Zur Bildung des Gesamt-GdB bei 2 Einzel-GdB-Werten von jeweils 30: Eine schematische Bewertung dahingehend, dass bei einem Einzel-GdB von 30 ein weiterer Einzel-GdB von 30 regelmäßig nur zu einer Erhöhung um 10 Punkte und nur ausnahmsweise zu einer Erhöhung um 20 Punkte führt, steht mit den in den VG, Teil A, Nr 3 aufgestellten und vom BSG in ständiger Rechtsprechung gebilligten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB nicht in Einklang.


Landessozialgericht Baden-Württemberg 3. Senat
24.10.2018
L 3 SB 5/17
Juris



Leitsatz
Zur Bildung des Gesamt-GdB bei 2 Einzel-GdB-Werten von jeweils 30: Eine schematische Bewertung dahingehend, dass bei einem Einzel-GdB von 30 ein weiterer Einzel-GdB von 30 regelmäßig nur zu einer Erhöhung um 10 Punkte und nur ausnahmsweise zu einer Erhöhung um 20 Punkte führt, steht mit den in den VG, Teil A, Nr 3 aufgestellten und vom BSG in ständiger Rechtsprechung gebilligten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB nicht in Einklang.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höherbewertung des Grades der Behinderung (GdB).

Bei dem 1963 geborenen Kläger wurde mit Bescheid vom 07.07.2011 in Ausführung eines im Verfahren vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) S 17 SB 4730/09 geschlossenen Vergleichs ein Gesamt-GdB von 40 ab 30.12.2008 festgestellt. Dabei wurden ein Fibromyalgiesyndrom, eine Depression, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit muskulären Verspannungen, ein Kopfschmerzsyndrom, eine Fingerpolyarthrose und eine Arthrose der Kniegelenke zu Grunde gelegt.

Am 12.03.2015 stellte der Kläger einen Änderungsantrag und machte eine Verschlimmerung der bisher berücksichtigten Gesundheitsstörungen geltend. Der Beklagte zog u.a. den Reha-Entlassungsbericht der Rehaklinik H., Fachklinik für Orthopädie und Psychosomatik, vom 24.02.2015 über die dortige stationäre Behandlung im Januar und Februar 2015 mit u.a. der Diagnose eines myofaszial betonten, mäßig chronifizierten Schmerzsyndroms der Wirbelsäule (mit fibromyalgietypischen Begleitaspekten) bei. Der Versorgungsarzt Dr. A. verneinte in Auswertung der beigezogenen Unterlagen in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.04.2015 eine wesentliche Änderung und bewertete das Fibromyalgiesyndrom bzw. die somatoforme Schmerzstörung mit Depression mit einem Einzel-GdB von 30, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit muskulären Verspannungen und Kopfschmerzsyndrom mit einem Einzel-GdB von 20, die Fingerpolyarthrose mit einem Einzel-GdB von 10 und die Arthrose der Kniegelenke mit einem weiteren Einzel-GdB von 10 und die Behinderungen des Klägers insgesamt mit einem Gesamt-GdB von 40. Mit Bescheid vom 15.04.2015 lehnte der Beklagte hierauf gestützt den Antrag auf Neufeststellung ab und wies den hiergegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2015 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 15.10.2015 Klage beim SG erhoben, mit der er die Zuerkennung eines Gesamt-GdB von wenigstens 50 geltend gemacht und zu deren Begründung er vorgetragen hat, es habe sich zum einen das bereits bestehende chronifizierte Schmerzsyndrom weiter verschlechtert und zum anderen sei noch eine Beinverkürzung links, einhergehend mit erheblichen Hüftbeschwerden und Bewegungseinschränkungen, hinzugetreten. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen schriftlich einvernommen. Der Internist und Rheumatologe Dr. B. hat über Vorsprachen des Klägers in großen zeitlichen Abständen berichtet, im Zuge derer jeweils ein entzündliches Rheumageschehen habe ausgeschlossen werden können. Der Orthopäde und Chirotherapeut Dr. C. hat über Behandlungen des Klägers wegen Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) und im Bereich der mittleren Brustwirbelsäule (BWS) berichtet. Der Schwerpunkt der Beschwerden liege beim Kläger im Bereich von degenerativen Veränderungen am Übergang der HWS zur BWS. Auffällig sei die Zunahme der Schmerzsituation gewesen, die weder medikamentös noch durch Akupunktur habe verbessert werden können. Bezüglich der weiteren Einzelheiten sowie bezüglich der schriftlichen Aussagen der weiterhin als sachverständige Zeugen vernommenen Dres. D. und E., beides Fachärzte für Allgemeinmedizin, wird auf die SG-Akte verwiesen.

Das SG hat weiterhin von Amts wegen eine Begutachtung des Klägers durch Dr. F., Arzt für Orthopädie, veranlasst. Dieser hat in seinem Gutachten vom 08.06.2016, beruhend auf einer Untersuchung des Klägers am 07.06.2016, u.a. ein Cervikalsyndrom, besonders C4/5 und C5/6, eine Cervikobrachialgie beidseits mit cervikogenem Kopfschmerz, ein chronisches Lumbalsyndrom bei Skoliose und bei Bandscheibenschaden L4/5, ein rezidivierendes Lumbalsyndrom bei Segmentinstabilität L4/5 zu L5/S1, eine Coxarthrose beidseits im Stadium II und einen Knorpelschaden beider Knie, links größer als rechts, diagnostiziert. Daneben hat er als weitere relevante Diagnosen ein chronisches Schmerzsyndrom und eine endogene Depression festgehalten. Bei dem Kläger würden im Wesentlichen Funktionseinschränkungen der HWS und geringer der Lendenwirbelsäule (LWS) bestehen. Die übrigen Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet würden zurzeit nicht mit einer relevanten Funktionseinbuße einhergehen. Weiterhin habe sich infolge der lang andauernden Schmerzhaftigkeit und Bewegungseinschränkungen ein chronisches Schmerzsyndrom mit depressiver Komponente entwickelt, welches als eigenständige Erkrankung zu werten sei. Sowohl die Funktionsstörungen der HWS und LWS wie auch das chronische Schmerzsyndrom mit depressiver Komponente bewerte er jeweils mit einem Einzel-GdB von 30, woraus ein Gesamt-GdB von 50 resultiere.

Auf die hiergegen für den Beklagten vom Versorgungsarzt Dr. G. in einer Stellungnahme vom 13.07.2016 geäußerten Einwände hat der Sachverständige in einer ergänzenden Stellungnahme vom 08.08.2016 an seiner Beurteilung festgehalten. Bereits die Funktionsstörung der HWS rechtfertige einen Einzel-GdB von 20. Im Hinblick auf die Verstärkung der Funktionseinbuße der LWS durch die Arthrose der Kniegelenke und Hüftgelenke sei ein Einzel-GdB von 30 gerechtfertigt. Weiterhin würden sich die Funktionseinbußen durch das chronische Schmerzsyndrom mit depressiver Komponente und durch das Wirbelsäulensyndrom nur teilweise überschneiden, teilweise aber auch gegenseitig verstärken, weshalb ein Gesamt-GdB von 50 gerechtfertigt sei.

In einer weiteren ergänzenden versorgungsärztlichen Stellungnahme hierzu vom 24.08.2016 hat Dr. G. an seiner Einschätzung festgehalten, dass objektiv fassbar noch keine derartig ausgeprägte Funktionseinschränkung der Wirbelsäule nachgewiesen sei, als dass diese einen Einzel-GdB von 30 rechtfertigen könne. Darüber hinaus halte er unter Bezugnahme auf ein Urteil des erkennenden Senats vom 18.08.2015 (L 3 SB 1182/14) daran fest, dass bei einem theoretischen Einzel-GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden und unter Berücksichtigung des Einzel-GdB von 30 für die somatoforme Schmerzstörung und die Depression kein Gesamt-GdB von 50 gebildet werden könne.

Mit Urteil vom 14.11.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Das chronische Schmerzsyndrom mit depressiver Komponente sei mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Das SG schließe sich insoweit der Beurteilung durch den Sachverständigen sowie durch den Beklagten an. Die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule sei mit einem Einzel-GdB von allenfalls 30 zu bewerten. So habe der versorgungsärztliche Dienst zu Recht darauf hingewiesen, dass sich den Unterlagen keine höhergradige Funktionseinschränkung der LWS entnehmen lasse. Dies werde auch durch die sachverständige Zeugenaussage des Dr. C. bestätigt, da dieser erstmalig im November 2015 überhaupt über eine Einschränkung der Beweglichkeit der LWS berichtet habe. Sonstige Funktionsbeeinträchtigungen würden nach den Ausführungen des Sachverständigen, welchen sich das SG anschließe, nicht vorliegen. Ausgehend von dem mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewertenden chronischen Schmerzsyndrom mit depressiver Komponente erhöhe sich der Gesamt-GdB durch das Hinzutreten der mit einem Einzel-GdB von allenfalls 30 zu bewertenden Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule nur auf 40. Das SG schließe sich insoweit der Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes an und berücksichtige hierbei auch die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18.08.2015. Zwischen den Funktionsbeeinträchtigungen liege jedenfalls eine Überschneidung vor, da der ohnehin nicht voll ausgefüllte Einzel-GdB von 30 wegen der Wirbelsäulenbeeinträchtigungen auch auf den dort vorhandenen Schmerzen beruhe.

Gegen das dem Kläger am 02.12.2016 zugestellte Urteil hat dieser am 02.01.2017 Berufung eingelegt und sein Klagebegehren weiterverfolgt.

Der Senat hat von Amts wegen eine Begutachtung durch Prof. Dr. Dr. H., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, veranlasst. Dieser hat in seinem Gutachten vom 07.11.2017, beruhend auf einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 13.07.2017, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie eine Dysthmie diagnostiziert. Auffallend sei, dass sich in der Aktenlage keine Hinweise auf eine durchgeführte psychiatrische Behandlung finden ließen, keine psychotherapeutischen Maßnahmen erfolgen würden und die Spiegelbestimmung für das stimmungsaufhellende Medikament Escitalopram lediglich einen Spiegel im untersten therapeutischen Bereich ergeben habe, und das wegen Schlafstörungen angeblich eingenommene Trimipramin schon gar nicht nachweisbar gewesen sei. Betrachte man darüber hinaus den Tagesablauf des Klägers und seine sonstigen Aktivitäten, so würden sich keine belangvollen Hinweise auf Beeinträchtigungen im privaten und beruflichen Alltag finden. Wie bereits Dr. F. sei auch bei ihm der Eindruck entstanden, dass die vom Kläger vorgebrachten Beschwerden nicht im angegebenen Ausmaße vorliegen würden. Die als leicht bis mittelschwer zu bezeichnende chronische Schmerzstörung sowie die als leicht zu bezeichnende Dysthymie würden bei großzügiger Betrachtung einen Einzel-GdB von 30 rechtfertigen. Stärker behindernde körperliche funktionelle Einschränkungen seien nicht nachweisbar. Unter Einbeziehung der von orthopädischer Seite festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen sei somit von einem Gesamt-GdB von 40 seit März 2015 auszugehen, da zwischen dem Wirbelsäulenleiden und dem chronischen Schmerzsyndrom erhebliche Überschneidungen vorliegen würden.

Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat weiterhin Prof. Dr. I., Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, unter dem 04.06.2018, beruhend auf einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 02.05.2018, ein Gutachten erstattet. Der Kläger leide unter einem depressiven Syndrom, welches auch die vermehrten Schmerzen erkläre. Zusätzlich bestehe ein Parkinsonsyndrom, dessen genaue Genese und Diagnose aber weitere operative Zusatzuntersuchungen erfordern würden. Die hieraus resultierenden Funktionseinschränkungen seien mittelschwer, wobei die Beeinträchtigungen des Antriebs schwer ausgeprägt seien. Der GdB für die Depression werde auf 50 eingeschätzt. Die Abweichungen zum Gutachten des Prof. Dr. Dr. H. würden darauf beruhen, dass dieser nur einige Symptome festgestellt, viele andere nicht erfragt und die Existenz von Symptomen angezweifelt habe und somit zu anderen Diagnosen gelangt sei.

Dem Gutachten des Prof. Dr. I. ist für den Beklagten Dr. G. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.07.2018 entgegengetreten.

Der Kläger hat sich zur Begründung der Berufung im Wesentlichen auf die Beurteilung durch den Sachverständigen Dr. F. sowie auf das im Verlaufe des Berufungsverfahrens eingeholte Gutachten des Prof. Dr. I. gestützt.

Er beantragt (teilweise sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 14. November 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2015 zu verurteilen, bei ihm ab dem 12. März 2015 einen Grad der Behinderung von wenigstens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung seines Antrags auf das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des Prof. Dr. Dr. H. sowie auf die vorgelegte versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 23.07.2018.

Mit Schriftsatz vom 10.08.2018 hat der Beklagte und mit weiterem Schriftsatz vom 28.08.2018 der Kläger einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte und die Gerichtsakten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist nach § 143 SGG statthaft; insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Sie ist aber nicht begründet. Eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes des Klägers, die einen höheren Gesamt-GdB begründen könnte, ist nicht eingetreten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neufeststellung des GdB.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Neufeststellung des GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in den bis zum 31.12.2017 und ab dem 01.01.2018 geltenden Fassungen in Verbindung mit § 69 SGB IX in den bis zum 14.01.2015, 29.12.2016 und 31.12.2017 geltenden Fassungen beziehungsweise in Verbindung mit § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung. Im Hinblick auf die den vorliegend zu beurteilenden Zeitraum betreffenden unterschiedlichen Gesetzesfassungen sind diese - da Übergangsregelungen fehlen - nach dem Grundsatz anzuwenden, dass die Entstehung und der Fortbestand des sozialrechtlichen Anspruchs auf Leistungen nach dem Recht zu beurteilen ist, welches zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände jeweils gegolten hat (BSG, Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R, juris; BSG, Urteil vom 04.09.2013, B 10 EG 6/12 R, juris; vergleiche Stölting/Greiser in SGb 2015, 135-143).

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Von einer solchen ist bei einer Änderung im Gesundheitszustand auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung oder Herabsetzung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt, während das Hinzutreten weiterer Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 regelmäßig ohne Auswirkung auf den Gesamt-GdB bleibt.

Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können, wobei eine Beeinträchtigung in diesem Sinne vorliegt, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in den bis zum 14.01.2015 und 29.12.2016 geltenden Fassungen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt ergänzend, dass der GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung festgestellt wird. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX in den bis zum 14.01.2015 und 29.12.2016 geltenden Fassungen, nach § 69 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 152 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung hierbei nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.

Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach § 153 Abs. 2 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt diese Ermächtigung für die allgemeine - also nicht nur für die medizinische - Bewertung des GdB und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen sowie auch für die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise § 241 Abs. 5 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung, dass - soweit eine solche Verordnung nicht erlassen ist - die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG in der ab 01.07.2011 geltenden Fassung (vormals § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ (AHP) getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 249), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) sowie das Gesetz vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in den bis zum 14.01.2015, 29.12.2016 und 31.12.2017 geltenden Fassungen beziehungsweise nach § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris). Nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. c ist bei der Bildung des Gesamt-GdB in der Regel von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und sodann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. d, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es danach vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Außerdem sind nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind.

Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).

Unter Berücksichtigung des Vorstehenden ist der Senat, ebenso wie bereits das SG, überzeugt, dass die beim Kläger vorliegenden Behinderungen mit einem Gesamt-GdB von 40 weiterhin zutreffend bewertet sind. Dabei liegen beim Kläger an relevanten Gesundheitsstörungen ein chronisches Schmerzsyndrom mit depressiver Komponente sowie eine Erkrankung der Wirbelsäule vor. Dagegen liegen im Hinblick auf die Funktionssysteme „Arme“ sowie „Beine“, auch insoweit, als der Kläger noch im Klageverfahren eine Beeinträchtigung durch eine Beinverkürzung links mit erheblichen Hüftbeschwerden geltend gemacht hat, ausweislich der schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Dr. F. keine relevanten Funktionseinbußen vor, welche einen Einzel-GdB von wenigstens 10 rechtfertigen könnten, wie bereits das SG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat und worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt und was vom Kläger im Berufungsverfahren auch nicht mehr in Zweifel gezogen wird.

Im Vordergrund stehen beim Kläger eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie eine Dysthmie. Dies entnimmt der Senat dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. Dr. H., ferner dem vom SG veranlassten Gutachten auf orthopädischem Gebiet von Dr. F.. Dagegen kann dem Gutachten des Prof. Dr. I., in welchem eine depressive Episode mit somatischem Syndrom bei rezidivierender depressiver Störung diagnostiziert worden ist, und die vermehrten Schmerzen lediglich als Ausdruck dieser depressiven Episode gesehen worden sind, nicht gefolgt werden. So war zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. Dr. H. die Stimmung des Klägers psychopathologisch nicht belangvoll zum depressiven Pol hin verschoben. Der Sachverständige konnte mehrfach positive Emotionen auslösen. Eine Beeinträchtigung der affektiven Schwingungsfähigkeit lag nicht vor. Weder war das Auffassungsvermögen erschwert, noch sind im Rahmen der Begutachtung Störungen der Merkfähigkeit oder des Konzentrationsvermögens deutlich geworden. Auch war der Antrieb in der Untersuchungssituation intakt. Im Widerspruch zu diesem klinisch weitgehend unauffälligen Befund hat sich der Kläger in den Selbsteinschätzungsskalen als schwer depressiv beschrieben. Zu Recht hat Prof. Dr. Dr. H. indes darauf verwiesen, dass sich eine unkritische Übernahme der vom Kläger gemachten Angaben verbietet, weil diese Angaben ebenso wie die Beschwerdeschilderung der subjektiven Einschätzung des jeweiligen Betroffenen unterliegen. Bemerkenswert, so Prof. Dr. Dr. H., war in diesem Zusammenhang insbesondere, dass Probanden mit einem schweren depressiven Syndrom im Depressionsinventar nach Beck normalerweise einen Punktwert um 34 erreichen, der Kläger dagegen auf eine Gesamtpunktzahl von 41 gekommen ist. Auf der allgemeinen Depressionsskala erzielen Probanden mit einer schweren Depression durchschnittlich 39 Punkte, während der Kläger sogar auf 47 Punkte gekommen ist. Extrem hohe Scores auf derartigen Skalen ohne gleichzeitiges Vorliegen des klinischen Bildes einer schwerwiegenden depressiven Episode stellen indes einen Hinweis auf Verdeutlichungstendenzen dar, so Prof. Dr. Dr. H.. Bemerkenswerterweise entsprach auch die Selbstbeschreibung in den übrigen Persönlichkeitstests durch den Kläger nicht der Verhaltensbeobachtung und dem psychopathologischen Befund, den Prof. Dr. Dr. H. festgestellt hat. Zu Recht hat Prof. Dr. Dr. H. gegen eine belangvolle depressive Erkrankung beim Kläger auch die fehlende psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung ins Feld geführt. So hat sich der Kläger zu keiner Zeit einer psychiatrischen Behandlung unterzogen; die Spiegelbestimmung des vom Hausarzt verschriebenen stimmungsaufhellenden Medikaments Escitalopram hat lediglich einen Spiegelwert im untersten therapeutischen Bereich ergeben. Korrelierend hiermit, so Prof. Dr. Dr. H., fehlt es auch für die Vergangenheit an eindeutigen Befunden für eine relevante depressive Erkrankung. So ist während eines Aufenthalts in der Reha-Klinik am Kurpark 2005 lediglich auf eine subdepressive Herabgestimmtheit Bezug genommen worden, wobei eine chronische Überforderungssituation mit chronifiziertem Schmerz bestanden habe. In einem Befundbericht des Rheuma-Zentrums Baden-Baden vom November 2008 ist lediglich über ausgeprägte Schlafstörungen auf Grund der Schmerzsymptomatik berichtet worden, nicht jedoch über eine depressive Verstimmung. Im Entlassungsbericht der Rehaklinik H. vom Februar 2015 ist mitgeteilt worden, dass rezidivierende depressive Episoden vorbeschrieben seien, in der Aufnahmesituation indes „doch mehr als überdeutlich werdende Schmerzchronifizierungsaspekte“ vorgelegen hätten und der Kläger nicht weitergehend depressiv gestimmt gewesen sei. Schlüssig und nachvollziehbar hat der Sachverständige deshalb, gestützt auf die Aktenlage sowie auf die von ihm erhobenen Untersuchungsbefunde, insbesondere das von ihm in der Begutachtung erhobene klinische Bild, eine Dysthymie diagnostiziert und eine darüberhinausgehende depressive Erkrankung verneint.

1 Soweit demgegenüber Prof. Dr. I. eine depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung diagnostiziert hat, wobei eine Benennung des konkreten Schweregrades unterblieben ist, vermag dies nicht zu überzeugen. Zwar wird in dem Gutachten, das zu einem erheblichen Teil aus allgemein gehaltenen, nicht auf den Fall bezogenen Ausführungen zum Wesen der Depression besteht, ein psychischer Befund beschrieben, wonach die affektive Schwingungsfähigkeit weitgehend aufgehoben und der Antrieb vermindert gewesen seien. Dabei wird indes nicht deutlich, ob sich dieser psychische Befund lediglich auf die im Gutachten weitgehend wortgleich referierten Angaben des Klägers stützt oder aus einer Beobachtung des Sachverständigen herrührt. Angesichts der von Prof. Dr. Dr. H. und von Dr. F. übereinstimmend berichteten, nicht unerheblichen Verdeutlichungstendenzen und Inkonsistenzen im klägerischen Vortrag und des erheblichen und durchgehenden Widerspruchs zu den seit 2005 aktenkundig gewordenen Befundberichten und auch zu den von den beiden anderen Sachverständigen, Prof. Dr. Dr. H. und Dr. F., erhobenen Befunden, hätte es weiterer Ausführungen zur Plausibilität der nun geltend gemachten, ganz massiven Verschlechterung im psychischen Befund bedurft. Gegen eine solche massive Verschlechterung spricht die Angabe des Klägers in der Anamnese, wonach die jetzigen Beschwerden bereits seit 2005 in immer gleicher Ausprägung bestünden, sie würden allenfalls schlimmer. Weder hat der Kläger über eine massive Verschlechterung seines psychischen Befindens berichtet, noch kann dies seinem Bemühen um therapeutische Maßnahme entnommen werden. Denn auch gegenüber Prof. Dr. I. hat der Kläger angegeben, nicht in nervenärztlicher Behandlung zu sein. Wenig überzeugend hat Prof. Dr. I. aus dem von ihm sehr knapp erhobenen Tagesablauf, wonach der Kläger nach eigenen Angaben nichts mehr „schaffe“, nur manchmal etwas im Garten mache, ansonsten meist zuhause vor dem Fernseher sitze und keine Bekannten mehr habe, auf einen eingeengten Lebensvollzug mit fast keinen Aktivitäten mehr im Privatleben geschlossen. Demgegenüber lässt sich der im Gutachten von Prof. Dr. Dr. H. deutlich ausführlicher beschriebenen Darstellung des Tagesablaufs eine solche Einschränkung in der sozialen Partizipation nicht entnehmen, so zutreffend Dr. G. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.07.2018. So hat Prof. Dr. Dr. H. beim Kläger einen geregelten Tagesablauf mit regelmäßiger Ausübung des Berufs, anschließender Gartenarbeit, auch um zu entspannen, gemeinsamem Abendessen im Kreise der Familie und gelegentlichen Wochenendbesuchen bei den Eltern erhoben. Zuletzt ist der Kläger 2017 in die Türkei zu einem Badeurlaub gereist. Den von Prof. Dr. I. angenommenen Rückzug aus dem Bekanntenkreis hat der Kläger gegenüber Prof. Dr. Dr. H. nicht bestätigt. Vielmehr hat er diesem mitgeteilt, er habe keinen Freundeskreis, was mit der Selbsteinschätzung des Klägers im F. Persönlichkeitsinventar („ungesellig und zurückhaltend“ sowie „introvertiert)“ korrespondiert. Zusammenfassend vermag Prof. Dr. I. mit seinem in wesentlichen Teilen knapp und bausteinartig gehaltenen Gutachten nicht überzeugend darzulegen, weshalb er zu einer von den Einschätzungen der bisherigen Behandler und Gutachter erheblich abweichenden Beurteilung gelangt ist.

Der Senat folgt Prof. Dr. Dr. H. auch insoweit, als dieser die chronische Schmerzstörung und die Dysthymie mit einem GdB von 30 bewertet hat. Zunächst ist sowohl Prof. Dr. Dr. H. wie auch dem Versorgungsarzt Dr. G. beizupflichten, soweit sie für die Bewertung der aus der chronischen Schmerzstörung und der Dysthmie folgenden Funktionsbeeinträchtigungen die VG, Teil B, Nr. 3.7 (Neurosen, Persönlichkeitsstörung, Folgen psychischer Traumen) zugrunde legen und nicht, wie von Prof. Dr. I. favorisiert, die Nr. 3.6 (schizophrene und affektive Psychosen). Die VG, Teil B, Nr. 3.6 sind schizophrenen Psychosen oder bipolaren Störungen vorbehalten. Für die Subsumtion unter die VG, Teil B, Nr. 3.7 spricht bereits der dortige, insoweit eindeutige Wortlaut („z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen“). Unter Zugrundelegung der dortigen Beurteilungskriterien sind die Störungen des Klägers auf nervenärztlichem Gebiet mit einem Einzel-GdB von 30, was bereits dem unteren Rahmenwert einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit entspricht, wohlwollend bewertet. Ein höherer Einzel-GdB lässt sich nicht rechtfertigen.

Wie bereits dargelegt, hat Prof. Dr. Dr. H. in Übereinstimmung mit den aktenkundig gewordenen früheren Befunden keinen psychopathologisch belangvoll zum depressiven Pol hin verschobenen Befund erhoben. Weder die gegenüber dem Sachverständigen angegebenen vegetativen Einschränkungen (Ein- und Durchschlafstörungen, „die Libido habe schon nachgelassen“) noch der vom Kläger dem Sachverständigen gegenüber beschriebene, bereits oben dargestellte, Tagesablauf, welchem keine belangvollen Hinweise auf Beeinträchtigungen im privaten und beruflichen Alltag bzw. Beeinträchtigungen der sozialen Partizipation entnommen werden können, rechtfertigen die Annahme einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (Prof. Dr. Dr. H.). Bezüglich der vom Kläger als Folge der Schmerzerkrankung beklagten Schlafstörungen bleibt festzuhalten, dass das nach seinen Angaben zur Nacht eingenommene Schlafmittel bei der Spiegelbestimmung nicht nachweisbar war, was im Zusammenhang mit den sonstigen Inkonsistenzen, der fehlenden psychiatrischen Mitbehandlung und auch der insuffizienten Einnahme von antidepressiver Medikation erhebliche Zweifel am tatsächlichen Ausmaß der vom Kläger vorgebrachten Beschwerden rechtfertigt.

Prof. Dr. Dr. H. hat weiterhin einen unauffälligen neurologischen Befund erhoben; radikulär anmutende Schmerzausstrahlungen und insbesondere Hinweise für das Vorliegen einer radikulären Schmerzausstrahlung im Bereich der Arme bzw. der Beine hat der Kläger nicht beschrieben und eine belangvolle Bewegungseinschränkung konnte nicht festgestellt werden. Auch im Bereich der LWS haben sich keine belangvollen Bewegungseinschränkungen feststellen lassen; das Zeichen nach Lasegue war beidseits negativ und Hinweise auf eine Schädigung oder eine Reizung von Spinalwurzeln lagen nicht vor. Der Sachverständige hat bei im Übrigen regelrechtem neurologischen Befund im Zeitpunkt der Untersuchung lediglich leichte Muskelverspannungen der Schulter- und Nackenmuskulatur beidseits festgestellt.

Unter Berücksichtigung all dessen ist in Übereinstimmung mit Prof. Dr. Dr. H. und dem Versorgungsarzt Dr. G. die Bewertung der Schmerzerkrankung mit Dysthymie mit einem Einzel-GdB von 30 als noch vertretbar, allerdings an der Obergrenze des zu Rechtfertigenden gelegen, zu bewerten. Eine höhere Bewertung ist nicht vertretbar. Sie kann auch nicht mit dem Gutachten des Prof. Dr. I. gerechtfertigt werden, da nicht nur die dortige Diagnose, sondern auch die dort angenommene Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht nachvollziehbar ist.

Eine abweichende Bewertung auf nervenärztlichem Gebiet ergibt sich auch nicht aus dem von Prof. Dr. I. diskutierten Parkinsonsyndrom. Denn Prof. Dr. I. hat selbst eingeräumt, dass ein Morbus Parkinson derzeit nicht nachgewiesen ist. Auch der Umstand, dass bei dem Kläger trotz regelmäßiger Behandlungen und Untersuchungen, wiederholter Reha-Aufenthalte und trotz der ausführlichen, auch neurologischen Untersuchung durch Prof. Dr. Dr. H. zu keiner Zeit auch nur Anhaltspunkte für einen Morbus Parkinson gesehen worden sind, spricht dafür, dass eine solche Symptomatik schon nicht vorliegt, was Prof. Dr. I. letztlich selbst als Möglichkeit konzediert. Eine bloße Verdachtsdiagnose ohne nachgewiesene Symptomatik, insbesondere Funktionsbeeinträchtigungen, vermag indes keinen Einzel-GdB zu rechtfertigen.

Im Hinblick auf das Wirbelsäulenleiden erachtet der Senat, dem Versorgungsarzt Dr. G. folgend, einen Einzel-GdB von 20 als angemessen. Denn schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt bzw. wenigstens mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, welche gemäß der hier einschlägigen Nr. 18.9 der VG, Teil B einen Einzel-GdB von wenigstens 30 rechtfertigen könnten, sind beim Kläger nicht nachgewiesen. Anhand der objektiv fassbaren Funktionseinschränkungen nach dem Gutachten des Dr. F. liegen im Bereich der HWS mittelgradige Funktionseinschränkungen vor. Dagegen ist, so zutreffend Dr. G., die Funktion der Rumpfwirbelsäule bei einer noch möglichen Seitneigung bis 45 Grad und einer Rotation von je 45 Grad in der aktiven Gesamtbeweglichkeit noch nicht wesentlich eingeschränkt und die Annahme von wenigstens mittelgradigen Auswirkungen in diesem Wirbelsäulenabschnitt nicht gerechtfertigt. Soweit Dr. F. zur Begründung seiner Einschätzung von mittelschweren Funktionseinschränkungen auch im Bereich der LWS auf eine Verstärkung der Funktionseinbuße durch die Arthrose der Hüft- und Kniegelenke hingewiesen hat, leuchtet dies nicht ein, zumal Dr. F. selbst die Funktionseinbußen seitens der Hüft- und Kniegelenke als so geringfügig erachtet hat, dass sie für sich genommen noch nicht einmal einen Einzel-GdB von 10 rechtfertigen könnten. Nicht nachvollziehbar ist weiterhin seine Bewertung der Funktionsstörungen im Bereich der HWS als intermittierend schwer, obgleich der Sachverständige Nervenwurzelausfälle oder radikuläre Symptome verneint hat. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass Prof. Dr. Dr. H. im Rahmen seiner gutachterlichen Untersuchung, wie bereits dargelegt, einen regelrechten neurologischen Befund erhoben und keinerlei Hinweise für das Vorliegen einer radikulären Schmerzausstrahlung im Bereich der oberen oder unteren Extremitäten festgestellt hat und, wie im übrigen auch Dr. F., insbesondere im Einzugsbereich der LWS keine neurologischen Auffälligkeiten und auch keine belangvolle Bewegungseinschränkung gefunden hat.

Ausgangspunkt für die Bewertung des Gesamt-GdB ist der führende Einzel-GdB von 30 für die somatoforme Schmerzstörung und Dysthymie, der sich durch das Hinzutreten der mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewertenden Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule auf 40 erhöht. Zu demselben Ergebnis würde man im Übrigen auch gelangen, wenn man Dr. F. folgend von einem Einzel-GdB von 30 auch für das Wirbelsäulenleiden ausgehen würde. Auch in diesem Fall würde der Gesamt-GdB nur 40 betragen.

Dieses Ergebnis ergibt sich indes gleichfalls auf Grund einer konkreten, auf den Einzelfall bezogenen Würdigung anhand der VG, Teil A, Nr. 3 und nicht etwa aufgrund eines Grundsatzes, wonach 2 Einzel-GdB von 30 regelmäßig nur einen Gesamt-GdB von 40 rechtfertigen könnten. Der Senat nutzt die Gelegenheit, um darauf hinzuweisen, dass dem vom SG im angefochtenen Urteil zitierten und auch regelmäßig vom Beklagten angeführten Urteil des erkennenden Senats vom 18.08.2015 (L 3 SB 1182/14) keine hiervon abweichende Beurteilung entnommen werden kann. Dort heißt es wörtlich, dass ein weiterer GdB von 30 zu einer Erhöhung um 20 und nicht nur um 10 Punkte nur dann führen kann, wenn eine wesentliche Zunahme der Behinderung vorliegt. Unter Hinweis auf die starke Überschneidung der Behinderungen wurde in der zitierten Entscheidung eine solche Zunahme dann auch verneint. Diesen Ausführungen lässt sich weder ein Grundsatz für die Bildung des Gesamt-GdB dahingehend, dass ein weiterer Einzel-GdB von 30 grundsätzlich nur zu einer Erhöhung um 10 Punkte und nur ausnahmsweise zu einer solchen um 20 Punkte führe, entnehmen, noch sollte mit dieser Entscheidung ein solcher Grundsatz aufgestellt werden, noch entspricht ein solcher Grundsatz der Rechtsprechung des Senats. Im Übrigen würde ein solcher Grundsatz den zuvor dargelegten, in den VG, Teil A, Nr. 3 aufgestellten und vom BSG in ständiger Rechtsprechung gebilligten (vgl. BSG, Urteil vom 17.04.2013, a.a.O.) Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB widersprechen, wonach ausschließlich die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander im konkreten Einzelfall maßgebend sind (VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. a) und zur Beurteilung der Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit im konkreten Fall aus der ärztlichen Gesamtschau heraus betrachtet werden muss, ob die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen voneinander unabhängig sind und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen oder sich auf andere besonders nachteilig auswirken, sich überschneiden oder durch ein Hinzutreten der Gesundheitsstörungen nicht verstärkt werden (vgl. VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. d dd). Mit diesen Vorgaben stünde eine schematische, regelhafte Bewertung dahingehend, dass bei einem Einzel-GdB von 30 ein weiterer Einzel-GdB von 30 regelmäßig nur zu einer Erhöhung um 10 Punkte und nur ausnahmsweise zu einer Erhöhung um 20 Punkte führt, nicht im Einklang.

In Anwendung dieser Grundsätze würde im konkreten Fall ein angenommener Einzel-GdB von 30 auch für die Wirbelsäulenerkrankung in Anwendung der vorgenannten Bestimmungen der VG zur Bildung des Gesamt-GdB nur zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB um 10 Punkte führen. Denn zwischen dem chronischen Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren und dem Wirbelsäulenleiden liegen erhebliche Überschneidungen vor (vgl. hierzu VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. d cc), so Dr. G. und Prof. Dr. Dr. H.. In der Wirbelsäulenkrankheit liegt die Ursache und der Ausgangspunkt für das Schmerzsyndrom. Sowohl im Hinblick auf die Wirbelsäulenerkrankung wie auch (naturgemäß) im Hinblick auf die chronische Schmerzstörung sind die maßgeblichen Symptome die mit den beiden Erkrankungen einhergehenden Schmerzen. Dies hat letztlich auch Dr. F. eingeräumt, wenn er zumindest von einer teilweisen Überschneidung zwischen dem chronischen Schmerzsyndrom und dem Wirbelsäulensyndrom ausgegangen ist. Soweit er indes von einer teilweisen wechselseitigen Verstärkung der beiden Funktionsstörungen ausgegangen ist, erschließt sich dies nicht. Anhaltspunkte hierfür bestehen nicht.

Der angestrebte Gesamt-GdB von 50 ist damit auch unter der - vom Senat indes verneinten - Annahme eines Einzel-GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden nicht begründet. Die Berufung bleibt nach alledem ohne Erfolg.

Die Entscheidung der Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.



Versorgungsmedizinische Grundsätze
in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung