Kein Anspruch auf unbefristeten Schwerbehindertenausweis

Ein Anspruch auf Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises besteht in der Regel auch dann nicht, wenn ein unbefristeter Feststellungsbescheid über das Bestehen einer Schwerbehinderung erteilt wurde.


Schwerbehindertenausweis unbefristet unbefristet


Thüringer Landessozialgericht 5. Senat
14.10.2021
L 5 SB 1259/19
Juris


Leitsatz

1. Die Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises ist im Wege der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen (§ 54 Abs. 5 SGG). Eine Anfechtungsklage kommt nicht in Betracht, denn bei der Befristung des Ausweises handelt sich nicht um eine Nebenbestimmung zu einem Verwaltungsakt.

2. Aus dem Umstand, dass ein (unbefristeter) Feststellungsbescheid über das Bestehen einer Schwerbehinderung erteilt wurde, folgt nach geltendem Recht selbst dann kein Anspruch auf Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises, wenn eine Änderung des Gesundheitszustands nicht zu erwarten ist.

3. Ein atypischer Fall liegt bei § 152 Abs. 5 SGB IX dann vor, wenn der für den Betroffenen mit der Beantragung eines neuen Schwerbehindertenausweises verbundene Aufwand vom Normalfall derart abweicht, dass der Betroffene im Vergleich zu anderen Schwerbehinderten deutlich stärker belastet wird. Das ist nicht schon dann der Fall, wenn eine wesentliche Änderung in den dem Feststellungsbescheid zu Grunde liegenden gesundheitlichen Verhältnissen nicht zu erwarten ist.

4. Es spricht viel dafür, dass § 6 Abs. 2 Satz 2 SchwbAwV keine Ermessensvorschrift ist, sondern ein reines „Kompetenz-Kann“ zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung normiert.


Tatbestand

Der Kläger begehrt die Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises.

Der 1977 geborene Kläger beantragte am 04. März 1991 beim seinerzeit zuständigen Versorgungsamt die Feststellung von Behinderungen.

Mit Bescheid vom 10. Dezember 1998 (Bl. 65 d. VwA.) wurden ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht festgestellt. Mit Bescheid vom 08. März 2002 (Bl. 78 d. VwA.) wurde neben der Hörbehinderung mit Sprachbehinderung eine neu hinzugekommene operativ behandelte Erkrankung des rechten Hodens festgestellt. Zudem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen der Gehörlosigkeit vorliegen.

Den Angaben des Klägers im Schreiben vom 01. Januar 2014 (Bl. 106 d. A.) zufolge war ein unbefristeter Schwerbehindertenausweis ausgestellt worden. Mit diesem Schreiben beantragte der Kläger die Ausstellung eines neuen Schwerbehindertenausweises (entsprechend Muster 5 zu § 9 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) i. d. F. des Gesetzes vom 07. Juni 2012, BGBl. I 2012, S. 1275). Dieser Ausweis wurde auf fünf Jahre befristet ausgestellt. Der gegen die Befristung gerichtete Widerspruch des Klägers wurde durch bestandskräftigen Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2015 (Bl. 114 d. VwA.) zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 03. März 2019 beantragte der Kläger die Ausstellung eines neuen unbefristeten Ausweises. Gegen die neuerliche Befristung erhob der Kläger mit Schreiben vom 27. März 2019 „Einspruch“ (Bl. 118 d. VwA.). Dieser wurde durch Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2019 (Bl. 122 d. VwA.) als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen die Bescheide erhob der Kläger am 05. August 2019 Klage zum Sozialgericht. Das Sozialgericht hat die auf Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises und Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2019 gerichtete Klage durch Gerichtsbescheid vom 10. Oktober 2019 abgewiesen.

Gegen den am 30. Oktober 2019 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers, die am 12. November 2019 beim Landessozialgericht eingegangen ist und mit der der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.

Er macht geltend, eine Verbesserung seines Gesundheitszustandes sei nicht zu erwarten bzw. ausgeschlossen. Die Befristung des Ausweises bedeute für ihn einen erheblichen Mehraufwand, der sich nicht nur in der Übersendung eines neuen Passbildes an den Beklagten erschöpfe, vielmehr entstünde ein Mehraufwand im Rahmen seines Beschäftigungsverhältnisses und im Hinblick auf das Finanzamt. Bei der Regelung seiner Angelegenheiten sei er auf die Hilfe seiner Eltern angewiesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 10. Oktober 2019 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis auszustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger sei bereits mit Schreiben vom 04. April 2019 darauf hingewiesen worden, dass er lediglich der Versorgungsverwaltung ein neues Passbild übersenden müsse, ohne dass es einer erneuten Antragstellung bedürfe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der geheimen Beratung.


Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist nicht erfolgreich. Er hat keinen Anspruch auf Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises.

Gegenstand des Verfahrens ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch und in diesem Umfang der Gerichtsbescheid. Den erstinstanzlich vom Sozialgericht angenommenen Antrag auf Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 14. Januar 2015 (der sich allerdings in der Klageschrift nicht ausdrücklich findet), den der Kläger aber dann im Berufungsantrag zunächst aufgegriffen hat, verfolgt der Kläger nicht weiter.

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Allerdings folgt das nicht schon daraus, dass - wie das Sozialgericht angenommen hat - die Klage unzulässig wäre. Die Ausführungen im Gerichtsbescheid begründen keinen Tatbestand, der zur Unzulässigkeit der auf Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises gerichteten Klage führt.

Die auf Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises gerichtete Klage ist als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) zulässig. Eine Anfechtungsklage kommt nicht in Betracht, denn bei der Befristung der Gültigkeitsdauer des Schwerbehindertenausweises handelt es sich nicht um eine Nebenbestimmung zu einem Verwaltungsakt im Sinne des § 32 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Der Schwerbehindertenausweis stellt mangels Regelung keinen Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X dar. Vielmehr weist er gemäß § 152 Abs. 2 Satz 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) lediglich als öffentliche Urkunde i. S. d. § 417 Zivilprozessordnung (ZPO), d. h. als schriftlich niedergelegte Erklärung der Versorgungsverwaltung, die gesondert im Ausgangsbescheid getroffene Feststellung der Schwerbehinderung gegenüber Dritten nach (vgl. Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 11. August 2015, B 9 SB 2/15 R, m. w. N.; Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21. April 2016, Az.: L 10 SB 87/15, die Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch Beschluss des BSG vom 24. Oktober 2016, Az.: B 9 SB 42/16 B, zurückgewiesen). Eine konstitutive Bedeutung für die verlautbarten Feststellungen hat der Ausweis in aller Regel nicht; die Erteilung des Ausweises ist ein Realakt ohne weitergehenden Regelungsgehalt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Mai 2021, Az.: L 6 SB 242/20).

Der allgemeinen Leistungsklage fehlt es auch nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis unter dem Gesichtspunkt, dass der Aufwand für den Kläger lediglich darin bestünde, dem Beklagten ein Passbild zu übersenden oder dass zum Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft auch die Vorlage des Feststellungsbescheids ausreicht. Denn nach § 152 Abs. 5 Satz 2 SGB IX dient der Ausweis dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen, die schwerbehinderten Menschen zustehen, und die SchwbAwV sieht die Möglichkeit der Erteilung eines unbefristeten Ausweises ausdrücklich vor.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises. Aus dem Umstand, dass ihm ein (unbefristeter) Bescheid über das Bestehen einer Schwerbehinderung erteilt wurde, folgt nach geltendem Recht nicht zwangsläufig, dass er auch Anspruch auf Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises hat, selbst wenn eine Änderung seines Gesundheitszustands nicht zu erwarten ist. Ein entsprechender Anspruch folgt weder aus § 152 SGB IX noch aus Vorschriften der SchwbAwV.

Nach § 152 Abs. 5 SGB IX stellen die zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung und ggf. weitere gesundheitliche Merkmale aus. Nach der eindeutigen Formulierung handelt es sich dabei (wenn ein Feststellungsbescheid vorliegt) um einen Anspruch des behinderten Menschen (subjektiv-öffentliches Recht) auf Ausstellung des entsprechenden Ausweises und dementsprechend eine gebundene Entscheidung der Versorgungsverwaltung, ohne dass insoweit für die Behörde ein Ermessensspielraum besteht. Anders verhält es sich hingegen bei der Frage, ob der Ausweis unbefristet erteilt wird. Nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung "soll" die Gültigkeitsdauer des Ausweises befristet werden (§ 152 Abs. 5 Satz 3 SGB IX). Im Regelfall soll also ein befristeter Ausweis erteilt werden. Ausnahmen dazu sind zwar möglich, werden im SGB IX aber nicht normiert. Das Wort "soll" in § 152 Abs. 5 Satz 3 SGB IX versteht der Senat - entsprechend dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht - so, dass die Behörde den Ausweis in der Regel befristen muss, sie jedoch in atypischen Fällen hiervon abweichen kann. Der Senat hält die Grundgedanken der vom BSG insoweit zu § 48 Abs.1 Satz 2 SGB X angestellten Erwägungen (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2016, Az.: B 5 RE 1/15 R, Rn. 23 - juris) auf § 152 Abs. 5 Satz 3 SGB IX für übertragbar (auch wenn der Schwerbehindertenausweis kein Verwaltungsakt ist). Danach ermangelt es Sollvorschriften an einer abstrakt-generellen - die Verwaltung bindenden - normativen Letztentscheidung. Zwar ist bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen die Rechtsfolge regelmäßig vorgezeichnet. Anders als bei einer Regelung, bei der die tatbestandlichen Voraussetzungen abschließend durch den Gesetzgeber ausformuliert sind, kann der Leistungsträger indes - gleichsam im Sinne einer normativen Offenheit - in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass ein striktes Umsetzen von Normbefehlen Folgen haben kann, die vom Gesetzgeber nicht zwingend gewollt und mit Billigkeitsgesichtspunkten bzw. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen wären. Dabei ist in der Rechtsprechung des BSG seit langem geklärt, dass die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, nicht im Wege der Ermessensausübung zu klären, sondern als Rechtsvoraussetzung im Rechtsstreit von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden ist. Ein Gericht muss, wenn der Leistungsträger einen Regelfall angenommen hat, selbst prüfen, ob ein solcher vorliegt; es darf den angefochtenen Bescheid wegen fehlender Ermessensausübung nur aufheben, wenn die Prüfung einen atypischen Fall ergibt. Ob ein atypischer Fall vorliegt, ist stets nach dem Zweck der jeweiligen Regelung und nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BSG, Urteil vom 25. Mai 2018, Az.: B 13 R 3/17 R, Rn. 20 - juris).

Das bedeutet im Kontext des § 152 Abs. 5 SGB IX für die Annahme eines atypischen Falls, dass der für den Kläger mit der Beantragung eines neuen Schwerbehindertenausweises verbundene Aufwand vom Normalfall derart abweichen muss, dass der Kläger deutlich stärker belastet wird, als es bei den Schwerbehinderten der Fall ist, die nach Ablauf der Befristung regelmäßig die Ausstellung eines neuen Ausweises beantragen müssen.

Davon ist nicht schon allein dann auszugehen, wenn eine wesentliche Änderung in den dem Feststellungsbescheid zu Grunde liegenden gesundheitlichen Verhältnissen des Schwerbehinderten nicht zu erwarten ist. Denn dieser Umstand hat mit dem Aufwand bei der Beantragung des Ausweises nichts zu tun. Derartige Konstellationen sind im Schwerbehindertenrecht häufig und können angesichts der eindeutigen gesetzlichen Handlungsanweisung zur Befristung des Ausweises nicht als atypisch angesehen werden.

Auch unter Berücksichtigung der vorliegenden Umstände ist nicht von einem atypischen Fall auszugehen. Der Aufwand des Klägers beschränkt sich darauf, bei dem Beklagten die Ausstellung eines neuen Ausweises schriftlich zu beantragen (dass dafür - wie in der Klageschrift angegeben - neue Formulare ausgefüllt werden müssten, bestätigt sich aus der Verwaltungsakte nicht) und ein neues Passbild zu übersenden. Dass die Behinderungen des Klägers (hauptsächlich Gehörlosigkeit) diesen - primär durch Schriftwechsel geprägten - Vorgang außergewöhnlich erschweren, ist nicht erkennbar. Die Neuanfertigung von Passbildern ist nicht mit übermäßigen Belastungen verbunden und dürfte auch am Automaten erfolgen können. Die geschilderten Schwierigkeiten mit dem Arbeitgeber sind nicht nachvollziehbar und dürften durch Vorlage des Feststellungsbescheids vermieden werden können.

Auch aus § 6 Abs. 2 Satz 2 SchwbAwV folgt kein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines unbefristeten Ausweises. Nach dieser Vorschrift kann der Ausweis in Fällen, in denen eine Neufeststellung wegen einer wesentlichen Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend waren, nicht zu erwarten ist, unbefristet ausgestellt werden. Beim Kläger ist zwar davon auszugehen, dass eine Besserung seines Leidens nicht zu erwarten ist und dass er diese Voraussetzung erfüllt. Ein subjektives öffentliches Recht auf Ausstellung eines unbefristeten Ausweises ergibt sich aus § 6 Abs. 2 Satz 2 SchwbAwV jedoch nicht.

Dazu ist unter dem Gesichtspunkt der Normenhierarchie zunächst in den Blick zu nehmen, dass es sich nicht um eine Gesetzesnorm handelt, sondern um eine verordnungsrechtliche Vorschrift. Diese basiert zwar auf einer gesetzlichen Ermächtigung, darf aber ihrerseits das (höherrangige) Gesetz nicht ändern, sondern nur im vorgegebenen Rahmen ausfüllen. Im Hinblick darauf stellt sich die Frage, ob § 6 Abs. 2 Satz 2 SchwbAwV diesen Rahmen nicht überschreitet, indem er der Behörde die Möglichkeit gibt, einen unbefristeten Ausweis auszustellen (zweifelnd offenbar auch BSG, Urteil vom 11. August 2015, Az.: B 9 SB 2/15 R, Rn. 26 juris: "entgegen der Sollvorschrift").

Dem braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden. Selbst wenn die Vorschrift rechtmäßig ist, folgt aus ihr kein subjektiv-öffentliches Recht des Klägers auf Erteilung eines unbefristeten Ausweises. Es spricht viel dafür, dass es sich bei dieser Regelung nicht um eine Ermessensvorschrift, sondern um ein reines "Kompetenz-Kann" zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung handelt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, B. v. 8. Juli 2021, Az.: L 13 SB 368/18, Rn. 11 - juris). Denn die Regelung wurde mit der Begründung (BTDrs. 15/2557) geschaffen, es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb in Fällen einer erwiesenen dauerhaften Behinderung der Ausweis nur befristet ausgestellt werden könne (wie bis dahin zwingend vorgeschrieben).

Aber selbst wenn man in § 6 Abs. 2 Satz 2 SchwbAwV eine Ermessensvorschrift sieht, ist die Berufung nicht erfolgreich. Ein Anspruch käme allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Ermessensreduzierung auf Null bzw. Eins in Betracht, also dann, wenn jede andere Maßnahme ermessensfehlerhaft wäre. Davon kann jedoch hier nicht ausgegangen werden, denn die vom Kläger geschilderten Umstände sind nicht so gravierend, dass allein die Erteilung eines unbefristeten Ausweises als rechtmäßig angesehen werden kann.

Auch der Vortrag des Klägers, in anderen Landkreisen bzw. in Hessen werde in vergleichbaren Fällen großzügig von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, unbefristete Schwerbehindertenausweise zu erteilen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar ist es auch aus Sicht des Gerichts unbedingt wünschenswert, insoweit eine einheitliche Verwaltungspraxis herzustellen, solange der Gesetzgeber an der "Soll"-Vorschrift des § 152 Abs. 5 SGB IX festhält. Daraus lässt sich jedoch gegenüber dem Beklagten ein einklagbares subjektiv-öffentliches Recht auf eine ebenso großzügige Vorgehensweise wie bei anderen Behörden nicht ableiten.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick darauf, dass dem Kläger früher einmal ein unbefristeter Ausweis erteilt worden war. Denn - abgesehen davon, dass seitdem bereits sechs Jahre vergangen sind - stellt dieser Umstand keine geeignete Grundlage für ein Vertrauen auf den Fortbestand dar und Änderungen im Feststellungsbescheid bleiben möglich (vgl. BSG, Urteil vom 11. August 2015, Az.: B 9 SB 2/15 R, Rn. 26 - juris).

An die Empfehlungen in den beiden vom Kläger vorgelegten Schreiben des Petitionsausschusses des Thüringer Landtags ist das Gericht nicht gebunden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen. .



Versorungsmedizinische Grundsätze
in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung