GdB Hirnschaden

Bei der Bewertung von Hirnschäden nach der VersMedV (Anlage Teil B Nr. 3.1) ist hinsichtlich der verbliebenen einzelnen Leistungsbeeinträchtigungen eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Eine isolierte Bewertung der verbliebenen Funktionsbeeinträchtigungen würde deren Auswirkungen auf den köperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Bereich nur unzureichend erfassen, weil einzelne Leistungsbeeinträchtigungen nicht GdB-relevant sein könnten.


Landessozialgericht Baden-Württemberg 6. Senat
15.09.2022
L 6 SB 3312/20
Juris



Leitsatz

Bei der Bewertung von Hirnschäden nach der VersMedV (Anlage Teil B Nr. 3.1) ist hinsichtlich der verbliebenen einzelnen Leistungsbeeinträchtigungen eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Eine isolierte Bewertung der verbliebenen Funktionsbeeinträchtigungen würde deren Auswirkungen auf den köperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Bereich nur unzureichend erfassen, weil einzelne Leistungsbeeinträchtigungen nicht GdB-relevant sein könnten.


Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erstfeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mindestens 50 seit dem 26. November 2016.

Er ist 1988 geboren. Nach dem Abitur hat er Betriebswirtschaft wie Finanzmanagement studiert und ist seit 2008 bei der U-Bank beschäftigt, dort zwischenzeitlich in der Firmenkundenberatung. Er ist ledig, kinderlos und wohnt mit seiner Lebensgefährtin zusammen. In seiner Freizeit geht er langsam laufen und fährt Fahrrad (vgl. Sachverständigengutachten des B und des K).

Am 20. März 2017 beantragte der Kläger beim Landratsamt B1 (LRA) die Erstfeststellung des GdB. Als hierbei zu berücksichtigende Gesundheitsstörungen und den hieraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen gab er ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) an, wegen dem er unter einem Verlust des Geruchs- und Geschmacksinns und einer motorischen Störung der rechten Körperhälfte leide; infolge einer Gangstörung wie Schwindel sei eine Begleitperson erforderlich.

Aus dem zur Vorlage gekommenen Bericht der Oklinik über die stationäre Behandlung des Klägers vom 26. November bis zum 7. Dezember 2016 ergab sich, dass dieser am Aufnahmetag unbehelmt vom Pferd auf Asphalt gestürzt sei und sich infolge dessen ein SHT mit traumatischer Subarachnoidalblutung (SAB) rechtsparietal, Kontusionsblutung subkortikal rechts fronto-temporal, Kontusionsödem links frontal, akutem Subduralhämatom rechts fronto-lateral und Kalottenfraktur frontal nach parietal zugezogen habe. Als Therapie sei eine osteoklastische Dekompressionskraniotomie rechts fronto-temporo-parietal und Ausräumung des Subduralhämatoms erfolgt. Im Verlauf habe sich der Kläger zunehmend orientiert bei adäquater Sprache und kräftiger Bewegung aller Extremitäten gezeigt. Bei Entlassung habe weiterhin ein schweres Psychosyndrom mit Desorientierung, Antriebsstörung und schweren Gedächtnisstörungen bestanden.

Anschließend befand sich der Kläger vom 7. bis zum 15. Dezember 2016 zur stationären Rehabilitation in den Kliniken S, Neurologisches Fach- und Rehabilitationskrankenhaus. Der diesbezügliche Entlassungsbericht nannte als Diagnosen SHT durch Sturz vom Pferd am 26. November 2016 mit Kontusionsblutungen rechts frontal und temporal, Hirnkontusion links frontal, akutem Subduralhämatom rechts temporo-parietal, osteoklastische Dekompression, Hämatomausräumung am 26. Oktober 2016, traumatische SAB rechts parietal, Kalottenfraktur rechts frontal bis parietal, organisches Psychosyndrom nach SHT, amnestisches Syndrom und Zustand nach (Z. n.) Aspirationspneumonie. Bei der Aufnahme habe noch eine allgemeine motorische Schwäche und Gangunsicherheit wie neuropsychologisch ein Frontalhirnsyndrom mit Verkennung der Krankheitssituation imponiert. Die Krankheitseinsicht habe bei erheblichen Defiziten der Merkfähigkeit, der Aufmerksamkeit, der Reaktionszeit und Perseverationen völlig gefehlt. Nach Anpassung eines Helms für die Knochenlücke habe der Kläger mobilisiert werden können und sei sicher gehfähig gewesen. Die räumliche Orientierung sei auf dem Klinikgelände schnell möglich gewesen, im Stationsalltag hätten sich immer wieder gute Gedächtnisleistungen, auch über 24 Stunden hinweg, gezeigt. Trotz verbesserter Therapiemotivation habe weiterhin keine Krankheitseinsicht bestanden, der Kläger habe nach Hause gehen wollen. Es habe eine Weglaufgefährdung mit akuter Eigengefährdung vorgelegen; er habe mit dem Auto fahren und zur Arbeit gehen wollen. Am 15. Dezember 2016 sei er von seiner Betreuerin, seiner Mutter, entgegen ärztlichem Rat abgeholt worden.

Im Rahmen des stationären Aufenthalts vom 20. Februar bis zum 1. März 2017 im B2krankenhaus U1 erfolgte eine Entlastung des subduralen Hämatoms und die Anlage einer autologen Duraplastik sowie die Implantation einer Kranioplastik. Der Kläger sei bei Entlassung zu allen Qualitäten orientiert gewesen, sämtliche Gang-, Stand- und Koordinationsprüfungen hätten sicher durchgeführt werden können. Gezeigt habe sich eine Hypästhesie aller Finger der rechten Hand, ansonsten hätten keine Paresen oder sensiblen Defizite vorgelegen.

Bei der Vorstellung am 3. März 2017 im B2krankenhaus U1 habe der Kläger berichtet, es ginge ihm gut, Probleme seien keine aufgetreten. Kosmetisch sei ein recht schönes Ergebnis mit lediglich temporo-basal etwas angeschwollenem Musculus temporalis zu verzeichnen gewesen. Eine neuerliche neurologische Störung habe sich nicht gezeigt.

Am 10. April 2017 berichtete der Kläger bei der ambulanten Untersuchung im B2krankenhaus U1, dass er zuletzt unter Kopfschmerzen gelitten habe, die sich aktuell jedoch wieder gebessert hätten. Morgens sehe er verschwommen und teilweise fielen ihm Gegenstände aus der rechten Hand. Die Gang-, Stand- und Koordinationsprüfungen hätten sicher durchgeführt werden können, ein direkter oder indirekter Hinweis auf eine Hemisymptomatik habe sich bis auf die Pelzigkeit der rechten Hand nicht ergeben. Der Verlauf sei insgesamt auch weiterhin gut gewesen.

Der B3 diagnostizierte am 22. Mai 2017 einen Z. n. nach schwerem Reitunfall am 26. November 2016 mit Schädelfraktur und SHT Grad III, eine persistierende Geruchs- und Geschmacksstörung sowie Hemihypästhesie rechts. Daneben habe eine gebesserte Hörstörung vorgelegen.

S1, berichtete dem LRA am 26. Juni 2017, dass der Kläger sich aktuell in einem stationären Aufenthalt im B2krankenhaus U1 wegen einer Liquorzirkulationsstörung befinde, eine weitere Operation sei geplant. Seit dem Reitunfall sei er körperlich sowie psychisch vermindert belastbar und immer noch arbeitsunfähig. Er leide unter einer dauerhaften und vollständigen Anosmie, die Hörstörung habe sich gebessert. Gelegentlich bestünden Kopfschmerzen, ebenso ein Druckgefühl im Bereich der Deckelung.

Aus dem Bericht über den stationären Aufenthalt vom 28. bis zum 29. Juni 2017 ergab sich, dass der Kläger von der letzten Operation gut profitiert habe. Er habe von rezidivierenden Schwellungen über der Schädeldachplastik, insbesondere morgens, berichtet, die nach einigen Minuten in aufrechter Position wieder verschwänden. Die deshalb am 29. Juni 2017 erfolgte Kernspintomographie habe einen regelrechten postoperativen Befund gezeigt. Der Kläger sei wach und allseits orientiert gewesen, sensomotorische Defizite hätten nicht vorgelegen.

Versorgungsärztlich bewertete E eine Hirnschädigung mit einem Einzel-GdB von 30, der dem Gesamt-GdB entsprach. Befunde, wonach die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs „B“ (Berechtigung für eine ständige Begleitung) gegeben seien, lägen nicht vor.

Das LRA stellte daraufhin durch Bescheid vom 11. August 2017 einen GdB von 30 seit dem 26. November 2016 fest. Die Schwerbehinderteneigenschaft liege demnach nicht vor. Auch bestehe keine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommenssteuergesetz (EStG). Ebenso könnten mangels des Vorliegens der Schwerbehinderteneigenschaft gesundheitliche Merkmale als Voraussetzung der Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen nicht festgestellt werden.

Der Kläger erhob Widerspruch, zu dessen Begründung er geltend machte, dass das LRA bei der Feststellung des GdB nicht die bei ihm bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen angemessen berücksichtigt habe. Seine neue Schädeldecke, das Implantat, stehe teilweise hervor, insbesondere morgens nach dem Aufstehen und beim Bücken wie auch bei Anstrengung und Stress. Auf dem rechten Auge sehe er nach dem Aufstehen in der Regel für ein bis zwei Stunden verschwommen und die Farben deutlich abgeschwächt, eine augenärztliche Untersuchung habe darüber hinaus eine Einschränkung des räumlichen Sehens ergeben. Am Hirnschädel bestehe eine Schädelnarbe mit erheblichem Verlust von Knochenmasse. Zusätzlich leide er unter starkem Schwitzen auch ohne Leistungsanstrengung, an einer Anosmie und erheblicher Einschränkung des Geschmacksinns. Die Luft- und Sauerstoffaufnahme durch die Nase sei bis auf weniger als ein Drittel eingeschränkt, eine diesbezügliche Operation sei wegen der Hirnverletzung derzeit jedoch nicht möglich. Es bestünden Ausfälle auf der rechten Seite wie Wegfall bzw. Verkrampfen der rechten Hand, Einschränkung des Fußes, Einschlafen der rechten Seite nach kurzem Hochlegen und deutliche Sensibilitätsunterschiede im Vergleich zur linken Seite. Darüber hinaus leide er unter erheblichen Schlafstörungen (maximal drei bis vier Stunden Schlaf pro Nacht), unter Gleichgewichtsstörungen und erheblichen Kopfschmerzen.

Z legte versorgungsärztlich dar, dass eine Abhilfe nicht möglich sei. Auch nach erneuter Aktendurchsicht sei die bekannte Hirnschädigung nach schwerem SHT durch Pferdesturz mit osteoklastischer Kraniotomie und Deckung des knöchernen Defekts bereits ausreichend gewürdigt. Die Anosmie und die Narbenbildung seien berücksichtigt. Nach den Berichten des B2krankenhaus U1 seien wesentliche sensomotorische Defizite nicht eruierbar, auch bestehe ein recht schönes kosmetisches Ergebnis ohne wesentliche Entstellung. Das Gangbild sei sicher, dauerhafte Paresen lägen nicht vor.

Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 10. November 2017 zurück. Die Auswertung der zuletzt zur Vorlage gekommenen Unterlage habe ergeben, dass die beim Kläger vorliegenden Behinderungen in vollem Umfang erfasst und mit einem GdB von 30 angemessen bewertet seien. Der Beklagte stützte sich insofern auf die Ausführungen des Z.

Am 15. November 2017 hat der Kläger beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben, mit der er die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von mindestens 50 verfolgt hat. Er hat neben bereits aktenkundigen weitere medizinische Unterlagen vorgelegt:

Der M, B2krankenhaus U1, hat in seinem Bericht vom 14. Dezember 2017 zur Vorlage bei der A Versicherungs-AG ausgeführt, der Kläger werde infolge des Sturzes vom Pferd dauerhaft am Kopf/Gehirn sowie am rechten Arm und Bein beeinträchtigt sein. Als Diagnosen hat er ein schweres SHT mit sensomotorischer und vegetativer Residualstörung, führend eine Feinmotorikstörung der rechten Hand, eine Hypästhesie des rechten Arms und Beins, eine Riechstörung, eine intermittierend Hyperhidrosis bifrontal sowie Ein- und Durchschlafstörungen gestellt.

Aus dem Bericht des M über die ambulante Untersuchung des Klägers am 5. Dezember 2017 haben sich die vorgenannten Diagnosen ergeben. Der Kläger habe die Beschwerden, die er auch zur Begründung des Widerspruchs geltend gemacht habe, geschildert. Unter einer Tagesmüdigkeit leide er nicht. Seine berufliche Wiedereingliederung sei im Juli 2017 erfolgreich verlaufen, seit August 2017 sei er wieder in Vollzeit beschäftigt, die reale Arbeitszeit betrage zwischen 45 bis 50 Stunden wöchentlich, was er insgesamt gut toleriere; die Arbeit bereite ihm Freude. Im klinisch-neurologischen und psychiatrischen Befund sei der Kläger kognitiv unauffällig gewesen, subjektiv habe er eine Hypästhesie des rechten Arms bis zur Höhe der Schulter und des rechten Beins bis zur Höhe des Oberschenkels ohne Dermatombezug angegeben.

H, W-Kliniken, hat nach der Vorstellung des Klägers am 22. Dezember 2016 berichtet, dass dieser weitestgehend ein normales Leben führen könne, von sehr hohen körperlichen oder auch kognitiven Beanspruchungen sei abzuraten. Ein anspruchsvolles Buch zu lesen oder sich einer komplexeren Aufgabe zu widmen, sei sicherlich sinnvoll.

Aus dem HNO-ärztlichen Bericht des T, B2krankenhaus U1, über die ambulante Untersuchung des Klägers am 24. April 2017 haben sich die Diagnosen Z. n. SHT und Anosmie ergeben. Aufgrund des Traumas sei von einer strukturellen Schädigung des Riechnervs auszugehen, eine Prognose auf Verbesserung bestehe nicht. In der Funktionsdiagnostik habe sich ein nasaler Flow von 31 % des Normalwertes gezeigt, über eine subjektive Nasenatmungsbehinderung habe der Kläger nicht berichtet.

Der Beklagte hat die versorgungsärztliche Stellungnahme des G vorgelegt, wonach bei der derzeitigen von M berichteten Befundlage – keine relevante kognitive Beeinträchtigung, diskrete Feinmotorikstörung der rechten Hand, Verlust des Riechvermögens mit Geschmacksstörung und Sensibilitätsstörungen am rechten Arm und Bein – von einem Hirnschaden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung (Einzel-GdB 30) auszugehen sei. Eine deutliche Reduktion des nasalen Flows ohne subjektive Nasenatmungsbehinderung bedinge keinen höheren Einzel-GdB als 10.

Das SG hat sodann die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt:

M hat berichtet, den Kläger dreimalig im Jahr 2017 behandelt zu haben. Als Diagnosen hat er diejenigen mitgeteilt, die sich bereits aus seinen zur Vorlage gekommenen Berichten ergeben hatten. Die Bewertung der Hirnschädigung mit einem GdB von 30 sei nachvollziehbar, wenn auch streng, denn selbst wenn keine hirnorganischen Funktionsstörungen und Leistungsbeeinträchtigungen mehr vorlägen, sei der GdB nach offenen Hirnverletzungen nicht mit unter 30 zu bewerten. Berücksichtigt werden sollte, dass die ambulanten Vorstellungen des Klägers wesentlich von dessen Motivation getragen gewesen seien, baldmöglichst seiner beruflichen Tätigkeit wieder nachgehen zu können, so dass diesem eine gewisse Tendenz zur Dissimulation zu unterstellen sei. Die residualen zentralvegitativen Störungen als Ausdruck eines Hirndauerschadens in Form von deutlichen Schlafstörungen und Störung der Schweißregulation könnten als mittelgradig gewertet werden, womit ein GdB von 40 gerechtfertigt wäre. Erhebliche Auswirkungen auf den Allgemeinzustand seien nicht zu erkennen ebenso keine psychischen Störungen, die sich im Alltag deutlich auswirkten, sodass ein GdB von 50 oder mehr als unangemessen hoch erscheine. Möglicherweise seien die berichteten Auffälligkeiten des rechten Arms mit Verkrampfungen und unwillkürlichem Fallenlassen von Dingen Ausdruck epileptiformer-fokaler Anfälle. Solche hätten zwar in den wiederholten EEG-Untersuchungen nicht belegt werden können, deren Nichtnachweis schließe diese jedoch nicht sicher aus. Bei der hypothetischen Annahme von einfach-fokalen Anfällen wäre der GdB mit 50 bis 60 zu bewerten. Aufgrund des fehlenden Nachweises epileptischer Anfälle flössen diese jedoch nicht in den GdB ein. Für die anzunehmende einzelne Feinmotorikstörung geringer Ausprägung erscheine vielmehr der hierfür vorgesehene unterste Anhaltswert (GdB von 30) als angemessen. Der Verlust des Reichvermögens mit damit verbundener Beeinträchtigung der Geschmackswahrnehmung führe zu einem GdB von 15. Für alle anzunehmenden Funktionsbeeinträchtigungen erscheine es damit angebracht, den Gesamt-GdB mit 40 zu bewerten. Dies entspreche dem oberen Anhaltswert für Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung, ein GdB von 30 sei bereits ohne erkennbare Funktionsstörungen nach einem schweren SHT gerechtfertigt, für einen GdB von 50 oder höher fehle der hinreichende Beleg der Erheblichkeit und Deutlichkeit der Auswirkungen der Hirnschädigung.

Aus der sachverständigen Zeugenaussage des S1 hat sich die regelmäßige hausärztliche Behandlung des Klägers seit September 2012, zuletzt am 12. März 2018, ergeben. Dieser leide unter einem SHT nach Reitunfall im November 2016, einer Anosmie, einer Ageusie, einem verschwommenen Sehen auf dem rechten Auge, einem abgeschwächten Farbsehen und Einschränkung des räumlichen Sehens, einer Schwerhörigkeit rechts, einer deutlich behinderten Nasenatmung, einem plötzlichen starken Schwitzen ohne erkennbaren Grund, einer Schlafstörung, zeitweisen Gleichgewichtsstörungen, wechselnden Kopfschmerzen, teilweisen Ausfällen beim Schreiben und Sprechen, einem teilweise hervorstehenden Schädeldeckenimplantat, vor allem morgens, einer Schuppenflechte am ganzen Körper, laut Hautärztin sei ein Triggereffekt aufgrund des Unfalls möglich, einer motorischen Störung der rechten Körperhälfte (z. B. Fallenlassen von Dingen, Muskelverkrampfungen, Einschlafen von Extremitäten), unklaren Schmerzen in den Hand- und Fußgelenken, brennenden Fußsohlen und einem deutlichen Unterschied der Sensibilität zwischen der rechten und linken Köperhälfte. Die immer noch vorliegenden komplexen Funktionsstörungen behinderten den Kläger in seinem Alltag und seinem Beruf sehr. Der anerkannte GdB von 30 sei zu niedrig, eine Beurteilung sollte jedoch durch einen Facharzt für Neurologie und/oder Neurochirurgie erfolgen.

Neben bereits aktenkundigen medizinischen Unterlagen hat S1 seiner sachverständigen Zeugenaussage den Bericht des Klinikums der Universität M1, Neurochirurgische Klinik und Poliklink, über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 26. bis zum 28. Februar 2018 vorgelegt. Am 27. Februar 2018 sei eine Refixierung der Custom-Bone-Kranioplastik mittels eine Kraniofixniete rechts hochfrontal und rechts parietal erfolgt. Bei der Voruntersuchung am 2. Februar 2018 habe sich im Tastbefund keine Auffälligkeit ergeben, der Kläger habe jedoch nachhaltig beschrieben, dass lageabhängig im Bereich der Stirnregion eine tastbare Stufe auftrete, die auch von dessen Mutter wahrgenommen werde. Die am 28. Februar 2018 durchgeführte CT-Kontrolluntersuchung habe eine regelrechte Lage des implantierten Fremdmaterials gezeigt, postoperativ hätte keine weitere Beweglichkeit der Kalottenplastik bestanden.

K1, hat mitgeteilt, den Kläger mehr als zehn Mal, zuletzt am 14. Dezember 2017, behandelt zu haben. Dieser leide unter einem Hörverlust des rechten Ohres von 45 % nach der Tabelle von Röser 1980 und einem kompletten Geruchs- und Geschmacksverlust im Sinne einer Anosmie, die Geschmacksfunktion der Zunge sei erhalten. Der Hörverlust sei mit einem GdB von 10, der Geruchs- und Geschmacksverlust mit einem GdB von 15 zu bewerten, der Gesamt-GdB betrage 25.

Der Beklagte hat nach Auswertung der sachverständigen Zeugenaussagen und der zur Vorlage gekommenen medizinischen Unterlagen vergleichsweise angeboten, den GdB mit 40 ab dem 26. November 2016 festzustellen. Diesem Vergleichsangebot hat die versorgungsärztliche Stellungnahme des R zugrunde gelegen, wonach der GdB in Anbetracht der bestehenden diskreten Störung der Feinmotorik der rechten Hand, der Gefühlsstörung des rechten Arms und Beins, der Riechstörung, der intermittierenden Hyperhidrosis und den Schlafstörungen im Hinblick auf die Tatsache, dass eine offene Hirnverletzung vorgelegen habe, mit 40 zu bewerten sei. Ein GdB von 50, wie vom Kläger begehrt, sei keinesfalls vertretbar, da ein verbliebener Hirnschaden mit einer mittelschweren Leistungsbeeinträchtigung nicht vorliege. Diese Auffassung werde auch von den behandelnden Ärzten des Klägers geteilt.

Das Vergleichsangebot hat der Kläger nicht angenommen. Er leide unter einem Hirnschaden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung, der mit einem GdB von mindestens 50 zu bewerten sei. Die mittelschwere Leistungsbeeinträchtigung ergebe sich aus den Ausfällen der rechten Körperseite, die rechte Hand sei ohne Vorankündigung kraftlos und verkrampfte sich. Insgesamt sei seine rechte Körperseite deutlich eingeschränkt, es bestehe eine deutlich unterschiedliche Sensibilität zwischen der linken und rechten Körperseite. Zusätzlich leide er unter Schlafstörungen, er könne maximal drei bis vier Stunden schlafen. Darüber hinaus komme es zu Gleichgewichtsstörungen und erheblichen Kopfschmerzen. Auch die Luft-und Sauerstoffaufnahme durch die Nase sei nur noch zu weniger als einem Drittel möglich. Der Geschmacksinn sei völlig verloren gegangen. Zudem bestünden Problem auf dem rechten Auge und auch mit dem Implantat im Schädelbereich.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 12. März 2019 hat der Kläger angegeben, keine sportlichen Aktivitäten mehr ausüben zu können. Er arbeite als Banker, bei einem Kundentermin habe er beispielsweise einfach so ein Glas fallenlassen, wobei er nicht habe verorten können, ob ihm die Kraft gefehlt oder er es kognitiv nicht geschafft habe, das Glas festzuhalten. Das Schädelimplantat stehe zwischenzeitlich nur noch im Umfang einer Fingerkuppe ab.

Das SG hat daraufhin bei B der O Klinik, aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers am 27. Mai 2019 ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten erhoben. Demnach habe ein Z. n. schwerem SHT Grad III am 26. November 2016, eine traumatische SAB rechts-parietal, Kontusionsblutungen subkortikal und rechts fronto-temporal, ein Kontusionsödem, eine osteoklastische Dekompressionskraniotomie am Unfalltag, eine Anosmie, fraglich eine leichte Hörminderung rechts und ein episodischer posttraumatischer Kopfschmerz vorgelegen. Eine Trennung in Einzel-GdB erscheine nicht sinnvoll, der Gesamt-GdB betrage 30. In diesem sei auch der völlige Verlust des Riechvermögens mit einer damit verbundenen Störung der Geschmackswahrnehmung, die mit einem Einzel-GdB von 15 zu bewerten wäre, berücksichtigt. Entgegen den Ausführungen des M werde ein Gesamt-GdB von 40 nicht erreicht. Dessen diesbezügliche Begründung sei die Annahme einer zentral-vegetativen Störung als Ausdruck des Hirnschadens gewesen. Ein wiederkehrendes profuses Schwitzen bedinge aber keine wesentliche Beeinträchtigung im beruflichen oder privaten Alltag, zumindest nicht im Sinne des Schwerbehindertenrechts, so dass auch unter Berücksichtigung des Tagesablaufs des Klägers und des Gesamtbildes die Folgen des SHT keinesfalls als mittelgradig einzustufen seien. Weshalb M einfach-fokale Anfälle diskutiert habe, sei schleierhaft, bislang hätten sich hierfür keine Hinweise ergeben. K1 sei auf seinem HNO-ärztlichen Fachgebiet im Wege einer Addition der Einzel-GdB von einem Gesamt-GdB von 25 ausgegangen, was nicht den Bewertungsvorgaben entspreche. Die vom Kläger beklagten frühmorgendlichen Sehstörungen in Form eines rechtsseitigen Verschwommensehens hätten sich neurologisch nicht validieren und erklären lassen. Ein augenärztlicher Befund sei den Akten nicht zu entnehmen, gegebenenfalls sei eine sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Augenarztes einzuholen.

Der Kläger sei mit dem PKW ohne Begleitung zur gutachterlichen Untersuchung angereist; er habe keine Probleme beim Führen eines PKW berichtet. Morgens nach dem Aufstehen sehe er mit dem rechten Auge oft verschwommen, auch Farben nehme er weniger intensiv wahr. Die Symptomatik dauere etwa 30 Minuten, danach sei alles wieder normal. Sie trete jedoch auch nach körperlich schwerer Anstrengung auf und stehe nach Erachtens des Klägers möglicherweise im Zusammenhang mit der beweglichen Kopfplatte nach Kalottendefekt; die Platte sei nicht fest eingewachsen. Aus der rechten Hand fielen ihm häufiger Gegenstände, zuletzt eine Bohrmaschine, aber auch schon eine Kaffeetasse. Sein Schlaf sei schlecht, er schlafe zwar ein, wache dann aber wieder auf und könne nicht mehr einschlafen; die durchschnittliche Gesamtschlafzeit betrage dreieinhalb Stunden. Mitunter schlafe auch die rechte Körperseite ein, an dieser habe er auch ein verändertes Schmerz- und Berührungsempfinden. Seit dem Unfall leide er unter Kopfschmerzen, die sich nur in geringem Maße beeinflussen ließen. Es bestehe ein kontinuierlicher Basisschmerz, sein gesamter Kopf sei schmerzhaft, der Schmerz schlecht lokalisierbar. Alle drei bis vier Tage komme es auf der rechten Seite zu heftigen Kopfschmerzen mit einer Dauer zwischen einer und fünf bis sechs Stunden. Schmerzmittel nehme er nicht ein, er versuche die Symptomatik mit Trinken und Bewegung zu kontrollieren; Übelkeit oder Erbrechen bestünden nicht. Darüber hinaus imponiere ein profuses Schwitzen am ganzen Körper und manchmal ein leichter Schwindel. Das Riech-und Geschmacksvermögen sei vollkommen erloschen, das rechte Ohr hörgemindert, ein Hörgerät sei bereits empfohlen worden, ein solches habe er bislang aber nicht tragen wollen. Seit dem Unfall leide er auch unter einer schlechten Nasenatmung, ein operativer Eingriff sei im weiteren Verlauf geplant. Epileptische Anfälle seien bislang nicht aufgetreten. Die seit dem Unfallereignis bestehende Psoriasis vulgaris am ganzen Körper werden mit Kortisonsalbe behandelt.

Der Kläger habe im Weiteren angegeben, früher gerne Sport gemacht zu haben, das funktioniere jedoch nicht mehr ganz so gut wie früher. Das Snowboardfahren habe er zwischenzeitlich aufgegeben, langsames Joggen und Fahrradfahren seien ihm wieder möglich. Zuletzt sei er im Frühjahr 2018 mit seiner Partnerin im Urlaub in Ägypten gewesen, dieses Jahr sei ein Italienurlaub mit dem Auto geplant.

Im neurologischen Befund habe sich ein aufrechtes und flüssiges Gangbild mit normaler Schrittlänge und Gehgeschwindigkeit sowie normaler Mitbewegung der Arme gezeigt, minimal reduziert sei die Mitbewegung des rechten Arms gewesen. Bei freier Beweglichkeit des Kopfes habe über der rechten Kalotte eine tastbare Narbe nach großer Kraniotomie ohne Verschieblichkeit des Implantats bestanden. Der Visus sei unauffällig und das Gesichtsfeld fingerperimetrisch intakt bei leichtgradiger Hypästhesie im Bereich der linken Wange und gut erhaltener Schmerzwahrnehmung gewesen. Hinweise auf eine Aphasie oder Dysarthrie hätten nicht bestanden, ebenso nicht auf Paresen. Im Bereich der Extremitäten hätten sich keine Sensibilitätsstörungen feststellen lassen.

Der psychische Befund sei regelrecht gewesen. Im allgemeinen körperlichen Befund habe ein guter Allgemein- und Ernährungszustand bei ausgedehnter Psoriasis im Bereich beider Arme und kleineren Herden auch am Rücken vorgelegen.

Das in den ersten Tagen und Wochen nach dem Unfallereignis bestehende organische Psychosyndrom habe sich erfreulicherweise vollständig zurückgebildet. Der Kläger arbeite wieder als Betriebswirt im Finanzmanagement in Vollzeit. Neurologisch bestehe eine Anosmie für sämtliche aromatische Geruchsstoffe und eine sekundäre Dysgeusie (Geschmacksstörung). Herdneurologische Auffälligkeiten, eine rechtsseitige Spastik oder eine für das Schwerbehindertenrecht relevante Störung der Motorik bzw. Feinmotorik hätten nicht festgestellt werden können. Der Kläger habe sich von dem lebensbedrohlichen schwersten SHT Grad III ausgezeichnet erholt, er sei mobil, fahrtauglich und habe keine Paresen oder klinische Symptome einer zentralen Innervationsstörung gezeigt, auch feinmotorische Tätigkeiten wie Schreiben etc. bereiteten ihm keine Schwierigkeiten. Die angegebenen Kopfschmerzen führten ebenso nicht zu einer schweren alltäglichen Beeinträchtigung oder Arbeitsunfähigkeit, die regelmäßige Einnahme eines Analgetikums sei nicht notwendig. In der Gesamtbetrachtung handele es sich um eine sehr leichte Leistungsbeeinträchtigung nach einem SHT Grad III, die auch unter Berücksichtigung der Anosmie und der glaubhaften posttraumatischen Kopfschmerzen mit einem GdB von 30 zu bewerten sei. Zusätzlich sei der Kläger wieder in der Lage, in begrenztem Maße sportliche Tätigkeiten auszuüben.

Aufgrund der gutachterlichen Ausführungen des B hat der Beklagte das Vergleichsangebot nicht weiter aufrechterhalten. Ein GdB von 30 sei bereits festgestellt. Er hat sich insofern auf die entsprechende versorgungsärztliche Stellungnahme des G gestützt.

Der Kläger hat Einwände gegen das Sachverständigengutachten des B erhoben. Dieser habe diverse Angaben, die er gemacht habe, (Schuppenflechte am ganzen Körper, Schmerzen/Beschwerden in den Knöcheln, schlechte Nasenatmung ohne Möglichkeit einer Operation, Verkrampfung der rechten Hand – in der Regel wie ein Faust geformt –, Einschlafen der rechten Köperseite beim Schreiben, Telefonieren oder Sitzen – deswegen Versorgung mit einem höhenverstellbaren Schreibtisch und weiteren Hilfsmitteln –, dauerhafte Kopfschmerzen, Beweglichkeit des Implantats – B sei einer der Ärzte gewesen, die zu einer erneuten Operation geraten hätten, woran er sich bei der Begutachtung nicht mehr habe erinnern können –, Vorstellung in der Notaufnahme nach eineinhalb Tagen Wintersport im Januar 2018 – unter anderem bei B – wegen schwerer Übelkeit und Hervorstehen des Implantats, nur langsames Laufen und kein Joggen möglich, Einschränkung der Leistungsfähigkeit – beruflich nur noch Betreuung der Firmen- und nicht der Privatkunden) nicht beachtet oder hinreichend gewürdigt.

B hat diesbezüglich in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme ausgeführt, der Kläger sei am 28. Januar 2018 kurzstationär aufgenommen worden, anamnestisch habe er nach einem sechsstündigen Skifahren mit Helm am Vortag von einem zunehmenden Druckgefühl, diffus am ganzen Körper, einer stark ausgeprägten Übelkeit und Erbrechen ohne postvomitale Beruhigung, aber keiner Gangunsicherheit oder Sturzneigung berichtet. Die Entzündungswerte seien erhöht gewesen, so dass von einem Infekt, unabhängig vom SHT, als Ursache habe ausgegangen werden müssen. Während dieses Aufenthalts habe er den Kläger konsiliarisch gesehen, wobei ihm eine etwas vorgewölbter Knochendeckel bei Z. n. Schädelrepanation aufgefallen sei. Er habe eine konsiliarische Besprechung dieses Befundes mit den Kollegen der Klinik für Neurochirurgie empfohlen, ob dies zwischenzeitlich erfolgt sei, entziehe sich seiner Kenntnis. Bei der Einschätzung des GdB gehe es nicht um Diagnosen, sondern um Funktionseinschränkungen und Beeinträchtigungen im Alltag, die länger als sechs Monate bestünden. Die vom Kläger angegebene Sehstörung in Form eines flüchtigen Verschwommensehens mit einer Dauer von ca. 30 Minuten begründe keine Schwerbehinderteneigenschaft, zumal sich hieraus keine bleibende Funktionsbeeinträchtigung ableiten lasse. Die mitgeteilte Verkrampfung der rechten Hand lasse sich neurologisch nicht nachvollziehen, auch hierdurch werde der Kläger nicht dauerhaft und anhaltend beeinträchtigt. Bei der Bewertung mit einem GdB von 30 seien auch die sich gelegentlich alle drei bis vier Tage verstärkenden und für eine bis maximal fünf bis sechs Stunden anhaltenden Kopfschmerzen berücksichtigt. Anzumerken sei jedoch, dass der Kläger nicht auf die Einnahme von Analgetika angewiesen und kopfschmerzbedingte Fehlzeiten nicht aufgetreten seien. Die im Weiteren vom Kläger angesprochene Psoriasis bereite hauptsächlich ästhetische Probleme, der diesbezügliche GdB betrage maximal 10. Auch die behinderte Nasenatmung sei vermutlich mit keinem höheren GdB zu bewerten, eine Veränderung des Gesamt-GdB ergebe sich hierdurch nicht. Nach nochmaliger Durchsicht der Akte und der dokumentierten medizinischen Unterlagen werde unter Berücksichtigung der Teilhabe, der beruflichen und privaten Lebensgestaltung die Schwerbehinderteneigenschaft nicht erreicht.

Der Kläger hat hiergegen eingewandt, dass sich die Frage stelle, ob B sich die ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen angesehen habe. Denn dann hätte er erkennen müssen, dass im Februar/März 2018 eine Behandlung inklusive Operation wegen der hervorstehenden Schädeldecke erfolgt sei. B habe hingegen angegeben, dass er nicht wisse, ob eine Begutachtung durch die Neurochirurgie erfolgt sei.

In einer weiteren ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme hat B darauf hingewiesen, dass sich der Kläger vom 26. bis zum 28. Februar 2018 in kurzstationärer Behandlung in der Neurochirurgischen Klinik des Klinikums G1, M1 befunden habe. Es sei eine Refixierung der Custom-Bone-Kranioplastik erfolgt, der klinische Befund sei anschließend bis auf eine Sensibilitätsstörung des rechten Arms und Beins völlig regelrecht gewesen. Anderweitige, über die Sensibilitätsstörung hinausgehende Auffälligkeiten seien nicht beschrieben worden; der postoperative Verlauf sei komplikationslos gewesen. Ein höherer GdB als 30 bestehe somit nicht.

Auch weiterhin hat der Kläger die Bewertung mit einem GdB von 30 nicht für nachvollziehbar gehalten und auf seine bestehenden Funktionsstörungen hingewiesen. Insbesondere sei auch die Platte, die zur Deckelung des Schädeldefekts eingesetzt worden sei, weiterhin beweglich und sichtbar. Aufgrund des Hirnschadens bestünden mittelschwere Beeinträchtigungen, die einen GdB von 50 rechtfertigten.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage durch Gerichtsbescheid vom 14. September 2020 abgewiesen. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers seien mit einem Gesamt-GdB von 30 ausreichend bewertet. Maßgeblich für die GdB-Bewertung bei Hirnschäden sei das Ausmaß der verbliebenden Ausfallerscheinungen, die nach dem Sachverständigengutachten des B und dessen ergänzenden Stellungnahmen lediglich gering ausgeprägt seien. Nach der sachverständigen Zeugenaussage des K1 seien die zusätzlich bestehende Hörminderung wie auch nach der ergänzenden Stellungnahme des B die Psoriasis und die behinderte Nasenatmung mit einem Einzel-GdB von jeweils 10 zu bewerten, woraus keine Erhöhung des Gesamt-GdB folge.

Am 20. Oktober 2020 hat der Kläger gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 19. Oktober 2020 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das nervenärztliche Gutachten des K aufgrund dessen ambulanter Untersuchung am 11. Juni 2021 erhoben. Diagnostisch habe ein Folgezustand nach einem schweren SHT Grad III am 26. November 2016 mit traumatischer SAB rechts parietal, Kontusionsblutungen (durch Gewalteinwirkung entstandene Einblutungen in das Hirngewebe) subcortical rechts fronto-temporal, Kontusionsödem links frontal, akutem SAB rechts fronto-lateral und Kalottenfraktur frontal bis nach parietal bestanden. Bedingt durch die damit verbundene Schädigung des Gehirns seien dauerhaft kognitive Störungen mit Beeinträchtigung von Konzentration, Merkfähigkeit und Dauerbelastbarkeit, eine komplette Anosmie (vollständiger Verlust des Geruchsinns mit sekundärer starker Beeinträchtigung des Geschmackssinns), eine Hörminderung rechts, anfallsartig auftretende vegetative Störungen mit starkem Schwitzen ohne äußeren Anlass, eine leichte Halbseitensymptomatik rechts mit Beeinträchtigung der Feinmotorik der rechten Hand und unvermittelt auftretender Funktionsbeeinträchtigung des rechten Beins bis hin zu Stürzen, häufig auftretende posttraumatische Kopfschmerzen mit bis zu mehreren Stunden Dauer, Schlafstörungen mit der Folge vermehrter Tagesmüdigkeit und affektive Störungen mit vermehrter Reizbarkeit und verminderter emotionaler Schwingungsbreite verblieben. Möglicherweise seien die morgendlichen Sehstörungen ebenfalls auf zentrale vegetative Regulationsstörungen, beispielsweise durch Störungen der Blutdruckregulation, zurückzuführen. Zusammenfassend leide der Kläger unter einer mittelgradigen Funktionsbeeinträchtigung des Gehirns nach schwerem SHT. Da sämtliche Funktionsbeeinträchtigungen des Gehirns auf dieselbe Hirnschädigung im Rahmen des stattgehabten schweren SHT zurückzuführen seien und sich gegenseitig beeinflussten, erscheine es nicht sinnvoll, jeder einzelnen Beeinträchtigung einen Einzel-GdB zuzuordnen. Zusammengenommen sei unter Berücksichtigung der Gesamtauswirkungen der beschriebenen Funktionsbeeinträchtigungen ein Gesamt-GdB von 50 gerechtfertigt. B habe überhaupt nicht und M nur bedingt die nachweisbaren kognitiven Einbußen des Klägers berücksichtigt. Zu beachten sei, dass der Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit besonderen kognitiven Anforderungen entsprechen müsse. Ohne die großen Zugeständnisse seines Arbeitgebers mit weitgehend freier Gestaltungsmöglichkeit der Arbeitszeiten in Abhängigkeit von bestehenden Beschwerden hätte dieser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erhebliche Probleme am Arbeitsplatz; insbesondere, wenn er sich in Konkurrenz mit gesunden Bewerbern um eine neue Stelle bewerben müsste. Insofern sei eine angemessene Beurteilung eines Nachteilsausgleichs für den Kläger umso wichtiger, zumal es genügend Erfahrungen gebe, dass kognitive Beeinträchtigungen nach einem SHT im Langzeitverlauf eher dazu neigten, zuzunehmen als sich – wie in ersten zwei Jahren nach dem Unfall – zu bessern.

Der Kläger habe angegeben, dass im Alltag hauptsächlich Schwierigkeiten mit der rechten Körperseite bestünden. Er habe oft Kopfschmerzen und sehe morgens für die Dauer von einer bis eineinhalb Stunden verschwommen, auch das Farbsehen sei abgeschwächt. Bei körperlicher Anstrengung stehe die in den Schädel eingesetzte Platte auch weiterhin hervor. Aus der rechten Hand fielen ihm immer wieder Gegenstände, beim Gehen blockiere manchmal das rechte Bein, etwa drei bis vier Mal pro Woche, des Öfteren könne er sich auffangen oder mit der Hand festhalten, sonst komme es zu einem Sturz. Die rechte Hand wie auch das rechte Bein seien oft kribbelig. Teilweise verkrampfe sich seine rechte Hand zur Faust, Schreiben gehe so einigermaßen, beim Arbeiten am PC müsse er seine Position häufiger wechseln und seine Hand drehen. Beim Schreiben sei er viel langsamer als früher. Das Temperaturempfinden auf der rechten Seite sei wie auch sein Gesichtsfeld und das räumliche Sehen eingeschränkt. Die Kopfschmerzen träten zweimal pro Woche ganz schlimm auf (Intensität von drei bis neun auf einer Skala bis zehn); im Notfall nehme er Aspirin ein, was meist nicht helfe. Aufgrund von Zugeständnissen seines Arbeitgebers habe er ein Gleitzeitkonto und könne beim Auftreten starker Kopfschmerzen kurzfristig ausstempeln. Ein- bis zweimal in der Woche leide er unter starkem Schwitzen. Auch habe er mit dem Gleichgewicht Probleme, es werde ihm schwindelig und er müsse sich für fünf Minuten hinsetzen. Das Einschlafen sei durch ein Brennen in den Fußsohlen gestört, nachts bestünden erhebliche Schlafstörungen. Hinsichtlich seiner geistigen Leistungsfähigkeit habe seine Schnelligkeit abgenommen, es gehe nicht mehr so gut wie früher. Von Kollegen und Familienmitgliedern habe er das Feedback erhalten, dass seine Aufmerksamkeit und Konzentration nachgelassen hätten, beim Sprechen seien Aussetzer aufgefallen. Oft sei er enttäuscht, dass er Herausforderungen nicht mehr so gut meistern könne wie früher, er sei dann sehr frustriert und unzufrieden mit sich selbst. In den letzten ein bis zwei Jahre sei zusätzlich ein Tinnitus hinzugekommen. Dank des Umstandes, dass man ihn mit der Betreuung von Firmenkunden betraut habe, habe er den Vorteil, pro Woche deutlich weniger Termine absolvieren zu müssen, als wenn er Privatkunden hätte. Wichtig sei für ihn auch, dass er von Seiten seines Vorgesetzten viel Verständnis entgegengebracht bekomme. Sein Büro sei behindertengerecht mit Stehhilfe, höhenverstellbarem Schreibtisch, Headset, spezieller Tastatur und Maus eingerichtet. Nach Ansicht seiner mit ihm zusammenlebenden Lebensgefährtin habe er früher deutlich mehr Emotionen, wie z. B. Freude oder Trauer, gezeigt.

Im psychischen Befund sei der Kläger wach und orientiert bei ausgeglichener Stimmungslage unter zeitweiser depressiver Färbung gewesen. Die affektive Schwingungsfähigkeit habe etwas reduziert imponiert, der Antrieb sei nicht erkennbar beeinträchtigt gewesen. Bei der testpsychologischen Untersuchung (neuropsychologische Testbatterie CERAD PLUS) habe er motiviert mitgearbeitet, es hätten sich dennoch deutlich ausgeprägte kognitive Einbußen gezeigt. Bei acht von 18 Aufgaben habe der Kläger mehr als eine Standardabweichung unterhalb des an Alter und Schulbildung normierten zu erwartenden Testergebnisses gelegen, in drei Tests habe die Abweichung mehr als zwei Standardabweichungen betragen. Die festgestellten Einschränkungen hätten sich schwerpunktmäßig auf das verbale Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit bezogen. Dieses Ergebnis sei ein deutlicher Hinweis dafür, dass sowohl die Beobachtungen der Angehörigen und Kollegen wie auch die Wahrnehmungen des Klägers selbst hinsichtlich der Beeinträchtigung des kognitiven Leistungsvermögens durchaus zutreffend seien.

Der körperlich-neurologische Untersuchungsbefund habe eine Hypästhesie der rechten Extremitäten und auch ein reduziertes Temperaturempfinden ergeben. Manifeste Paresen hätten nicht vorgelegen, es hätten sich jedoch Hinweise auf eine belastungsabhängige Schwäche mit leichtem Absinken der rechtsseitigen Extremität im Halteversuch wie eine Beeinträchtigung der Feinmotorik der rechten Hand mit langsamerem Fingertapping gegenüber links gezeigt.

Der Beklagte hat auf das Sachverständigengutachten des K wiederum vergleichsweise angeboten, ab dem 26. November 2016 den GdB mit 40 festzustellen. Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme des W1 sei es aufgrund der gutachterlichen Feststellungen des K vertretbar, die Hirnschädigung mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten. Im Gegensatz zur Begutachtung bei B habe K zwar testpsychologische Untersuchungen vorgenommen, diese seien jedoch, weil mitarbeitsabhängig, mit großer Zurückhaltung zu bewerten. Im psychischen Befund hätten sich hingegen keine ausgeprägten Funktionsbeeinträchtigungen gezeigt. Die körperlich-neurologische Untersuchung habe keinen Hinweis auf das Vorliegen einer manifesten Parese ergeben, allenfalls für eine belastungsabhängige Schwäche mit leichtem Absinken der rechtsseitigen Extremität sowie einer Beeinträchtigung der Feinmotorik der rechten Hand, wobei auch diese Befunde mitarbeitsabhängig seien. Selbst wenn B diese Befunde in seinem Sachverständigengutachten etwas unterbewertet habe, ließen sich weder von Seiten kognitiver Störungen noch körperlich-neurologischer Befunde derartig ausgeprägte Funktionseinschränkungen nachweislich ableiten, dass ein Einzel-GdB von 50 begründet wäre. Die Schwerhörigkeit, die Behinderung der Nasenatmung und die Schuppenflechte seien mit einem Einzel-GdB von jeweils 10 zu bewerten. In Abweichung von den bisherigen Ausführungen könne es vertreten werden, eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festzustellen.

Der Kläger hat den Vergleichsvorschlag nicht angenommen und darauf hingewiesen, dass der Beklagte nicht auf den Verlust des Geschmacksinns, den Tinnitus und die Ausfälle der rechten Seite eingegangen sei.

Hierzu hat der Beklagte ausgeführt, dass es zwar zutreffend sei, dass in der versorgungsärztlichen Stellungnahme, die dem Vergleichsangebot zugrunde gelegen habe, der Tinnitus, der Verlust des Geschmackssinns und die Ausfälle der rechten Seite nicht ausdrücklich tenoriert worden seien. Allerdings sei die belastungsabhängige Schwäche der rechtsseitigen Extremitäten sowie die Beeinträchtigung der Feinmotorik der rechten Hand von den Auswirkungen der nun mit einem Einzel-GdB von 40 bewerteten Hirnschädigung umfasst. Der Verlust des Geschmackssinns, der zwar eine Einschränkung der Lebensqualität bedeuten mag, aber keine eigentliche Behinderung sei, sei isoliert mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten, der sich nicht auf den Gesamt-GdB auswirke. Dasselbe gelte für den beklagten Tinnitus. Im Ergebnis könne damit ein Gesamt-GdB von 40, nicht jedoch von 50 angeboten werden.

Zur Berufungsbegründung bekräftigt der Kläger seine Einwände gegen die gutachterlichen Ausführungen des B und stützt sich auf das Sachverständigengutachten des K.

Der Kläger beantragt – sinngemäß –,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 14. September 2020 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 11. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2017 zu verpflichten, seit dem 26. November 2016 einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Ein Gesamt-GdB von 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft werde entgegen dem Sachverständigengutachten des K nicht erreicht.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft (§§ 143, 144 SGG), auch im Übrigen zulässig, und begründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 14. September 2020, mit dem das SG die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) des Klägers auf Abänderung des Bescheides vom 11. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2017 (§ 95 SGG) und Verpflichtung des Beklagten, ab dem 26. November 2016 einen GdB von mindestens 50 festzustellen, abgewiesen hat.

Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der vorliegenden Klageart der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Bundessozialgericht , Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 R –, juris, Rz. 26; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung, demnach der 15. September 2022.

Die Begründetheit der Berufung folgt aus der Begründetheit der Klage. Der Bescheid vom 11. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2017 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), als der Beklagte ab dem 26. November 2016, dem Zeitpunkt des Reitunfalls des Klägers, nur einen GdB von 30 und nicht von 50 festgestellt hat. Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats auf seinen Antrag vom 20. März 2017 einen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 und damit der Schwerbehinderteneigenschaft. Ein höherer GdB, der Kläger hat die Feststellung eines GdB von mindestens 50 beantragt, wird hingegen nicht erreicht.

Nach Auswertung der im Verwaltungs- und im erstinstanzlichen Verfahren zur Vorlage gekommenen medizinischen Unterlagen, ärztlichen Meinungsäußerungen, sachverständigen Zeugenaussagen und insbesondere aufgrund des schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachtens des K ist der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass der beim Kläger ab dem 26. November 2016 festgestellte GdB von 30 unterbewertet ist. Die beim ihm infolge des Sturzes vom Pferd verbliebenen Funktionsstörungen erreichen vielmehr ein Ausmaß, dass die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ab dem 26. November 2016 rechtfertigt. Das dem entgegenstehende Sachverständigengutachten des B und die abweichenden versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Beklagten, die der Senat als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen berücksichtigt hat, stehen dem nicht entgegen. Sie haben den Senat nicht überzeugen können, da sie die gesetzlichen Vorgaben zur Bewertung des GdB nicht hinreichend berücksichtigt haben. Das SG hat demnach die Klage zu Unrecht durch Gerichtsbescheid vom 14. September 2020 abgewiesen.

Der Anspruch des Klägers auf Feststellung des GdB richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind nach § 2 Abs. 2 SGB IX im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX).

Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (vgl. BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Soweit der Antrag sich auf den Zeitraum vor dem 1. Januar 2018 bezieht, richtet sich der Anspruch nach den in diesem Zeitraum geltenden gesetzlichen Vorgaben (vgl. §§ 69 SGB IX ff. a. F.), nach denen ebenso für die Bewertung des GdB die VersMedV und die VG die maßgebenden Beurteilungsgrundlagen waren.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2, c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2, e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander (VG, Teil A, Nr. 3, a).

Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10, 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG, Teil A, Nr. 3, c). Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zur Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG, Teil A, Nr. 3, d).

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Einzel- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 – B 9 SB 17/97 R –, juris, Rz. 13). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Einzel-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers ab dem 26. November 2016 einen GdB von 50 und damit die Feststellung der Scherbehinderteneigenschaft rechtfertigen. Der Beklagte hat durch Bescheid vom 11. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2017, durch den er lediglich ab dem vorgenannten Zeitpunkt einen GdB von 30 festgestellt hat, wie auch das SG, das durch Gerichtsbescheid vom 14. September 2020 die auf Verpflichtung des Beklagten gerichtete Klage auf Feststellung eines GdB von mindestens 50 abgewiesen und damit den festgestellten GdB von 30 bestätigt hat, die beim Kläger bestehenden Funktionsstörungen unterbewertet.

Der Kläger leidet, wie der Senat dem schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachten des K entnimmt, das im Berufungsverfahren auf Antrag nach § 109 SGG nach dessen ambulanter Untersuchung am 11. Juni 2021 erhoben worden ist, unter einem Folgezustand nach einem schweren SHT Grad III am 26. November 2016 mit traumatischer SAB rechts parietal, Kontusionsblutungen subcortical rechts fronto-temporal, Kontusionsödem links frontal, akutem SAB rechts fronto-lateral und Kalottenfraktur frontal bis nach parietal. Begründet durch die damit verbundene Schädigung des Gehirns sind dauerhaft kognitive Störungen mit Beeinträchtigung von Konzentration, Merkfähigkeit und Dauerbelastbarkeit, eine komplette Anosmie, eine Hörminderung wie ein Tinnitus rechts, anfallsartig auftretende vegetative Störungen mit starkem Schwitzen ohne äußeren Anlass, eine leichte Halbseitensymptomatik rechts mit Beeinträchtigung der Feinmotorik der rechten Hand und unvermittelt auftretender Funktionsbeeinträchtigung des rechten Beins bis hin zu Stürzen, häufig auftretende posttraumatische Kopfschmerzen mit bis zu mehreren Stunden Dauer, Schlafstörungen mit der Folge vermehrter Tagesmüdigkeit, affektive Störungen mit vermehrter Reizbarkeit und verminderter emotionaler Schwingungsbreite, morgendliche Sehstörungen und eine Behinderung der Nasenatmung verblieben. Zusätzlich tritt die in den Schädel eingesetzte Platte, auch nach ihrer Refixierung am 27. Februar 2018 mittels eine Kraniofixniete rechts hochfrontal und rechts parietal, bei schwerer Anstrengung auch weiterhin hervor.

Ein Hirnschaden ist nachgewiesen, wenn Symptome einer organischen Veränderung des Gehirns – nach Verletzung oder Krankheit nach dem Abklingen der akuten Phase – festgestellt worden sind. Wenn bei späteren Untersuchungen keine hirnorganischen Funktionsstörungen und Leistungsbeeinträchtigungen mehr zu erkennen sind, beträgt der GdB dann – auch unter Einschluss geringer z. B. vegetativer Beschwerden – 20; nach offenen Hirnverletzungen nicht unter 30 (VG, Teil B, Nr. 3.1, a). Bestimmend für die Beurteilung des GdB ist das Ausmaß der bleibenden Ausfallserscheinungen. Dabei sind der neurologische Befund, die Ausfallserscheinungen im psychischen Bereich unter Würdigung der prämorbiden Persönlichkeit und gegebenenfalls das Auftreten von zerebralen Anfällen zu beachten. Bei der Mannigfaltigkeit der Folgezustände von Hirnschädigungen kommt ein GdB zwischen 20 und 100 in Betracht (VG, Teil B, Nr. 3.1, b).

Bei der Bewertung von Hirnschäden soll die in den VG, Teil B, Nr. 3.1.1 genannte Gesamtbewertung im Vordergrund stehen. Die in den VG, Teil B, Nr. 3.1.2 angeführten isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndrome stellen eine ergänzende Hilfe zur Beurteilung dar (VG, Teil B, Nr. 3.1).

Nach den sich aus den VG, Teil B, Nr. 3.1.1 ergebenden Grundsätzen der Gesamtbewertung von Hirnschäden beträgt der GdB bei Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung 30 bis 40, mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung 50 bis 60 und bei schwerer Leistungsbeeinträchtigung 70 bis 100.

Gemessen an diesen Vorgaben leidet der Kläger zur Überzeugung des Senats infolge des beim Reitunfall am 26. November 2016 erlittenen schweren SHT Grad III mit traumatischer SAB rechts parietal, Kontusionsblutungen subcortical rechts fronto-temporal, Kontusionsödem links frontal, akutem SAB rechts fronto-lateral und Kalottenfraktur frontal bis nach parietal an einem Hirnschaden mit mittelschweren Leistungsbeeinträchtigungen, für den nach den VG, Teil B, Nr. 3.1 ein Bewertungsrahmen mit einem GdB von 50 bis 60 eröffnet und der im Fall des Klägers mit einem GdB von 50 zu bewerten ist. Die bei diesem verbliebenen Leistungsbeeinträchtigungen erreichen jedoch nicht ein solches Ausmaß, dass der Bewertungsrahmen mit einem GdB von 50 bis 60 auszuschöpfen ist, auch K hat gutachterlich keinen GdB von 60 gesehen. Mittelschwere Leistungsbeeinträchtigungen meinen, wie sich aus der Legaldefinition der mittelgradigen Hirnschäden mit psychischen Störungen (VG, Teil B, Nr. 3.1.2) ergibt, Leistungsbeeinträchtigungen, die sich im Alltag deutlich und nicht lediglich gering auswirken.

Maßgebend ist zunächst, dass nach den VG, Teil B, Nr. 3.1, a) nach einer offenen Hirnverletzung, wie sie beim Kläger vorgelegen hat, der GdB nicht unter 30 beträgt. Dieser relativ hohe GdB wird demnach bereits dann erreicht, wenn infolge der Hirnverletzung keine oder nur äußerst geringe, nur unwesentliche, Leistungsbeeinträchtigungen verblieben sind.

Hieraus wird bereits deutlich, dass B und ihm folgend der Beklaget wie das SG mit der Annahme eines GdB von 30 den GdB deutlich unterbewertet hat, weil selbst die von dem erstinstanzlichen Gutachter beschriebenen, nach wie vor bestehenden Leistungsbeeinträchtigungen nicht unwesentlich sind. Ein GdB von 30 wäre nur dann ausreichend, wenn eine vollständige Genesung von der offenen Hirnverletzung erfolgt wäre. Die offensichtlich unzureichende Bewertung durch B hat zuletzt auch der Beklagte zugestanden, denn in der versorgungsärztlichen Stellungnahme, die dem im Berufungsverfahren nochmals abgegebenen Vergleichsangebot auf Feststellung eines GdB von 40 zugrunde gelegen hat, hat W1 ausgeführt, dass B die von ihm erhobenen Befunde mit der Annahme eines GdB von 30 unterbewertet habe.

Der Beklagte, der zuletzt im Berufungsverfahren, wie aus dem Vergleichsangebot deutlich geworden ist, einen GdB von nunmehr 40 als angemessen erachtet, berücksichtigt zur Überzeugung des Senats weiterhin die beim Kläger bestehenden Leistungsbeeinträchtigungen nicht vollumfänglich, bewertet diese damit ebenfalls unter. Denn der Kläger kann seinen Alltag im Beruf und Privatleben nur weiterführen, wenn er alle seine Aktivitäten behinderungsbedingt einschränkt, worin er eine gewisse Fertigkeit entwickelt hat.

Maßgeblich sind nicht die einzelnen Leistungsbeeinträchtigungen, die isoliert betrachtet, wie etwa der völlige Verlust des Geschmackssinns mit einem Einzel-GdB von 10 (VG, Teil B, Nr. 6.3) zu bewerten sind. Denn eine isolierte Betrachtung erfasst die Auswirkungen der verbliebenen Leistungsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit auf den körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Bereich des Klägers (VG, Teil A, Nr. 2, a) nicht vollumfänglich und steht letztlich nicht nur den Bewertungsvorgaben der VG, sondern auch den Ausführungen des K und auch des B entgegen, die sich beide gegen eine isolierte Bewertung ausgesprochen haben. Die danach erforderliche Gesamtbetrachtung der verbliebenen Folgen der offenen Hirnverletzung des Klägers ergibt eine nach wie vor bestehende deutliche Leistungseinschränkung im Alltag in sämtlichen Bereichen, die einen GdB von 50 rechtfertigen, wie K überzeugend und nachvollziehbar herausgearbeitet hat.

Beim Kläger tritt drei bis viermal pro Woche ein starkes Schwitzen ohne einen äußeren Anlass auf. Er hat gelegentlich Probleme mit dem Gleichgewicht und muss sich für kurze Zeit, fünf Minuten, hinsetzten. Dies ergibt sich für den Senat aus dem Sachverständigengutachten des K und der sachverständigen Zeugenaussage des S1. Zusätzlich besteht, wie der Senat der erstinstanzlichen sachverständigen Aussage des K1 entnimmt, ein kompletter Geruchs- und Geschmacksverlust im Sinne einer Ansomie bei erhaltener Geschmacksfunktion der Zunge und ein Hörverlust von 45 % nach der Tabelle von Röser 1980. Zwischenzeitlich ist nach den glaubhaften Ausführungen des Klägers gegenüber K eine Tinnitussymptomatik hinzugekommen. Ebenso ist nach den Angaben des Klägers die Nasenatmung mittlerweile behindert, auch wenn er bei der Behandlung durch T eine solche noch nicht beklagt hat, hat S1 hiervon berichtet. Aus der sachverständigen Zeugenaussage des S1 ergibt sich darüber hinaus, dass die den Kläger behandelnde Hautärztin von einem Triggern der Psoriasis vulgaris infolge des Unfall ausgeht, wobei auch der erstinstanzliche Sachverständige eine deutliche Symptomatik beschrieben hat. Das Implantat am Schädel tritt bei schwerer körperliche Anstrengung weiterhin hervor. K hat weiter zwar im Wesentlichen einen unauffälligen psychischen Befund erhoben, jedoch gleichwohl eine vermehrte Reizbarkeit und eine verminderte emotionale Schwingungsbreite festgestellt. Bereits diese vorgenannten Funktionsstörungen rechtfertigen zur Überzeugung des Senats einen GdB von 40; sie sind nach den obigen Ausführungen offensichtlich nicht mehr von der Bewertung mit dem Mindest-GdB von 30 nach offenen Hirnverletzungen erfasst.

Der Kläger leidet darüber hinaus unter weiteren verbliebenen Folgen des Reitunfalls vom 26. November 2016, wegen denen ein GdB von 50 begründet ist.

Er ist zum einen, wie der Senat insbesondere dem Gutachten des K entnimmt, in seinen körperlich-motorischen Funktionen eingeschränkt. Es besteht eine leichte Halbseitensymptomatik rechts mit Beeinträchtigung der Feinmotorik der rechten Hand und eine unvermittelt auftretende Funktionsbeeinträchtigung des rechten Beins bis hin zu Stürzen. Seine rechte Körperseite schläft häufig ein, seine rechte Hand verkrampft sich häufig zur Faust. Auch das Temperaturempfinden ist abgeschwächt. Deswegen ist der Kläger in seiner Freizeit eingeschränkt. Er hat berichtet, dass ihm eine Bohrmaschine und eine Tasse aus der Hand gefallen sind, er kann im Vergleich zum Zeitraum vor dem Unfall Sport nur noch in einem sehr begrenzten Umfang ausüben, so ist ihm nur noch langsames Laufen und Fahrradfahren möglich. Im beruflichen Bereich hat der Kläger Probleme beim Schreiben, er kann nur noch wesentlich langsamer als früher Schreiben, und ist aufgrund der vorgenannten Funktionsbeeinträchtigungen behindertengerecht mit einem höhenverstellbaren Schreibtisch, einer speziellen Tastatur und Maus sowie einem Headset versorgt. Die Erheblichkeit dieser motorischen Einschränkungen hat zuletzt auch der Beklagte anerkannt, indem er vergleichsweise neben der Feststellung eines GdB von 40 auch die Feststellung der dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit nach § 33b EStG angeboten hat.

Neben den vorgenannten körperlich-motorischen Beeinträchtigungen leidet der Kläger unter Schlafstörungen mit der Folge vermehrter Tagesmüdigkeit. Er schläft, wie er gegenüber B angegeben hat, durchschnittlich nur dreieinhalb Stunden pro Nacht, wodurch er nachvollziehbar in seiner Leistungsfähigkeit in allen Bereichen sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich eingeschränkt ist.

Darüber hinaus hat K für den Senat schlüssig und überzeugend verbliebene kognitive Einschränkungen in Bezug auf das verbale Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit des Klägers festgestellt. Der Einwand des Beklagten hiergegen hinsichtlich der Abhängigkeit des Testergebnisses von der Mitarbeit des Klägers bei der von K vorgenommenen testpsychologischen Untersuchung (neurologische Testbatterie CERAD Plus) verfängt insofern nicht, da K zum einen eine motivierte Mitarbeit des Klägers bei dieser Untersuchung festgestellt hat und zum anderen sich die festgestellten kognitiven Einschränkungen auch aufgrund der vom Kläger beschriebenen Feststellungen seiner Kollegen und Familienmitglieder hinsichtlich des Nachlassens von Aufmerksamkeit und Konzentration sowie Aussetzern beim Sprechen objektivieren lassen. Nicht zuletzt habe diese kognitiven Einschränkungen auch im beruflichen Bereich des Klägers dazu geführt, dass er seit dem Reitunfall nur noch Firmen- und nicht mehr Privatkunden betreut, weil er infolge dessen deutlich weniger Kundentermine wahrnehmen muss. Im Übrigen belegt die Krankheitsgeschichte des Klägers eindrucksvoll eine Persönlichkeit, die von Anfang an eher dissimuliert hat, so insbesondere die frühe Entlassung nach dem Unfallereignis entgegen ärztlichem Rat, also das krasse Gegenteil der Unterstellung durch den Versorgungsarzt.

Entgegen den Ausführungen des B ist der Senat auch der Überzeugung, dass die morgendlichen Sehstörungen des Klägers auf dem rechten Auge, das Verschwommensehen, die Einschränkung des räumlichen Sehens und die verminderte Farbwahrnehmung für die Dauer von etwa 30 Minuten, eine nicht unerhebliche Leistungsbeeinträchtigung darstellen. Denn der Kläger ist hierdurch jeden Morgen in der Gestaltung seines Tagesablaufs gehindert, er braucht jeden Morgen eine „Anlaufzeit“ von etwa 30 Minuten, um seinen Verrichtungen vollumfänglich nachkommen zu können. Wenn insofern B von einer nicht dauerhaften Funktionsstörung ausgeht, weil sich die Symptomatik wieder nach etwa 30 Minuten zurückbildet, ist dies nicht nachvollziehbar und steht auch mit den Bewertungsvorgaben der VG nicht in Einklang. Denn etwa auch eine Migräne ist nach den VG, Teil B, Nr. 2.3 für die Bewertung des GdB von Bedeutung, ohne dass sie dauerhaft und damit ständig vorliegen muss. Deren Bewertung richtet nach ihrer Häufigkeit, Dauer und Ausprägung.

Zuletzt leidet der Kläger infolge des Reitunfalls unter Kopfschmerzen, die in ihrer Intensität zweimal pro Woche zunehmen (drei bis neun auf einer Skala von zehn). Diese führen dazu, dass er im beruflichen Bereich auf das Zugeständnis seines Arbeitgebers angewiesen ist, aufgrund seines Gleitzeitkontos kurzfristig die Arbeit unterbrechen oder mit ihr für diesen Tag aufhören zu können. Mithin ist der Kläger auch infolge der Kopfschmerzen mehr als nur geringgradig beeinträchtigt, das Nichtauftreten von Arbeitsunfähigkeitszeiten, was B als ein maßgebliches Indiz gegen die Schwere und damit GdB-relevanz der Kopfschmerzen gewertet hat, ist vielmehr auf die ihm arbeitgeberseitig zugebilligte flexible Arbeitszeitgestaltung zurückzuführen.

Unter Berücksichtigung und Bewertung der wegen bei dem Reitunfall erlittenen offenen Hirnverletzung verbliebenen Leistungsbeeinträchtigungen ist der Senat in Übereinstimmung mit den gutachterlichen Feststellungen des K demnach der Ansicht, dass beim Kläger nach den VG, Teil B, Nr. 3.1.1 ein Hirnschaden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung besteht, der mit einem GdB von 50 zu bewerten ist. Dieser GdB entspricht dem Gesamt-GdB.

Gegen die Feststellung eines höheren GdB als 50, der Kläger hat die Feststellung eines GdB von mindestens 50 beantragt, spricht, dass dieser trotz der verbliebenen Leistungseinschränkungen nicht in einem über die Bewertung mit einem GdB von 50 hinausgehenden Maße eingeschränkt ist. Es ist ihm trotz der verbliebenen Leistungseinschränkungen möglich, wie der Senat dem im Wege des Urkundsbeweises (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung ) verwerteten Bericht des M entnimmt, seine auch vor dem Reitunfall ausgeübte Beschäftigung als Banker – auch wenn sein Arbeitgeber ihm Zugeständnisse gemacht hat – in Vollzeit in einem Umfang von tatsächlich 45 bis 50 Stunden pro Woche auszuüben. Er ist darüber hinaus in der Lage ein Auto zu führen, ist etwa zur Begutachtung bei K mit dem Auto ohne Begleitperson angereist. In seiner Freizeit kann er, wenn auch eingeschränkter als früher, sportlichen Aktivitäten nachgehen und kann auch Tätigkeiten im Haushalt verrichten; er hat gegenüber K mitgeteilt, eine Bohrmaschine sei ihm aus der Hand gefallen. Nach den weiteren Angaben des Klägers gegenüber K sind ihm auch weitere Freizeitgestaltungen möglich, er war zuletzt in Ägypten im Urlaub und hat zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung ein Urlaub mit dem Auto in Italien geplant. Auch werden die Kopfschmerzen des Klägers nicht mit Analgetika behandelt, er hat gegenüber B angegeben, im Bedarfsfall lediglich Aspirin einzunehmen, was den Leidensdruck relativiert. Nicht zuletzt hat keiner der den Kläger behandelnden und als sachverständigen Zeugen befragten Ärzte und auch nicht K einen höheren Gesamt-GdB als 50 vorgeschlagen.

Die vorliegenden medizinischen Unterlagen, ärztliche Meinungsäußerungen, sachverständigen Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen Grundlagen vermittelt. Weitere Ermittlungen waren deshalb nicht vorzunehmen, es würde sich hierbei um Ermittlungen ins Blaue hinein handeln, mithin um eine Ausforschung des Sachverhaltes, zu der der Senat nicht verpflichtet ist (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Oktober 2018 – B 9 V 20/18 B –, juris, Rz. 19).

Nach alledem hat der Kläger einen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von 50 seit dem 26. November 2016. Der Gerichtsbescheid des SG vom 14. September 2020 war deshalb aufzuheben und der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2017 zu verpflichten, die entsprechende Feststellung zu treffen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.



Versorungsmedizinische Grundsätze
in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung