untergewicht zu werten sind (siehe Pschyrembel Klinisches Wörterbuch 2014, 265. Aufl., S. 308), liegt das Gewicht des Klägers allenfalls im leicht untergewichtigen Bereich und ist keinesfalls als erhebliche Minderung des Ernährungszustandes einzuordnen. Eine erhebliche Minderung des Kräftezustandes ist ebenfalls nicht ersichtlich, dagegen spricht bereits die berufliche Einbindung des Klägers als Außendienstmitarbeiter in Teilzeit. Jedenfalls rechtfertigt sich keine Feststellung eines GdB von über 40, d.h. an der oberen Grenze der chronischen Darmstörungen.
Eine außergewöhnliche seelische Begleiterscheinung, die einen höheren GdB rechtfertigen würde, ist entgegen der Annahme des Sozialgerichts nicht festzustellen. Weder die von Dr. B. mitgeteilten Ängste vor einem Rezidiv noch die von Dr. Br. mitgeteilte mangelnde Krankheitsverarbeitung mit Fixierung auf das Stuhlgangsproblem haben eine spezielle ärztliche Behandlung – z.B. Psychotherapie – erforderlich gemacht, so dass eine zusätzliche gesonderte Berücksichtung gemäß Nr. 18.8 AHP (bzw. jetzt Teil A Nr. 2 i VersMedV) nicht angezeigt ist. Die beim Kläger vorliegenden seelischen Begleiterscheinungen sind vielmehr im Rahmen des GdB von 40 bei der Bewertung der Afterschließmuskelschwäche, dem Enddarmverlust und den Stuhlgangsproblemen bereits berücksichtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Revisionszulassung gemäß § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.