Beim Streit um die Herabsetzung des GdB ("Herabsetzungsverfahren") hat ein gleichzeitig abgelehnter Antrag auf Erhöhung des GdB ("Verschlimmerungsverfahren") außer Betracht zu bleiben, wenn durch den rechtskundig vertretenen Kläger vor dem Sozialgericht ausschließlich ein Anfechtungsbegehren verfolgt wird. Nach dem ablehnenden Widerspruchsbescheid des Versorgungsamtes eingetretene Verschlechterungen des Gesundheitszustands sind dann nicht mehr entscheidungserheblich.


Landessozialgericht Baden-Württemberg 8. Senat
22.01.2021
L 8 SB 1898/19
Juris



Leitsatz

Beim Streit um die Herabsetzung des GdB ("Herabsetzungsverfahren") hat ein gleichzeitig abgelehnter Antrag auf Erhöhung des GdB ("Verschlimmerungsverfahren") außer Betracht zu bleiben, wenn durch den rechtskundig vertretenen Kläger vor dem Sozialgericht ausschließlich ein Anfechtungsbegehren verfolgt wird. Nach dem ablehnenden Widerspruchsbescheid des Versorgungsamtes eingetretene Verschlechterungen des Gesundheitszustands sind dann nicht mehr entscheidungserheblich.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 60 auf 40 infolge einer wesentlichen Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers. Randnummer2 Der geborene Kläger erlitt im Jahr 2011 einen Hirninfarkt in der posteromedialen Grenzzone links. Mit Bescheid vom 22.03.2013 stellte das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis (LRA) den GdB auf 60 seit dem 16.11.2012 fest und berücksichtigte hierbei die Schlaganfallfolgen mit einem GdB von 50, ein Schlafapnoesyndrom mit einem GdB von 20, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit einem GdB von 20, eine Depression mit einem GdB von 20 sowie einen Bluthochdruck mit einem GdB von 10 (vgl. versorgungsmedizinische Stellungnahme von T. vom 20.03.2013, Bl. 28 bis 29 der Verwaltungsakte).

Am 17.11.2015 leitete das Landratsamt ein Überprüfungsverfahren bezüglich der Höhe des GdB ein. Sogleich beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB und teilte mit, dass sich die Schmerzen verschlechtert hätten insbesondere beim Laufen und dass eine zusätzliche psychische Belastung bestehe.

Das LRA zog Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie einen Rehaentlassungsbericht der S Klinik in B. vom 28.11.2015 über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 11.12.2014 bis zum 22.01.2015 bei (Diagnosen: Depressive Störung, gegenwärtig remittiert, degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Lumboischialgie, Sensibilitätsstörungen rechte Hand und Fuß bei Zustand nach apoplektischem Insult Januar 2011, arterielle Hypertonie, Übergewicht, vgl. Bl. 56 bis 71 sowie Bl. 72 bis 79 der Verwaltungsakte). M. kam in einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 26.01.2016 zum Ergebnis, dass eine Besserung eingetreten sei. Die Paresen und Bewegungseinschränkungen lägen nicht mehr vor. Im Vordergrund stehe die seelische Störung. Die Schlaganfallfolgen und die Depression und das chronische Schmerzsyndrom seien mit einem GdB von 30, das Schlafapnoesyndrom mit einem GdB von 20, die degenerative Veränderung der Wirbelsäule und der Bandscheibenschaden mit einem GdB von 20 sowie der Bluthochdruck mit einem GdB von 10 zu bewerten. Insgesamt betrage der GdB 40 (vgl. Bl.80 bis 81 der Verwaltungsakte).

Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 02.02.2016 zur beabsichtigten Herabsetzung des GdB von 60 auf 40 an. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 23.02.2016 vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten mit, dass aus dem Entlassungsbericht vom 28.01.2015 Funktionsbeeinträchtigungen hervorgingen, welche einen GdB von mindestens 50 rechtfertigten.

Z. teilte in einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 03.03.2016 mit, dass die leichte Gefühlsminderung an der rechten Hand und am rechten Fuß mitberücksichtigt worden seien. Auch das Wirbelsäulenleiden sei mit Ausstrahlung, aber ohne sensomotorische Defizite bereits gewürdigt. Die Adipositas sei ohne Behinderung (vgl. Bl. 88 bis 89 der Verwaltungsakte). Das LRA zog einen Befundbericht des B. vom 25.04.2016 (Diagnose: Degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom mit ausgeprägten schmerzhaften Funktionsbeeinträchtigungen und rezidivierenden Nervenwurzelreizerscheinungen insbesondere im Dermatom L5 rechts, Bl. 94 der Verwaltungsakte), einen Bericht über eine Magnetresonanztomographie der Lendenwirbelsäule vom 01.08.2013 des R. (Bl. 95 der Verwaltungsakte) sowie einen Ambulanzbrief des Medizinischen Versorgungszentrums des S.-B.-Klinikums Praxis für Neurochirurgie von L. vom 03.09.2013 (Diagnose: relative Foramenstenose L5 rechts bei ausgeprägter Hyperlordosierung im lumbosakralen Übergang, vgl. Bl. 96 bis 97 der Verwaltungsakte) bei.

Mit Bescheid vom 13.05.2016 hob das LRA den Bescheid vom 22.03.2013 nach § 48 SGBX auf und setzte den GdB auf 40 ab dem 20.05.2016 fest. Es sei eine Besserung in den bisher berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen eingetreten.

Der Kläger erhob hiergegen am 25.05.2016 Widerspruch und teilte mit, dass der GdB nach wie vor mindestens 50 betrage.

Der Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung einer weiteren versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 10.06.2016 von Z. (Bl. 107 der Verwaltungsakte) mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2016 zurück und führte aus, dass sich die Schlaganfallfolgen im Sinne von § 48 SGBX gebessert hätten und somit kein GdB von 60, sondern nur noch ein GdB von 40 vorliege.

Der Kläger hat am 18.07.2016 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und hat zur Begründung vorgetragen, dass bereits allein für den Hirnschaden mit auch nur geringer Leistungsbeeinträchtigung ein Teil-GdB von 30 bis 40 anzusetzen sei. Beziehe man die Depressionserkrankung mit ein, so erscheine eine Bewertung mit einem GdB von 30 insgesamt nicht mehr gerechtfertigt. Auch sei das chronische Schmerzsyndrom zu bewerten mit einer deutlichen Beeinträchtigung beim Gehen und Stehen und einer stark eingeschränkten Gehstrecke. Allein bei Zusammenfassung dieser betroffenen Funktionsteilbereiche sei die Einstufung mit einem GdB von 30 deutlich zu gering. Hier sei ein Teil-GdB von mindestens 40 anzusetzen. Die Adipositas bedinge zwar für sich genommen keinen GdB, erhöhe aber bei besonderen funktionellen Auswirkungen durchaus den GdB. Das Schlafapnoesyndrom sei ebenfalls mit einem GdB von 20 in Ansatz zu bringen. Die Wirbelsäulenproblematik bedinge des Weiteren einen GdB von 20, sodass insgesamt ein GdB von mindestens 50 vorliege.

Das SG hat sachverständige Zeugenaussagen aus einem parallel anhängigen Rentenverfahren S 12 R 650/16 beigezogen.

Der G. hat am 25.04.2016 ausgeführt, dass er den Kläger bis zum 06.10.2014 behandelt habe. Bei den Behandlungen 2014 sei eine Besserung der Depression erkennbar gewesen. Es habe sich um leichtere depressive Zustände gehandelt (vgl. Bl. 31 bis 32 der SG-Akte).

Die K. hat in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 28.04.2016 mitgeteilt, dass ein chronisches Schmerzsyndrom, eine Depression, ein Diabetes mellitus, eine Hyperlipidämie, ein Schlafapnoesyndrom, Übergewicht, eine Struma diffusa, eine Hypertonie, Folgen einer Apoplexia cerebri, eine degenerative Wirbelsäulenerkrankung mit rezidivierendem Wurzelreizsyndrom, Spondylarthrose, Osteochondrose, Bandscheibendegeneration sowie ein Asthma Bronchiale vorliege. Das Schmerzsyndrom sowie die Depression seien führend (vgl. Bl. 33 bis 34 der SG-Akte).

Der B. hat mit Schreiben vom 17.05.2016 angegeben, dass er den Kläger zuletzt am 25.02.2015 wegen eines L5-Wurzelreizsyndroms rechts bei degenerativem unterem LWS-Syndrom behandelt habe (vgl. Bl.35 der SG-Akte).

Der S. hat mit Schreiben vom 21.11.2016 ausgeführt, dass er den Kläger letztmalig am 15.11.2016 behandelt habe. Es bestünden depressive Verstimmungen, Antriebs- und Konzentrationsstörungen, eine chronische Schmerzsymptomatik vorwiegend im Rückenbereich, Taubheitsgefühle am rechten Bein sowie eine Reizbarkeit (vgl. Bl. 36 bis 38 der SG-Akte).

Der Beklagte hat unter Vorlage einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme von R1 vom 09.03.2017 an der bisherigen Bewertung des Sachverhaltes festgehalten und ausgeführt, dass sich aus den beigezogenen sachverständigen Zeugenaussagen kein höherer GdB ergebe.

Das SG hat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von S1 vom 22.06.2017, welches dieser im Verfahren S 12 R 650/16 erstellt hat, beigezogen. Darin hat S1 mitgeteilt, dass sich die erlittenen linkshirnigen Infarkte funktionell zu keinem Zeitpunkt wirklich mehr auswirkten und auch bezüglich der früher beschriebenen Depressivität seit Jahren mehr keine relevante depressive Episode mehr festgestellt werden könne (vgl. Bl.43 bis 64 der SG-Akte).

Der Beklagte hat zum Gutachten von S1 eine versorgungsmedizinische Stellungnahme von G. vom 06.11.2017 eingereicht. In dieser hat G. ausgeführt, dass unter Berücksichtigung des Gutachtens der bisher zusammenfassend angesetzte GdB von 30 für die Schlagfanfallfolgen und die weitgehend remittierte Depression als ausreichend bemessen anzusehen sei (vgl. Bl. 66 bis 67 der SG-akte).

Das SG hat K. nach § 109 SGG mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. In seinem am 03.03.2018 erstellten Gutachten hat K1 ein degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom mit Neuroforamenstenose L5 rechts mit einem GdB von 20 bewertet. Insgesamt sei der GdB mit 40 festzustellen.

Der Beklagte hat zum Gutachten von K. sowie den im Rahmen der Begutachtung eingereichten Befundberichten des Klägers (vgl. Bl. 89 bis 94 der SG-Akte) eine versorgungsmedizinische Stellungnahme von R1 vom 20.08.2018 eingereicht, wonach sich aus dem Gutachten und den eingereichten Berichten keine abweichende Bewertung des Sachverhaltes ergebe (vgl. Bl. 100 bis 101 der SG-Akte).

Das SG hat K2 nach § 109 SGG mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt. In seinem am 15.01.2019 erstellten Gutachten hat K2 als Folge des Schlaganfalles eine Sensibilitätsstörung am rechten Kleinfinger, eine Anpassungsstörung mit gemischter anhaltender emotionaler Reaktion auf psychosoziale Belastung sowie ein Schlafapnoesyndrom diagnostiziert. Die Schlaganfallfolgen bedingten einen GdB von 20, die Depression und Anpassungsstörung einen GdB von 30 sowie das Schlafapnoesyndrom einen GdB von 20. Der Gesamt-GdB betrage 40 (vgl. Bl. 112 bis 126 der SG-akte).

Das SG hat mit Urteil vom 09.05.2019 die Klage abgewiesen und hat zur Begründung ausgeführt, dass der GdB auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nur noch 30 betrage. Das Wirbelsäulenleiden und das Schlafapnoesyndrom hätten sich seit 2013 nicht wesentlich verändert und seien jeweils mit einem GdB von 20 zu bewerten. Der Gesamt-GdB betrage nach Überzeugung des Gerichts nur noch 40.

Der Kläger hat gegen das am 16.05.2019 zugestellte Urteil am 07.06.2019 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er hat zur Berufungsbegründung angeführt, dass K1 in seinem Gutachten durchaus zum Ergebnis gekommen sei, dass ein Gesamt-GdB von 50 angemessen sein könne. Er könne dies jedoch nicht bewerten, da er den Schwerpunkt der Erkrankung eben nicht auf orthopädischem, sondern auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet sehe. Das Gutachten von K2 erbringe diesbezüglich jedoch keine ausreichende Beweiskraft. Die Exploration des Klägers habe nur über einen sehr kurzen Zeitraum stattgefunden und die Beweisfragen seien lediglich stichpunktartig beantwortet zusammengefasst worden. Es sei auch überhaupt nicht ersichtlich, wie sich aus dem Teil-GdB von 20-30-20-20-10 ein Gesamt-GdB von 40 ergebe. Hiermit habe sich weder der Gutachter noch das Gericht erster Instanz befasst. Es sei klar, dass eine schlichte Addition der Einzelnen Teil-GdB nicht in Betracht komme. Jedoch seien hier fünf verschiedene Funktionsbeeinträchtigungen zu berücksichtigen, die allesamt einen eigenen Teil-GdB hätten. Wie sich hieraus ein so geringer Gesamt-GdB ergeben solle, sei nicht nachvollziehbar. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger als schwerbehinderte Person anzuerkennen sei, da aufgrund der bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mindestens ein Gesamt-GdB von 50 vorliege.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 09.05.2019 sowie den Bescheid vom 13.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2016 aufzuheben, hilfsweise den Kläger als schwerbehinderten Menschen mit einem Gesamt-GdB von 50 anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hat zur Berufungserwiderung angeführt, dass keine wesentlichen Folgeschäden bei abgelaufenem Schlaganfall mehr bestünden. Das neurologisch-psychiatrische Gutachten von S1 habe bis auf eine diskrete rechtsseitig betonte armbetonte Hemiparese keine relevant neurologischen Ausfälle mehr dokumentiert. Psychiatrisch konnten keine relevanten depressiven Syndrome festgestellt werden. Auch der Wirbelsäulenschaden sei zum maßgeblichen Beurteilungszeitraum mit einem Teil-GdB von 20 weiterhin ausreichend hoch bemessen. Diesen Teil-GdB habe K1 auch in seinem Gutachten vom 03.03.2018 bestätigt. Das weitere Gutachten nach § 109 SGG von K2 habe die wesentliche Besserung der Schlaganfallfolgen ebenfalls bestätigt. Relevante depressive Symptome hätten ebenfalls nicht vorgelegen. Die Berufung sei damit nicht begründet. Ein höherer GdB als 40 könne nicht festgestellt werden.

Die Berichterstatterin hat das Verfahren am 20.01.2020 mit den Beteiligten nicht öffentlich erörtert (vgl. Niederschrift auf Bl.30 bis 33 der Senatsakte).

Der Kläger hat ein ärztliches Attest von K3 vom 22.11.2019 eingereicht (vgl. Bl. 32 der Senatsakte).

Der Kläger hat zudem ein orthopädisches Gutachten vom 06.01.2020 von K1 erstellt im Berufungsverfahren L 9 R 2448/18 eingereicht. Darin hat K1 ein degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom insbesondere im Segment L5/S1 mit osteoligamentärer Stenosierung des Neuroforamens L5 rechts und einen Wirbelsäulenschaden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen festgestellt (vgl. Bl. 43 bis 63 der Senatsakte).

Der Beklagte hat zum Gutachten von K1 eine versorgungsmedizinische Stellungnahme von W. vom 09.06.2020 eingereicht, wonach sich keine Änderung der bisherigen Beurteilung ergebe (vgl.Bl.71 bis 72 der Senatsakte).

Der Senat hat den K3 als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. In seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 27.07.2020 hat K3 mitgeteilt, dass er den Kläger in regelmäßigen sechswöchigen Abständen behandle. Es bestehe eine chronifizierte Depression derzeit schwer im Verlauf durchaus mit ab und an etwas milderen Phasen (vgl. Bl. 87 bis 89 der Senatsakte).

Der Kläger hat mit Schreiben vom 29.09.2020 zur Aussage von K3 Stellung genommen und hat einen Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG beim K. gestellt (vgl. Bl 97 bis 99 der Senatsakte).

Die Berichterstatterin hat mit Schreiben vom 02.10.2020 einen Vergleichsvorschlag dahingehend unterbreitet, dass der GdB auf 50 seit dem 27.07.2020 festgesetzt wird.

Der Beklagte hat unter Vorlage einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme von W. vom 03.11.2020 den Vergleichsvorschlag abgelehnt (vgl. Bl. 110 bis 109 der Senatsakte).

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt (vgl. Bl. 116 und Bl. 124 der Senatsakte).

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach §§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist nach § 143 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Sie ist jedoch nicht begründet.

Streitgegenständlich ist vorliegend der Bescheid vom 13.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2016, mit dem der Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 22.03.2013 den Gesamt-GdB seit 20.05.2016 mit nur noch 40 festgestellt hat. Die hiergegen zulässigerweise erhobene Anfechtungsklage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte ist im Ergebnis zutreffend von einer wesentlichen tatsächlichen Änderung ausgegangen, auf Grund derer dem Kläger nur noch ein GdB von 40 ab dem 20.05.2016 zusteht.

Für eine Anfechtungsklage gegen die Herabsetzung des Grads der Behinderung (GdB) wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse sind grundsätzlich die Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung - vorliegend der Widerspruchsbescheid vom 12.07.2016 - maßgeblich. Spätere Veränderungen können ausnahmsweise im Verfahren berücksichtigt werden, wenn sie im Wege einer zulässigen Erweiterung der Klage um ein Verpflichtungsbegehren geltend gemacht werden (vgl BSG, Urteil vom 15.8.1996 - 9 RVs 10/94; Beschluss vom 27.05.2020 – B 9 SB 67/19 B –, juris). Der Kläger hat zwar zeitgleich zu dem von Amts wegen eingeleiteten Überprüfungsverfahren mit Antrag vom 17.11.2015 die Höherbewertung des GdB beantragt und eine Verschlimmerung der Schmerzen und seines psychischen Zustandes geltend gemacht. Dem Bescheid vom 13.05.2016 ist indes zu entnehmen, dass die Beklagte nach § 48 SGB X eine wesentliche Änderung in Gestalt der Verbesserung des Gesundheitszustandes angenommen hat. Der Kläger hat nachfolgend gegen die Herabsetzung des GdB im Klage- und Berufungsverfahren eine Anfechtungsklage erhoben und somit das Verpflichtungsbegehren aus dem Verwaltungsverfahren nicht mehr weiterverfolgt. Der Kläger begehrt im Hauptantrag die Aufhebung des Bescheides vom 13.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2017 und daher die Wiederherstellung des Bescheides vom 22.03.2013, hilfsweise die Herabsetzung des GdB von 60 auf lediglich 50. Insofern ist sowohl für den Haupt- als auch für den Hilfsantrag die letzte Behördenentscheidung entscheidungserheblicher Zeitpunkt.

Ermächtigungsgrundlage für die Herabsetzung des Gesamt-GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist, soweit in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt vor, wenn sich durch das Hinzutreten neuer Gesundheitsstörungen oder eine Verschlimmerung der anerkannten Gesundheitsstörungen der Gesundheitszustand des behinderten Menschen verschlechtert oder er sich durch den Wegfall oder einer Besserung bereits anerkannter Gesundheitsstörungen gebessert hat. Von einer wesentlichen Änderung im Gesundheitszustand ist auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung oder Herabsetzung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt. Ob dies der Fall ist, ist durch einen Vergleich der für die letzte bindend gewordene Feststellung maßgebenden Befunde mit den jetzt vorliegenden Befunden zu ermitteln.

Für die Ermittlung des GdB gilt folgendes: Rechtsgrundlage ist § 2 Abs. 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung in Verbindung mit § 69 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung.

Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in den bis zum 14.01.2015 und 29.12.2016 geltenden Fassungen stellen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung gilt ergänzend, dass der GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung festgestellt wird. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX in den bis zum 14.01.2015 und 29.12.2016 geltenden Fassungen, nach § 69 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung hierbei nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.

Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung gilt diese Ermächtigung für die allgemeine – also nicht nur für die medizinische – Bewertung des GdB und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen sowie auch für die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung, dass – soweit eine solche Verordnung nicht erlassen ist – die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 17 BVG in der bis zum 30.06.2011 geltenden Fassung beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der ab dem 01.07.2011 geltenden Fassung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 249), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) sowie das Gesetz vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R – juris).

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in den bis zum 14.01.2015, 29.12.2016 und 31.12.2017 geltenden Fassungen nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R – juris). Nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. c ist bei der Bildung des Gesamt-GdB in der Regel von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und sodann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. d, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es danach vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Außerdem sind nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind.

Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.201 – B 9 SB 3/12 R – juris).

Nach diesen Maßstäben hat der Kläger ab dem 20.05.2016 keinen Anspruch auf einen höheren Gesamt-GdB als 40. Insofern hat der Beklagte zu Recht eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse festgestellt und den GdB von 60 auf 40 herabgesetzt. Dies hat auch das SG, gestützt auf das Ergebnis der dortigen Beweiserhebung, in der angefochtenen Entscheidung ausführlich und zutreffend begründet. Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren und die vom Senat durchgeführte Beweiserhebung rechtfertigen keine andere Beurteilung.

Der Kläger leidet im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche an einer Anpassungsstörung mit gemischter anhaltender emotionaler Reaktion auf psychosoziale Belastungen, welche der Senat in Übereinstimmung mit dem Gutachten von K2 vom 15.01.2019 sowie der sachverständigen Zeugenaussage von K3 mit einem GdB von 30 bewertet.

Nach den VG Teil B 3.7 ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungs-fähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungs-schwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.

Der Kläger zeigte sich bei der Untersuchung durch K2 während des Gesprächsverlaufs ohne auffallende Müdigkeit und mit erhaltener Konzentrationsfähigkeit und ohne auffallende Gedächtnisstörungen. Die affektive Schwingungsfähigkeit wurde als gut geschildert. Die Psychomotorik war lebhaft. K2 konnte als Befund die früher gestellte Diagnose einer Depression nicht stellen. Die von ihm als Verbitterungsstörung bezeichnete Anpassungsstörung bewertet er mit einem GdB von 30. Dies ist indes nach Ansicht des Senats unter Berücksichtigung des ungestörten Tagesablaufs und der im Wesentlichen unauffälligen psychischen Befunde zu hoch bewertet. Der bei K2 erhobene Zustand des Klägers entspricht vielmehr einer leichtgradigen Störung und wäre danach mit einem GdB von 20 zu bewerten. Dies zeigen auch die sachverständigen Zeugenaussagen von G vom 25.04.2016 sowie von S. vom 21.11.2016, welche jeweils leichtgradige depressive Zustände bzw. leichtgradige depressive Verstimmung schildern. Erst unter Berücksichtigung der von K3 in dessen sachverständiger Zeugenaussage vom 27.07.2020 mitgeteilten Befunde, ist eine Verschlimmerung des psychischen Zustandes belegt. Der ab dem 15.01.2019 behandelnde K3 stellt als Diagnose eine chronifizierte, teilweise schwergradige Depression und schildert den Kläger als sehr resigniert, hoffnungslos, anhaltend antriebsgemindert und freudlos mit immer wieder auftretenden Panikattacken, Verzweiflung, Hilflosigkeitserleben und dann starker Gereiztheit mit aufflammender Wut und Kränkungserleben und aufkommenden Suizidgedanken sowie auch einer deutlichen kognitiven Verlangsamung und verminderter Auffassungsgabe. Die von K3 geschilderten Befunde entsprechen einer stärker behindernden Störung und rechtfertigen daher die Bewertung mit einem GdB von 30. Zu beachten ist jedoch, dass im entscheidungserheblichen Zeitpunkt am 12.07.2016 noch keine zumindest mittelgradige depressive Symptomatik belegt ist. Der Kläger befand sich zwischen Oktober 2014 und Juni 2016 nicht in ambulanter fachpsychiatrischer Behandlung. Der Rehaentlassungsbericht vom 28.01.2015 der Rehaklinik B diagnostiziert dementsprechend auch eine remittierte depressive Störung. Der Kläger befand sich nach dem im Verwaltungsverfahren beigezogenem Befundbericht vom 11.01.2016 auch nur einmalig im Jahr 2015 in schmerztherapeutischer Behandlung bei B1. Angesichts der fehlenden Befunde ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die ursprünglich bestehende depressive Symptomatik im Rahmen der Bewertung des Symptomkomplexes der Schlaganfallfolgen berücksichtigt hat.

Sofern sich ab dem Jahr 2019 eine Verschlechterung eingestellt hat, wäre diese im Rahmen einer Neufeststellung vom Beklagten zu prüfen. Eine Berücksichtigung im vorliegenden Berufungsverfahren ist angesichts der Beschränkung des entscheidungserheblichen Zeitpunkts auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nicht möglich. Lediglich ergänzend weist der Senat daher darauf hin, dass der ab dem 15.01.2019 behandelnde K3 den Zustand des Klägers diskrepant zum K2 bei seiner Begutachtung am 15.01.2019 schildert. Bei einer anhaltenden hochgradigen Verschlechterung des Zustandes wären jedoch weitere intensivere Behandlungsmaßnahmen mit teilstationären oder stationären Behandlungsversuchen zu erwarten gewesen. K3 räumt allerdings selbst ein, dass ab und an etwas mildere Phasen bestehen. Insofern bleibt der weitere Behandlungs- und Krankheitsverlauf abzuwarten. Im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist indes keine schwergradige oder zumindest mittelgradige depressive Erkrankung dokumentiert.

Der Senat stellt weiter fest, dass als Folge der im Jahr 2011 erlittenen Schlaganfälle nur noch eine Sensibilitätsstörung am rechten Kleinfinger vorliegt. Der Senat schließt dies aus dem Rehaentlassungsbericht vom 28.01.2015 sowie den neurologisch-psychiatrischen Gutachten von S1 vom 22.06.2017 sowie von K2 vom 15.01.2019. Im Rehaentlassungsbericht wird nur noch über eine Sensibilitätsstörung am rechten Fuß und der rechten Hand berichtet. Diese Sensibilitätsstörungen konnte bei der Begutachtung durch S1 nicht mehr und bei der Begutachtung durch K2 nur noch in Form einer Sensibilitätsstörung am rechten Kleinfinger erhoben werden. Die ursprünglich im Rehaentlassungsbericht vom 17.03.2011 geschilderte Belastbarkeitsminderung mit Defiziten in der Aufmerksamkeit und Konzentration hat sich somit zurückgebildet. Die Beklagte hat daher zu Recht eine wesentliche Änderung infolge der Besserung der Schlaganfallfolgen angenommen. Der von der Beklagten festgesetzte GdB von 30 für den Symptomkomplex Depression, chronisches Schmerzsyndrom und Schlaganfallfolgen ist unter Berücksichtigung der fast vollständigen Remission und der remittierten Depression nicht zu beanstanden. Ein Hirnschaden mit psychischer Störung, welcher sich im Alltag gering auswirkt) und nach den VG Teil B 3.1.2. mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten wäre, ist den im Verwaltungsverfahren beigezogenen Befundberichten nicht zu entnehmen. Der Beklagte hat somit zu Recht den GdB im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche für die Schlaganfallfolgen, die Anpassungsstörung sowie das Schmerzsyndrom mit 30 bewertet.

Der Kläger leidet im Funktionssystem Rumpf an einem degenerativen Wirbelsäulensyndrom mit Neuroforamenstenose L5 rechts. Der Senat stellt dies mit dem Rehaentlassungsbericht vom 28.01.2015 der Rehaklinik B., den Gutachten von K1 vom 03.03.2018 sowie vom 06.01.2020 sowie dem Befundbericht von B3 vom 05.03.2015 sowie seiner Stellungnahme vom 25.04.2016 fest. Eine wesentliche Änderung oder Verschlimmerung der Symptomatik ist nicht feststellbar. Auch sind keine weiteren Segmente der Wirbelsäule betroffen. Nach den VG Teil B 18.9 liegen somit mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor, welche mit 20 zu bewerten sind.

Der Kläger leidet zudem im Funktionssystem der Atmung an einem mit CPAP – Therapie behandelten Schlafapnoesyndrom. Dieses ist nach den VG Teil B 8.7 mit 20 zu bewerten.

Die des Weiteren bestehenden Funktionseinschränkungen durch den medikamentös behandelten Diabetes sowie die arterielle Hypertonie beinhalten jeweils nur geringgradige Funktionseinschränkungen und bedingen daher keinen GdB von mehr als 10. Der Senat schließt dies aus dem im Verwaltungsverfahren beigezogenen Befundberichten der Fachärztin für Innere Medizin K.

Weitere Berichte liegen nicht vor.

Der Senat sah sich auch nicht veranlasst, ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG bei K., wie vom Kläger am 29.09.2020 beantragt, einzuholen. Das SG hat bereits zwei Gutachten nach § 109 SGG bei K1 und K2 eingeholt. Das Antragsrecht nach § 109 SGG steht grundsätzlich nur einmal in den beiden Tatsacheninstanzen zur Verfügung (Anschluss an BSG vom 17.3.2010 - B 3 P 33/09 B). Einer wiederholten Antragstellung nach § 109 SGG ist nur bei Vorliegen besonderer Umstände stattzugeben (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.03.2018 – L 5 R 1863/17 –, juris). Solche Umstände hat der Kläger nicht vorgetragen, sondern den Antrag lediglich für den Fall gestellt, dass der Senat der Bewertung von K3 nicht folgt und kein Gutachten von Amts wegen einholt. Ein solches Gutachten nach § 106 SGG war indes angesichts des entscheidungserheblichen Zeitpunkts und der erst danach durch K3 mitgeteilten Verschlechterung nicht erforderlich.

Der Sachverhalt ist daher vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen von Amts wegen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 30, 40 oder 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).

Ausgehend von dem Funktionskomplex Gehirn einschließlich Psyche, der mit dem GdB von 30 für die Anpassungsstörung, das Schmerzsyndrom und die Schlaganfallfolgen den höchsten Einzel-GdB bedingt, vermögen das Hinzutreten der Behinderung im Funktionssystem Rumpf mit den Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 20 sowie des Einzel-GdB von 20 für die Behinderung im Funktionssystem Atmung infolge der Schlafapnoe nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB lediglich die Erhöhung des Gesamt-GdB auf 40, nicht jedoch auf 50 oder mehr zu rechtfertigen. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass ein GdB von 20 oftmals Funktionsstörungen leichteren Grades umfasst und insbesondere im Fall der Schlafapnoe von einer Linderung der Symptomatik durch die CPAP-Therapie ausgeht. Der Senat hat auch unter Berücksichtigung eines Vergleichs der beim Kläger insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG einen GdB von 50 oder mehr vorsehen andererseits, zu prüfen, ob er entsprechend schwer funktionell in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. Dies ist jedoch bezogen auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 12.07.2016 nicht festzustellen. In seiner Gesamtheit entsprechen die Erkrankungen des Klägers weder einzeln noch in ihrer Zusammenschau den nach den VG in Teil B mit einem GdB von 50 oder mehr bewerteten Gesundheitsstörungen. Insofern ist daher auch unter Berücksichtigung der jeweiligen GdB von 20 eine weitere Erhöhung auf 50 nicht gerechtfertigt.

Damit konnte der Senat feststellen, dass im Verhältnis zu der früheren GdB-Feststellung ab dem 20.05.2016 eine rechtliche wesentliche Änderung eingetreten ist und der GdB ab diesem Zeitpunkt nur noch 40 beträgt. Der Beklagte hat den GdB daher zu Recht auf 40 herabgesetzt.

Die Berufung war daher sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.



Versorungsmedizinische Grundsätze
in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung