Gdb 50 wegen RLS mit stark gestörten Bewegungsabläufen, die nur teilweise und dann nur unter Einsatz sehr starker Medikamente, wie sie etwa im Bereich der Behandlung von Parkinson-Syndromen zum Einsatz kommen, unterdrückt werden können
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.
Die 1948 geborene Klägerin war zuletzt als Niederlassungsleiterin in einem Handelsbetrieb in L tätig. Seit Mai 2012 bezieht sie eine Altersrente.
Mit letztem bestandkräftigem Bescheid vom 7. Juni 2007 stellte der Beklagte unverändert einen GdB von 30 aufgrund einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20) und eines Restless-legs-Syndrom – RLS - (Einzel-GdB 20) fest.
Den Änderungsantrag der Klägerin vom 27. Juni 2008 lehnte der Beklagte nach Beiziehung medizinischer Befundunterlagen mit Bescheid vom 24. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2009 ab. Die Funktionsbehinderung des Hüftgelenkes beiderseits (Einzel-GdB 10) führe zu keiner wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Cottbus hat das Gericht nach Beiziehung von Befundberichten der die Klägerin behandelnden Ärzte den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 17. September 2010 gelangte der Sachverständige nach körperlichen Untersuchungen der Klägerin vom 6. und 15. September 2010 zu der Einschätzung, dass der GdB mit 30 aufgrund folgender Funktionsbeeinträchtigungen zu bewerten sei:
Lendenwirbelsäulenschmerzsyndrom (Einzel-GdB 20) Restless-legs-Syndrom (Einzel-GdB 30) Carpaltunnelsyndrom (Einzel-GdB 20) Funktionsbehinderung der Hüftgelenke (Einzel-GdB 10)
Den gutachtlichen Feststellungen und Einschätzungen folgend wies das Sozialgericht Cottbus die Klage mit Urteil vom 13. Januar 2011 ab.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter, die Feststellung eines GdB von 50 zu erreichen. Sie macht geltend, aufgrund des RLS werde sie in sehr schwerer Weise beeinträchtigt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 13. Januar 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 24. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2009 zu verpflichten zu Gunsten der Klägerin ab dem 27. Juni 2008 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Aufgrund richterlicher Beweisanordnung nach Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat am 31. Mai 2014 der Arzt für Neurologie Prof. Dr. S ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Darin ist er zu der Einschätzung gelangt, die Klägerin leide unter einem sehr schweren RLS, der hierauf beruhende GdB sei durchgängig auf 50 einzuschätzen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten, die im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie hat auch in der Sache Erfolg. Das sozialgerichtliche Urteil vom 13. Januar 2011 und die entgegenstehenden Bescheide des Beklagten waren aufzuheben bzw. zu ändern und der Beklagte entsprechend dem Antrag der Klägerin zu verpflichten, denn ihr steht ein Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 zu.
Rechtsgrundlage für die Feststellung ist § 69 Sozialgesetzbuch/Neuntes Buch (SGB IX) in Verbindung mit der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersmedV). Nach Teil A 3.c der Anlage zur VersmedV ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird. Hiernach war der GdB der Klägerin antragsgemäß jedenfalls mit 50 zu bemessen, denn bereits der höchste Einzel-GdB, der für das RLS in Ansatz zu bringen war, erreicht den Wert von 50. Das RLS ist als Hirnschaden mit isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndromen zu qualifizieren nach Teil B 3.1.2 der Anlage zur VersmedV. Zwar wird dort das RLS nicht ausdrücklich in der Reihe der beispielhaft genannten Krankheiten aufgeführt; aufgeführt werden Hirnschäden mit psychischen Störungen, zentrale vegetative Störungen als Ausdruck eines Hirndauerschadens, Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen, Hirnschäden mit kognitiven Leistungsstörungen, zerebralbedingte Teillähmungen und Lähmungen, das Parkinsonsyndrom und epileptische Anfälle; andere extrapyramidale Syndrome sind analog nach Art und Umfang der gestörten Bewegungsabläufe und der Möglichkeit ihrer Unterdrückung zu bewerten.
Hiernach hat der Senat keine Zweifel, dass jedenfalls ein GdB von 50 für das RLS der Klägerin angemessen ist. Die vorgenannten beispielhaften Auflistungen von Auswirkungen der Hirnschäden von isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndromen unterscheiden der Sache nach sämtlich zwischen eher leichten, eher mittelgradigen und eher schweren oder sehr schweren Störungen, wobei durchgängig schwere oder sehr schwere Störungen mindestens mit einem einzelnen GdB von 50 bewertet werden.
Eine solche Bewertung ist im Falle der Klägerin deswegen angebracht, weil sie an einem sehr schweren RLS leidet. Dies beruht auf dem Gesamtergebnis des Verfahrens, § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG, insbesondere auf dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. S. Der Sachverständige hat im Einzelnen und unter Bezugnahme auf die Konsensusempfehlungen der einschlägigen Fachgesellschaft ausgeführt, dass die Klägerin unter stark gestörten Bewegungsabläufen leidet, die nur teilweise und dann nur unter Einsatz sehr starker Medikamente, wie sie etwa im Bereich der Behandlung von Parkinson-Syndromen zum Einsatz kommen, unterdrückt werden können. Die Auswirkungen für die Teilhabe an sämtlichen Lebensbereichen sind gravierend. Dabei ist es nicht von Belang, dass die Klägerin nach Eintritt in den Ruhestand die Auswirkungen ihrer Krankheit besser ertragen kann, denn dies bedeutet lediglich, dass sie nunmehr sich den Auswirkungen der Krankheit stärker unterwerfen kann, weil sie geringen zeitlichen und sonstigen anderen Einschränkungen unterliegt. Dies ändert aber nichts an den massiven Auswirkungen der Behinderung auf alle Bereiche des gesellschaftlichen und sonstigen Lebens der Klägerin.
Dem lassen sich auch nicht die Einschätzungen der vorangegangenen Sachverständigen Prof. Dr. G und Dr. A entgegensetzen, weil insoweit die Gutachten keine Überzeugungskraft besitzen. Im Hinblick auf das Gutachten des Prof. Dr. G hat der Sachverständige Prof. Dr. Sim Einzelnen ausgeführt, dass der Sachverständige Prof. Dr. G zu Unrecht eine Diabetes-Erkrankung der Klägerin angenommen und darüber hinaus neurologische Messungen teils fehlerhaft vorgenommen, teils unzutreffend bewertet hat. Im Hinblick auf das Sachverständigengutachten des Dr. A ist zu bedenken, dass dieser eine psychiatrische Bewertung auf der Grundlage der Bewertung von Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen entsprechend Teil B Nr. 3.7 der Anlage zur VersmedV vorgenommen hat, was im Hinblick auf die vorstehend als notwendig beschriebene Bewertung des RLS als Hirnschaden mit isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndromen nach Ziffer 3.1.2 nicht sachgerecht ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.