Leitsatz / Urteilsbegründung | Stichpunkte | |
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Bayerisches Landessozialgericht 3. Senat Entscheidungsdatum: 11.06.2014 Aktenzeichen: L 3 SB 182/10 |
Gründe: Bei einem CFS (chronisches Erschöpfungssyndrom) handelt es sich um eine rein deskriptive Diagnose (H., Begutachtung somatoformer und funktioneller Störungen, Verlag Urban und Fischer, S. 103 ff.). Für die Beurteilung nach dem Schwerbehindertenrecht gelten die AHP 1996 ff., wobei dort das CFS je nach Schweregrad wie „leichtere psychovegetative oder psychische Störungen“ mit einem GdB von 0 bis 20 oder „stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen)“ mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten ist (H., a.a.O.). Dies gilt entsprechend für die insoweit inhaltsgleichen VG in Teil B Rz. 3.7. Nachdem der Kläger aufgrund des bei ihm bestehenden CFS seine Arbeitszeit um 15 % hat reduzieren müssen und auch eine längere Mittagspause einlegt, in der er sich zu Hause zum Schlafen hinlegt, ist das CFS vergleichbar einer psychischen Störung mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Denn eine „stärker behindernde Störung“ im Sinne der VG in Teil B Rz. 3.7 bzw. der vormals zu berücksichtigenden und insoweit inhaltsgleichen AHP liegt noch nicht vor. Andernfalls könnte der Kläger nicht zu 85 % seiner Tätigkeit als Beamter bei der Naturschutzbehörde beim Landratsamt A-Stadt nachgehen. Dort beschäftigt er sich mit landschaftlichen Eingriffen wie baulichen Anlagen, Artenschutz, Biotopverbesserungen, Landschaftspflege und Problemen mit erneuerbaren Energien. Er muss dabei Pläne und Vorhaben beurteilen, Stellungnahmen dazu verfassen, Informationen beschaffen und gelegentlich auch im Außenbereich die Gegebenheiten in Augenschein nehmen. Er hat gegenüber Prof. Dr. E. berichtet, insbesondere durch Umsetzung von EU-Recht und durch den wirtschaftlichen Druck infolge der Energiewende sei seine Tätigkeit anspruchsvoller und dichter geworden; er habe häufig mit Konfliktfeldern zu tun. Man müsse klare Strategien haben und seine Meinung sagen; er entscheide zunächst auf seinem Arbeitsgebiet relativ autonom, bevor die endgültige Entscheidung von der Verwaltung getroffen werde. Er müsse oft Initiativen zeigen und auch kommunikativ sein, z.B. mit vielen Personen telefonieren. Er könne sich seine Tätigkeiten relativ frei einteilen und selbst Prioritäten setzen, was ihm nicht schwer falle. Weiterhin hat der Kläger berichtet, den Weg zum Arbeitsplatz lege er grundsätzlich zu Fuß zurück, für Dienstfahrten benutze er sein eigenes Auto. Die Einsatzfähigkeit im Beruf habe für ihn immer Vorrang, daher unternehme er am Wochenende recht wenig. Er lebe alleine in einer gemieteten Wohnung und versorge sich selbst. Eine Partnerschaft habe er nie gehabt, was ihm ganz recht sei. Insgesamt lebe er eher zurückgezogen; er telefoniere gelegentlich mit Bekannten und besuche regelmäßig seine Eltern in Stuttgart. Die Kontakte im Rahmen der Berufstätigkeit seien für ihn ausreichend, viele persönliche Kontakte darüber hinaus benötige er nicht und solche seien auch mit seiner Lebensführung und mit seinen Regenerationsbedürfnissen nicht zu vereinbaren. – Mitte der 90iger Jahre habe er bemerkt, dass nach ausgiebigen sportlichen Wochenendaktivitäten wie Wandern und Skifahren der Regenerationsbedarf zugenommen habe. Ihm sei auch aufgefallen, dass er bei körperlicher Betätigung nach ca. 2 Std. eine volle Mahlzeit gebraucht habe, und dass nach weiteren 2 Std. die Leistungsfähigkeit erschöpft gewesen sei. Die Schilderung seiner beruflichen und persönlichen Lebenssituation erlaubt es dem Senat, das bei dem Kläger bestehende CFS schlüssig nachvollziehbar mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten (§ 128 Abs. 1 SGG), wie dies auch Dr. K. mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 26.11.2012, Dr. P. mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 17.12.2012 und nachfolgend zuletzt Prof. Dr. E. mit Gutachten vom 02.12.2013 befürwortet haben. Das CFS ist vorliegend vergleichbar einer leichteren Persönlichkeitsstörung mit einem Einzel-GdB von 20 befundangemessen berücksichtigt. |
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