Stellt ein Kläger im laufenden Gerichtsverfahren beim Versorgungsamt einen (weiteren) Verschlimmerungsantrag und lehnt das Versorgungsamt diesen ab, wird dieser Bescheid nicht gem § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens. Gleichwohl ist über den GdB während des gesamten Zeitraumes bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu entscheiden. Ein Ablehnungsbescheid entfaltet, auch wenn er bestandskräftig wird, keine Zäsurwirkung.


Landessozialgericht Baden-Württemberg 3. Senat
29.10.2014
L 3 SB 3881/13
Juris



Leitsatz

Stellt ein Kläger im laufenden Gerichtsverfahren beim Versorgungsamt einen (weiteren) Verschlimmerungsantrag und lehnt das Versorgungsamt diesen ab, wird dieser Bescheid nicht gem § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens. Gleichwohl ist über den GdB während des gesamten Zeitraumes bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu entscheiden. Ein Ablehnungsbescheid entfaltet, auch wenn er bestandskräftig wird, keine Zäsurwirkung.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höherbewertung des Grades der Behinderung (GdB).

Bei dem 1955 geborenen Kläger hatte das (frühere) Versorgungsamt K. mit Bescheid vom 25.10.2004 den GdB zuletzt ab dem 20.07.2004 auf 30 festgesetzt unter Berücksichtigung folgender Funktionsstörungen:

Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden Teil-GdB 20
Bluthochdruck Teil-GdB 20
Fingerpolyarthrose Teil-GdB 10.

Am 30.11.2011 stellte der Kläger bei dem nunmehr zuständigen Landratsamt K. (LRA) den Antrag, wegen einer Verschlechterung seiner Gesundheitsstörungen den GdB höher zu bewerten. Zur Begründung verwies er auf eine Osteochondrosis dissecans des unteren Fußgelenks rechts. Nach medizinischer Sachaufklärung berücksichtigte das LRA zwar zusätzlich eine Funktionsbehinderung des rechten Sprunggelenks mit einem Teil-GdB von 10 (versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. S. vom 15.01.2012 ), eine Erhöhung des Gesamt-GdB folgte seiner Ansicht nach daraus jedoch nicht, sodass es den Neufeststellungantrag mit Bescheid vom 17.01.2012 ablehnte.

Im Widerspruchsverfahren teilte der Hausarzt des Klägers, Dr. G., mit, es sei eine Verschlimmerung in Form der Osteochondrosis dissecans mit einem Schmerzsyndrom und Mobilitätseinschränkungen (am Sprunggelenk rechts) eingetreten. Daraufhin setzte das LRA mit Teil-Abhilfe-Bescheid vom 29.02.2012 den GdB seit dem 30.11.2011 auf 40 fest. Dem lag eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 23.02.2012 zugrunde, welcher die Funktionsbeeinträchtigung des rechten Sprunggelenkes nun mit einem Teil-GdB von 20 berücksichtigte. Den weitergehenden Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.04.2012 zurück.

Deswegen hat der Kläger am 14.05.2012 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, mit der er einen GdB von 50 begehrt hat. Er hat dort vorgetragen, er habe wegen dreier Bandscheibenvorfälle seinen Beruf als Maschinenbauer aufgeben müssen. Er arbeite nunmehr als Hausmeister, könne diesen Beruf aber wegen der Sprunggelenksproblematik auch nicht mehr ausüben.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Aussagen des Internisten und Kardiologen Dr. G. vom 09.07.2012, des Orthopäden Dr. S. vom 16.08.2012, des Schmerztherapeuten Dr. P. vom 07.08.2012 und des Internisten Dr. D. vom 05.11.2012 Bezug genommen.

Des Weiteren hat der Kläger ein weiteres Attest von Dr. S. vom 10.12.2012 vorgelegt, worin jener den Teil-GdB für die Beschwerden des Sprunggelenkes mit mindestens 20 eingeschätzt hat.

Sodann hat das Gericht von Amts wegen ein medizinisches Sachverständigengutachten bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. H. in Auftrag gegeben. Dieser hat in seinem Gutachten vom 25.04.2013 folgende GdB-relevante Gesundheitsstörungen festgestellt:

Osteochondrose dissecans der medialen Talusschulter rechts mit hierdurch ausgelöster Muskelminderung des rechten Beines Teil-GdB 20 Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei Verkrümmung (Skoliose) und altem Bandscheibenschaden, muskuläres LWS Syndrom und Schulter-Arm-Syndrom Teil-GdB 20.

Zu der Wirbelsäulenbeeinträchtigung hat Dr. H. ausgeführt, die Skoliose verursache einen Krümmungswinkel von 20°, es lägen jedoch keine radikulären Reizerscheinungen vor. Die Skoliose bedinge daher für sich genommen keine Erhöhung des GdB von 20. Insgesamt ergebe sich auf orthopädischem Gebiet ein GdB von 30. Als Gesamt-GdB hat Dr. H. unter Berücksichtigung der nicht-orthopädischen Gesundheitsstörungen einen Wert von 50 vorgeschlagen. Insoweit hat er auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 23.02.2012 verwiesen (Bluthochdruck mit Herzleistungsminderung und Fingerpolyarthrose).

Das SG hat unter dem 14.05.2012 darauf hingewiesen, dass Dr. H. Vorschlag eines Gesamt-GdB von 50 bei den drei auch von ihm anerkannten Teil-GdB von 20 nicht nachvollziehbar sei. Der Kläger ist dieser Einschätzung entgegengetreten und hat unter anderem einen Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. K. von 11.07.2013 vorgelegt, worin dieser von radikulären Reizerscheinungen (Wurzelirritation L5 rechts) berichtet hat.

Mit Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 08.08.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Neufeststellung und Feststellung einzelner Behinderungen sowie der Ermittlung des GdB dargelegt. In der Sache hat es ausgeführt, es sei nunmehr – nach dem Hinzutreten bzw. der Höherbewertung der Osteochondrosis dissecans der medialen Talusschulter am rechten Sprunggelenk mit einem GdB von 20 – von drei Teil-GdB-Werten von 20 auszugehen. Die Wirbelsäulenbeeinträchtigungen seien nicht höher zu bewerten. Es lägen – nur – mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen in einem WS-Abschnitt, nämlich der LWS, vor. Anhaltspunkte für außergewöhnliche Schmerzen, die gegebenenfalls zu einem höheren GdB führen könnten, gebe es nicht. Soweit aus dem Attest von Dr. K. vom 11.07.2013 eine zuvor nicht beschriebene radikuläre Reizerscheinung hervorgehe, sei diese nicht zu berücksichtigen, da sie noch nicht wenigstens sechs Monate vorliege. Aus den drei Teil-GdB-Werten sei (nur) ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 04.09.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Während des laufenden Berufungsverfahrens stellte der Kläger mindestens zwei Neufeststellungsanträge beim LRA, mit denen er ebenfalls eine höhere GdB-Bewertung begehrte. Auf den erstgenannten Antrag erhielt er den ablehnenden Bescheid vom 11.10.2013. Auf den richterlichem Hinweis vom 17.10.2013, dass bei einer Verpflichtungsklage auch der Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung in einer Tatsacheninstanz streitbefangen sei, hat der Kläger mitgeteilt, er habe gegen den genannten Ablehnungsbescheid keine Rechtsbehelfe eingelegt und verfolge die weiteren Neufeststellungsanträge nicht weiter.

Der Kläger trägt ergänzend vor, die von Dr. K. attestierte radikuläre Reizerscheinung ausgehend von dem WS-Segment L5 sei zu berücksichtigen. Er legt hierzu das weitere Attest dieses Arztes vom 22.08.2013 vor, wonach diese Reizung seit mehr als sechs Monaten bestehe. Der Kläger meint, der Ablehnungsbescheid vom 11.10.2013 habe keine Zäsurwirkung gehabt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08. August 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 17. Januar 2012 in der Fassung des Teil-Abhilfe-Bescheids vom 29. Februar 2012 und des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2012 zu verurteilen, den Grad der Behinderung ab 30. November 2011 mit mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend. Er meint, der ablehnende Bescheid vom 11.10.2013 sei entgegen seiner Rechtsbehelfsbelehrung Gegenstand des laufenden Berufungsverfahrens geworden.

Der Senat hat zunächst Dr. G. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat unter dem 08.11.2013 bekundet, nach einem MRT-Befund vom 11.06.2013 bestehe rechts eine grenzwertige Weite der L5-Passage zwischen minimal protrudierter Bandscheibe und Facettengelenk. Der Befund und die Beschwerden des Klägers seien mit einem betreffenden Wurzelreizsyndrom vereinbar. Der Kläger habe sich im März und Mai 2013 Diclofenac rezeptieren lassen. Dr. G. hat das Attest der Neurologin Dr. S. vom 20.06.2013 vorgelegt (Wurzelreizsyndrom S1 rechts, der Kläger habe von einem vor sechs bis acht Wochen aufgetretenen Kribbeln in Gesäß und rechter Außenseite des Oberschenkels, der Wade und den äußeren drei Zehen rechts mit Taubheitsgefühl und Schmerzen sowie minimalen, ähnlichen Beschwerden links berichtet).

Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, er habe sich inzwischen auch bei Dr. H., dem erstinstanzlich gehörten Amtsgutachter, zur Behandlung vorgestellt, und hierzu das Attest dieses Arztes vom 16.07.2013 vorgelegt hat, hat der Senat diesen Arzt im Rahmen des Gutachtenauftrags ergänzend als Sachverständigen befragt. Dr. H. hat insoweit unter dem 20.11.2013 mitgeteilt, im Vordergrund der Beschwerden stehe die Arthrose des rechten Sprunggelenks, die eine massive Bewegungseinschränkung und sicherlich auch Schmerzen verursache. Die Wirbelsäulenbeschwerden seien sicherlich durch die Skoliose zu erklären. Bei der Untersuchung im April hätten keine radikulären Reizerscheinungen festgestellt werden können. Nunmehr habe Dr. K. eine Wurzelirritation L5 rechts beschrieben. Dagegen habe eine zeitnah bei Dr. A. durchgeführte Kernspintomografie (11.06.2013) einen gegenüber 2005 neu aufgetretenen NPP bei L3/4 mit beidseits möglichem L4-Bezug gezeigt bei rechts nur fraglicher L5-Kompromittierung. Der Befund von Dr. K. (L5) werde – daher – nicht durch den Kernspin untermauert. Bei entsprechendem fachneurologischem Befund müsse (jedoch) jetzt eine Schmerzen verursachende Wurzelreizung ( ) angenommen werden. Dies verursache (jedoch) keine Gefühls- oder motorischen Ausfallerscheinungen. Die Beweglichkeit der LWS (Schober’sches Zeichen 10:16 cm) sei nicht eingeschränkt. Auch ein Wurzelreizsyndrom sei eher grenzwertig bis nicht vorhanden. Zusammenfassend wäre jetzt eine Erhöhung des Einzel-GdB für die Beeinträchtigungen der WS auf 30 zutreffend. Insgesamt bestehe ein Gesamt-GdB von 50.

Abschließend hat der Senat den nunmehr behandelnden Orthopäden Dr. M. schriftlich vernommen. Dieser sachverständige Zeuge hat unter dem 11.02.2014 bekundet, bei dem Kläger lägen – neben der Osteochondrosis dissecans am rechten oberen Sprunggelenk (OSG) – ein Bandscheibenvorfall L3/4 mit Wurzelbezug L4 beidseits, eine Osteochondrose L3/4, Facettengelenksarthrosen und eine mögliche Wurzelkompression L5 rechts vor. Die Flexion/Extension des OSG betrage 20-0-5°, eine OP sei indiziert. Die Gehstrecke betrage schmerzhaft 300 m. Der GdB für diese Behinderung betrage 20. Zur Wirbelsäule hat Dr. M. angegeben, das Schober’sche Zeichen betrage 10:14 cm, das Lasegue‘sche Zeichen werde links bei 30° und rechts bei 60° ausgelöst, eindeutige Paresen seien nicht auslösbar, der Kläger sei schmerzgeplagt, es beständen deutliche Facettengelenksarthrosen links mehr als rechts, die als Schmerzauslöser denkbar seien. Zwischen L1 und Grundplatte L3 bestehe eine rechtskonvexe großbogige Ausweichskoliose mit 18° nach Cobb. Es sei von schweren funktionellen Auswirkungen in einem WS-Abschnitt mit einem GdB von 30 auszugehen.

Der Beklagte ist den Vorschlägen Dr. H. und Dr. M. entgegengetreten. Er hält einen Teil-GdB von 20 für das WS-Syndrom nach wie vor für angemessen.

Der Beklagte hat sich unter dem 22.05.2014, der Kläger mit Schriftsatz vom 26.09.2014 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

1. Der Senat entscheidet nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Klägers.

2. Gegenstand des Verfahrens ist nach wie vor nur der zunächst angegriffene Bescheid vom 17.01.2012 in der Fassung des Teil-Abhilfe-Bescheids vom 29.02.2012 und des Widerspruchsbescheids vom 13.04.2012. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der erneute Ablehnungsbescheid vom 11.10.2013 nicht nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des laufenden Berufungsverfahrens. Er hat den zunächst angegriffenen Bescheid weder ersetzt - schon weil er ausgehend von dem erneuten Neufeststellungsantrag des Klägers über einen anderen Zeitraum entschieden hat - noch hat er jenen verändert (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urt. v. 17.04.2013, B 9 SB 6/12 R, Juris Rn. 27). Unabhängig davon hindert dieser neue Bescheid den Senat nicht, über den GdB des Klägers während des gesamten Zeitraums seit Stellung des Antrags vom 30.11.2011 bis zum Schluss der Verhandlung vor dem Senat zu entscheiden. Auch ein erneuter Ablehnungsbescheid entfaltet insoweit, auch wenn er bestandskräftig wird, keine Zäsurwirkung (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 28).

3. Mit diesem Inhalt ist die Berufung des Klägers nach § 143 SGG statthaft, insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Sie ist aber nicht begründet. Wegen des Gesundheitszustands des Klägers ist nach wie vor ein GdB von 40 anzuerkennen. Ein Anspruch auf Zuerkennung eines höheren GdB besteht nicht.

a) Die rechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Neufeststellung eines bereits bindend zuerkannten GdB nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und § 69 Abs. 1 Satz 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sowie die einzelnen Anforderungen für die Bewertung einzelner Behinderungen mit einem GdB und die Ermittlung eines Gesamt-GdB nach § 69 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 SGB IX i.V.m. den „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“ (VG), also der Anlage der nach § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG) erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), hat das SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid zutreffend dargestellt. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die dortigen Ausführungen.

b) In Anwendung dieser Maßstäbe hat der Beklagte mit dem Teil-Abhilfe-Bescheid vom 29. Februar 2012 zu Recht einen Gesamt-GdB von 40 zuerkannt.

aa) Für das Funktionssystem „Rumpf“ (zur Zusammenfassung einzelner Funktionsbeeinträchtigungen in Funktionssysteme vgl. Teil A Nr. 2 lit. e Satz 2 VG) ist nach wie vor ein Einzel-GdB von 20 anzusetzen. Dies betrifft die Beeinträchtigungen des Klägers an der Wirbelsäule.

Nach Teil B Nr. 18.9 VG bedingen Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 10, solche mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen Einzel-GdB von 20, solche mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) einen Einzel-GdB von 30 und Schäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen Einzel-GdB von 30 bis 40. Ein darüber hinausgehender Einzel-GdB ist nur bei besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) anzuerkennen. In diesen Bewertungen mit einem GdB sind die üblicherweise auftretenden Beschwerden mitberücksichtigt (vgl. Teil B Nr. 18.1 VG).

Bei dem Kläger bestehen insoweit höchstens mittelgradige funktionelle Auswirkungen in der LWS, sodass insoweit ein GdB von 20 anzusetzen ist. Auf diesem Gebiet leidet der Kläger - insoweit legt der Senat die Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. zu Grunde - an einer Verkrümmung (Skoliose) und einem alten Bandscheibenschaden, verbunden mit einem muskulären Syndrom der LWS. Dies geht bei insgesamt altersentsprechenden degenerativen Veränderungen der LWS einher mit einer verschmächtigten Wirbelsäulenmuskulatur sowie einer schmerzbedingten Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit. Diese Beweglichkeitseinschränkung ist allerdings allenfalls mittel-, eher geringgradig. Bei der Untersuchung bei Dr. H. war die Entfaltbarkeit der LWS (Schober’sches Zeichen 10:16 cm bei Normwert 10:15 cm) und auch der BWS (Ott’sches Zeichen mit 30:33 cm normwertig) sogar besser als altersentsprechend zu erwarten war. Auch Dr. M. hat in seiner aktuellen Zeugenaussage vom 11.02.2014 das Zeichen nach Schober mit 10:14 cm angegeben. Bei Dr. H. war lediglich - wohl schmerzbedingt - der Finger-Boden-Abstand (FBA) mit 45 cm merklich vergrößert. Im Bereich der HWS und der BWS hat Dr. H. ansonsten überhaupt keine Beeinträchtigungen wahrgenommen. Der Abstand Kinn-Brustbein ist nach seinen Aussagen mit 5 cm unauffällig, auf allen Ebenen bestehen hiernach nur endgradige Bewegungseinschränkungen (S. 17 GA). Vor dem Hintergrund der weitgehend normwertigen Bewegungsmaße verbleibt es auch unter Einbeziehung einer etwaigen Nervenwurzelreizung bei L5 oder L4 rechts, wie sie der Kläger im Berufungsverfahren vorgetragen hat, bei einer Einstufung als mittelgradige funktionelle Beeinträchtigung der LWS und damit bei einem Einzel-GdB von 20. Dr. H. hatte in seinem Gutachten vom 25.04.2013 eine solche radikuläre Reizung und einen Ausstrahlungsschmerz in die unteren Gliedmaßen noch verneint und lediglich Druckschmerzhaftigkeit am Segment L5/S1 angegeben. Wenn nunmehr eine solche Reizung aufgetreten ist, dann äußert sie sich nach den Angaben, die der Kläger gegenüber Dr. S. gemacht hat (vgl. Arztbrief vom 20.06.2013), in einem Kribbeln in Gesäß und rechter Seite des rechten Beins bei minimalen ähnlichen Beschwerden links. Im Vordergrund stehen auch nach diesen Angaben die Schmerzen im rechten Sprunggelenk und auf Grund einer aktuellen Verletzung (Muskelfaserriss). Diese Ausstrahlungswirkungen einer möglichen Nervenwurzelreizung können noch nicht als ein „über Wochen andauerndes ausgeprägtes WS-Syndrom“ im Sinne von Teil B Nr. 18.9 VG eingestuft werden. Da weiterhin auch keine anhaltende Beweglichkeitseinschränkung „schweren Grades“ vorliegt, kann ein GdB von 30 für die Beeinträchtigungen der LWS nicht vergeben werden. Es kann daher offen bleiben, ob die geklagte Nervenwurzelreizung tatsächlich vorliegt. Zweifel bestehen insoweit, als die ärztlichen Angaben im Berufungsverfahren widersprüchlich sind; so geben Dr. K. und Dr. G. L5 rechts an, Dr. S. S1 rechts; Dr. A. hat bildgebend einen Bandscheibenprolaps - nur - an anderer Stelle (L3/4) gefunden. Dr. H. hat daher auch in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 20.11.2013 darauf hingewiesen, dass die Diagnose von Dres. K. und G. durch die Kernspintomografie nicht untermauert werde. Dass Dr. H. selbst in jener Stellungnahme zweimal von einer – gesicherten – Irritation bei L5 links gesprochen hat, dürfte sich dagegen als Seitenverwechselung darstellen, nachdem alle anderen Ärzte allenfalls eine Irritation rechts beschrieben haben.

bb) Das Funktionssystem „untere Gliedmaßen“ bedingt einen GdB von 20.

Dabei ist die Bewertung der Beeinträchtigungen am Sprunggelenk rechts zwischen den Beteiligten mit einem GdB von 20 unstreitig. Auch Dr. H. hat insoweit diesen GdB vorgeschlagen. Dies stimmt auch mit den Vorgaben überein: Nach Teil B Nr. 18.14 VG bedingt eine Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk, wenn sie mittelgradig ist (Hebung/Senkung 0/0/30°) einen GdB von 10 und eine solche „stärkeren Grades“ einen GdB von 20. Bei dem Kläger ist die Hebung (Dorsalextension) rechts auf 5° und die Senkung (Plantarflexion) auf 30° eingeschränkt. Die Beweglichkeitseinschränkung hier allein kann danach noch als mittelgradig eingestuft werden. Hinzu kommen jedoch die erheblichen Schmerzen in diesem Bereich und die ebenfalls eingeschränkte Beweglichkeit des unteren Sprunggelenks.

Eine Erhöhung in diesem Funktionssystem wegen Beeinträchtigungen am Hüftgelenk links scheidet aus. Dr. H. hat bei seiner Untersuchung links eine „deutliche, fraglich schmerzbedingte Bewegungseinschränkung“ festgestellt und als Restbeweglichkeit eine Abduktion/Adduktion von 40/0/20° und eine Flexion/Extension von 100/0/5° gemessen. Dies ist noch normwertig (Abspreizen/Anführen 30-45/0/20-30°, Streckung/Beugung 10/0/130°). Ein GdB von 10 oder 20 käme nach Teil B Nr. 18.14 VG - erst - bei einer (einseitigen) Einschränkung der Streckung/Beugung auf 10-0-90° in Betracht.

cc) Das Schulter-Arm-Syndrom, das auch Dr. H. hat feststellen können, bedingt keinen GdB für das Funktionssystem „obere Gliedmaßen“. Es wurde lediglich eine schmerzbedingte diffuse Bewegungseinschränkung festgestellt (S. 19 GA). Bei passiver Führung war die Beweglichkeit nach Angaben Dr. H. unauffällig.

dd) Zu den orthopädisch bedingten Beeinträchtigungen kommt - auch dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig - ein GdB von 20 auf internistischem Gebiet. Die Hypertonie des Klägers hatte schon 2004 - dies ergibt sich aus dem damals eingeholten Arztbericht von Dr. S. vom 06.08.2004 - eine beginnende kardiale Leistungsinsuffizienz zur Folge. Diese Diagnose kann als fortbestehend angenommen werden. So hat Dr. G., der Praxisnachfolger von Dr. S., in seiner Zeugenaussage vom 09.07.2012 gegenüber dem SG mitgeteilt, er habe dem Kläger am 07.05.2012 ein Medikament wegen Bluthochdrucks rezeptiert. Dr. D. hat in seiner Zeugenaussage vom 05.11.2012 lediglich mitteilen können, den Kläger zuletzt im Jahre 2010 wegen Bluthochdruck behandelt zu haben.

ee) Weitere Beeinträchtigungen, die einen berücksichtigungsfähigen GdB bedingen könnten, liegen nicht vor. Eine Fingerpolyarthrose konnte schon Dr. H. nicht mehr nachweisen. Dementsprechend entfällt der diesbezüglich festgestellte GdB von 10. Die zwischenzeitlich geklagten Kopfschmerzen, die auch nicht das Ausmaß einer echten Migräne im Sinne von Teil B Nr. 2.3 VG erreicht hatten, scheinen abgeklungen zu sein, jedenfalls hat sich der Kläger auf eine solche Beeinträchtigung nicht mehr berufen.

ff) Aus den danach vorliegenden drei Einzel-GdB von 20 ist nach Teil A Nr. 3 lit. c VG ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden. Dabei werden alle drei GdB berücksichtigt, die Regelung in Teil A Nr. 3 lit. d Doppelbuchstabe ee Satz 2 VG also nicht angewendet. Ein höherer GdB aber scheidet aus.

c) Deshalb war die Berufung zurückzuweisen.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.



Versorungsmedizinische Grundsätze
in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung