Urteile zum Merkzeichen G

Leitsatz / Urteilsbegründung Stichpunkte
Landessozialgericht Baden-Württemberg 3. Senat Entscheidungsdatum: 24.10.2018 Aktenzeichen: L 3 SB 2660/16


JURIS

LS: Zum Merkzeichen G: Bei der Beurteilung, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr besteht, ist zu beachten, dass das Gehvermögen von verschiedenen Faktoren geprägt wird. Dabei sind von Relevanz die anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und Behinderungen, und nicht die das Gehvermögen ebenfalls beeinflussenden Faktoren wie Trainingszustand, Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation. Mit Hilfe der unter den VG, Teil D, Nr. 1 Buchst. d bis f aufgeführten Regelbeispiele ist der für die Feststellung des Merkzeichens G tatsächlich in Betracht kommende Personenkreis praxisgerecht von den Personen abzugrenzen, die lediglich behaupten, ortsübliche Wegstrecken nicht mehr zu Fuß zurücklegen zu können, oder die aus nicht behinderungsbedingten Gründe ortsübliche Wegstrecken nicht zurücklegen.

Gründe: Gemäß den daher anwendbaren (BSG, Urteil vom 11.08.2015, B 9 SB 1/14 R, juris) Grundsätzen für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche ist nach den VG, Teil D, Nr. 1 Buchst. b Satz 1 ein schwerbehinderter Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, der infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Für die Bewegungseinschränkung ist nicht die Dauerhaftigkeit entscheidend. Nach den VG, Teil D, Nr. 1 Buchst. b Satz 2 kommt es bei der Prüfung der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen vorliegen, zudem nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein – das heißt altersunabhängig von nicht behinderten Menschen – noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt nach den VG, Teil D, Nr. 1 Buchst. b Satz 3 eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird. Nähere Umschreibungen für einzelne Krankheitsbilder und Behinderungen enthalten darüber hinaus die VG, Teil D, Nr. 1 Buchst. d, e und f. Nach den VG, Teil D, Nr. 1 Buchst. d Satz 1 sind die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können nach den VG, Teil D, Nr. 1 Buchst. d Satz 2 die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, zum Beispiel bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Nach den VG, Teil D, Nr. 1 Buchst. d Satz 3 kommt es auch bei inneren Leiden bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist nach den VG, Teil D, Nr. 1 Buchst. d Satz 4 eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, zum Beispiel chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind nach den VG, Teil D, Nr. 1 Buchst. d Satz 5 die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen. Besonderheiten gelten nach den VG, Teil D, Nr. 1 Buchst. e für hirnorganische Anfälle und nach den VG, Teil D, Nr. 1 Buchst. f für Orientierungsstörungen infolge von Sehbehinderungen, Hörbehinderungen oder geistigen Behinderungen.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass Anspruch auf den Nachteilsausgleich G über die genannten Regelbeispiele hinausgehend auch der schwerbehinderte Mensch hat, der nach Prüfung des einzelnen Falles aufgrund anderer Erkrankungen mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion und die zumutbare Wegstrecke dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis gleichzustellen ist, da die VG, Teil D, Nr. 1 keine abschließende Listung in Betracht kommender Behinderungen aus dem Formenkreis einzelner medizinischer Fachrichtungen enthalten (BSG, Urteil vom 11.08.2015, B 9 SB 1/14 R, juris).

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Versorungsmedizinische Grundsätze
in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung