4.1 Grundlagen
4.1.1. Die Teilhabe kann durch alle Störungen des Sehvermögens beeinträchtigt werden, insbesondere durch eine Herabsetzung der Sehschärfe, der Lesefähigkeit, durch Gesichtsfeldausfälle oder durch Augenbewegungsstörungen. Für die Beurteilung des Sehvermögens sind insbesondere die Sehschärfe unter bestmöglicher Korrektur und das Gesichtsfeld maßgeblich. Korrekturen der Sehschärfe können insbesondere durch Kontaktlinsen und Korrektionsgläser erfolgen. Es ist darauf zu achten, dass der morphologische Befund die Sehstörungen erklärt.
4.1.2 Das Ausmaß der Teilhabebeeinträchtigung bei Störungen der Sehfunktionen und verwandter Funktionen richtet sich nach der Ausprägung der Störung, der medizinisch notwendigen Verwendung von Hilfsmitteln, der Therapie und den daraus folgenden Beeinträchtigungen von Aktivitäten, wie insbesondere Wahrnehmung, Kommunikation, Mobilität sowie des sozialen, häuslichen und schulischen oder beruflichen Lebens.
4.1.3 Die Sehschärfe ist nach DIN 58220-5:2013-094 zu bestimmen; Abweichungen hiervon sind in Ausnahmefällen zulässig. Solche Ausnahmefälle sind zu begründen. Zum Nachweis von Blindheit oder Sehbehinderung ist die DIN 58220-3:2013-095 anzuwenden. Die Sehschärfeprüfung erfolgt einäugig und beidäugig. Unterscheiden sich die Ergebnisse dieser beiden Prüfungsarten, so ist bei der Bewertung die beidäugige Sehschärfe als Sehschärfewert des besseren Auges anzusetzen.
4.1.4 Zum Nachweis von Störungen des Gesichtsfelds sind grundsätzlich nur Ergebnisse der manuell-kinetischen Perimetrie entsprechend der Marke Goldmann III/4e zulässig. Eine Ausnahme stellt der Nachweis parazentraler homonymer Skotome oder anderer zentrumsnaher Skotome mit Beeinträchtigung der Lesefähigkeit dar. Zum Nachweis dieser Störungen sind auch andere standardisierte Methoden zulässig. Bei der Bewertung von Störungen des Gesichtsfelds ist das beidäugige Gesichtsfeld maßgebend.
4.2 Blindheit und hochgradige Sehbehinderung
4.2.1 Blindheit
Blind ist ein Mensch, dem das Sehvermögen vollständig fehlt. Als blind anzusehen ist ein Mensch, dessen Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht beidäugig mehr als 0,02 (1/50) beträgt oder wenn andere Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichzustellen sind. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn eine der folgenden Konstellationen vorliegt:
a) Bei einer Einengung des Gesichtsfelds, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 30 Grad vom Zentrum des Gesichtsfeldschemas entfernt ist. Gesichtsfeldreste, die im Gesichtsfeldschema jenseits von 50 Grad dokumentiert sind, bleiben unberücksichtigt.
b) Bei einer Einengung des Gesichtsfelds, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 15 Grad vom Zentrum des Gesichtsfeldschemas entfernt ist. Gesichtsfeldreste, die im Gesichtsfeldschema jenseits von 50 Grad dokumentiert sind, bleiben unberücksichtigt.
c) Bei einer Einengung des Gesichtsfelds, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger das Restgesichtsfeld maximal 15 Grad im Durchmesser beträgt. Gesichtsfeldreste, die im Gesichtsfeldschema jenseits von 50 Grad dokumentiert sind, bleiben unberücksichtigt.
d) Bei einer Einengung des Gesichtsfelds, auch bei normaler Sehschärfe, wenn das Restgesichtsfeld maximal 10 Grad im Durchmesser beträgt. Gesichtsfeldreste, die im Gesichtsfeldschema jenseits von 50 Grad dokumentiert sind, bleiben unberücksichtigt.
e) Bei großen Skotomen innerhalb von 50 Grad des Gesichtsfeldschemas, die zum Ausfall von mehr als der Hälfte unterhalb des horizontalen Meridians führen und von unten mindestens bis zum Zentrum des Gesichtsfeldschemas reichen, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt.
f) Bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30 Grad Durchmesser besitzt.
g) Bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene beidäugige Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30 Grad Durchmesser besitzt.
h) Bei einer bilateralen homonymen Hemianopsie ohne makulare Aussparung oder mit einer Aussparung von 5 Grad oder weniger. Gesichtsfeldreste, die im Gesichtsfeldschema jenseits von 50 Grad dokumentiert sind, bleiben unberücksichtigt.
4.2.3 Hochgradige Sehbehinderung
Hochgradig sehbehindert ist ein Mensch, dessen Sehschärfe beidäugig nicht mehr als 0,05 (1/20) beträgt oder wenn andere Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichzustellen sind. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn eine der folgenden Konstellationen vorliegt:
a) Bei einer Einengung des Gesichtsfelds, wenn bei einer Sehschärfe von 0,08 (1/12) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 30 Grad vom Zentrum des Gesichtsfeldschemas entfernt ist. Gesichtsfeldreste, die im Gesichtsfeldschema jenseits von 50 Grad dokumentiert sind, bleiben unberücksichtigt.
b) Bei einer Einengung des Gesichtsfelds, wenn bei einer Sehschärfe von 0,16 (5/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 20 Grad vom Zentrum des Gesichtsfeldschemas entfernt ist. Gesichtsfeldreste, die im Gesichtsfeldschema jenseits von 50 Grad dokumentiert sind, bleiben unberücksichtigt.
c) Bei einer Einengung des Gesichtsfelds, wenn bei einer Sehschärfe von 0,25 (5/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 15 Grad vom Zentrum des Gesichtsfeldschemas entfernt ist. Gesichtsfeldreste, die im Gesichtsfeldschema jenseits von 50 Grad dokumentiert sind, bleiben unberücksichtigt.
d) Bei einer Einengung des Gesichtsfelds, wenn bei einer Sehschärfe von 0,32 (5/15) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 10 Grad vom Zentrum des Gesichtsfeldschemas entfernt ist. Gesichtsfeldreste, die im Gesichtsfeldschema jenseits von 50 Grad dokumentiert sind, bleiben unberücksichtigt.
e) Bei einer Einengung des Gesichtsfelds, auch bei normaler Sehschärfe, wenn das Restgesichtsfeld maximal 15 Grad im Durchmesser beträgt. Gesichtsfeldreste, die im Gesichtsfeldschema jenseits von 50 Grad dokumentiert sind, bleiben unberücksichtigt.
f) Bei großen Skotomen innerhalb von 50 Grad des Gesichtsfeldschemas, die zum Ausfall von mehr als der Hälfte unterhalb des horizontalen Meridians führen und von unten mindestens bis zum Zentrum des Gesichtsfeldschemas reichen, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,16 (5/30) beträgt.
g) Bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,16 beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30 Grad Durchmesser besitzt.
h) Bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,16 (5/30) beträgt und das erhaltene beidäugige Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30 Grad Durchmesser besitzt.
4.2.3 Bei Blindheit oder bei hochgradiger Sehbehinderung beträgt der GdB 100.
4.2.4 Die Teilhabebeeinträchtigung infolge einer Störung des visuellen Erkennens (insbesondere einer visuellen Agnosie) ist ebenso wie die bei anderen neuropsychologischen Störungen nach Teil B Nummer 3 zu bewerten.
4.3 Sehschärfeminderung
Der GdB für die Sehschärfeminderung ist der folgenden Tabelle zu entnehmen. Die fett markierten Zahlen rechts und unterhalb des markierten Rahmens geben GdB wieder.
4.4 Störungen des Gesichtsfelds
4.4.1 Vollständige homonyme Hemianopsie
4.4.1.1 Bei vollständiger homonymer Hemianopsie mit makularer Aussparung beträgt der GdB
4.4.1.2 Bei vollständiger homonymer Hemianopsie ohne makulare Aussparung beträgt der GdB
4.4.2.1 Bei vollständiger homonymer Quadrantenanopsie nach oben beträgt der GdB
4.4.2.2 Bei vollständiger homonymer Quadrantenanopsie nach unten beträgt der GdB 30.
4.4.2.3 Bei vollständiger homonymer Quadrantenanopsie nach unten beidseits (horizontale untere Hemianopsie) beträgt der GdB
4.4.3 Bei homonymem parazentralem Skotom oder anderen, den Visus nicht beeinträchtigenden, zentrumsnahen Skotomen beträgt der GdB
4.4.4 Bei vollständiger bitemporaler Hemianopsie beträgt der GdB
4.4.5 Bei vollständiger binasaler Hemianopsie beträgt der GdB
4.4.6 Allseitige Gesichtsfeldeinengung eines Auges
4.4.6.1 Bei allseitiger Gesichtsfeldeinengung auf 15 Grad Abstand vom Zentrum des Gesichtsfeldschemas und bei normalem Gesichtsfeld des anderen Auges beträgt der GdB
4.4.6.2 Bei allseitiger Gesichtsfeldeinengung auf maximal 10 Grad Durchmesser des Restgesichtsfelds und bei normalem Gesichtsfeld des anderen Auges beträgt der GdB
4.4.7 Allseitige Einengung des beidäugigen Gesichtsfelds
4.4.7.1 Bei allseitiger Einengung des beidäugigen Gesichtsfelds auf 50 Grad Abstand vom Zentrum des Gesichtsfeldschemas beträgt der GdB
4.4.7.2 Bei allseitiger Einengung des beidäugigen Gesichtsfelds auf 40 Grad Abstand vom Zentrum des Gesichtsfeldschemas beträgt der GdB
4.4.7.3 Bei allseitiger Einengung des beidäugigen Gesichtsfelds auf 30 Grad Abstand vom Zentrum des Gesichtsfeldschemas beträgt der GdB
4.4.7.4 Bei allseitiger Einengung des beidäugigen Gesichtsfelds auf 20 Grad Abstand vom Zentrum des Gesichtsfeldschemas beträgt der GdB
4.4.7.5 Bei allseitiger Einengung des beidäugigen Gesichtsfelds auf 15 Grad Abstand vom Zentrum des Gesichtsfeldschemas beträgt der GdB
4.4.7.6 Bei allseitiger Einengung des beidäugigen Gesichtsfelds auf 10 Grad Abstand vom Zentrum des Gesichtsfeldschemas beträgt der GdB
4.4.7.7 Bei allseitiger Einengung des beidäugigen Gesichtsfelds auf maximal 15 Grad Durchmesser des Restgesichtsfelds beträgt der GdB
4.4.8 Unregelmäßige Gesichtsfeldausfälle und Skotome
4.4.8.1 Bei unregelmäßigen Gesichtsfeldausfällen oder Skotomen im 50 Grad-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians beidäugig, wenn mindestens 1/3 der Fläche ausgefallen ist, beträgt der GdB
4.4.8.2 Bei unregelmäßigen Gesichtsfeldausfällen oder Skotomen im 50 Grad-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians beidäugig, wenn mindestens 2/3 der Fläche ausgefallen sind, beträgt der GdB
4.4.9 Kombination unterschiedlicher Störungen des Gesichtsfelds GdB
Wenn unterschiedliche Störungen des Gesichtsfelds in Kombinationen vorliegen, dienen die unter Nummer 4.4.1 bis 4.4.8 angegebenen Bewertungen als Orientierung für die Ermittlung der Teilhabebeeinträchtigung bei der im Einzelfall nachgewiesenen Störung des beidäugigen Gesichtsfelds.
4.5 Doppeltsehen (Diplopie)
4.5.1 Bei einseitiger Bildunterdrückung durch Gewöhnung (Exklusion) und entsprechendem Verschwinden der Doppelbilder beträgt der GdB
4.5.2 Wenn bei gerader Kopfhaltung
a) in der ganzen unteren Hälfte des Blickfeldes bis einschließlich 30 Grad,
b) in der ganzen seitlichen Hälfte des Blickfeldes (innerhalb von mindestens 20 Grad) oder
c) in der oberen Hälfte innerhalb der zentralen 10 Grad des Blickfeldes beginnend,
Doppelbilder auftreten, beträgt der GdB
4.5.3 Wenn zur Vermeidung von Doppelbildern im zentralen Blickfeld eine kompensatorische Kopfhaltung eingenommen werden muss, beträgt der GdB
4.5.4 Wenn ein Auge wegen Doppelbildern dauerhaft vom Sehen ausgeschlossen werden muss, beträgt der GdB 20.
4.6 Störungen des Kontrastsehens und des Dämmerungssehens
Bei erheblicher nachgewiesener Störung des Kontrastsehens oder des Dämmerungssehens mit Auswirkung auf die Lesefähigkeit oder Orientierung gilt: Beträgt der sich aus der Minderung der Sehschärfe für beide Augen ergebende GdB höchstens 60, ist dieser um 10 zu erhöhen.
4.7 Störungen verwandter Funktionen
4.7.1 Bei ständigem ein- oder beidseitigem Tränenträufeln beträgt der GdB
4.7.2 Bei Störung der Lidfunktion mit dauerhaft vollständiger Bedeckung der Pupille einschließlich der dadurch bedingten Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes beträgt der GdB
4.7.3 Außergewöhnlich schwere Beeinträchtigungen des äußeren Erscheinungsbildes, insbesondere bei fehlender Beweglichkeit einer Prothese und ständigem Einsinken der Oberliddeckfalte mit Enophthalmus (Postenukleations-Socket-Syndrom), sind zusätzlich zum Funktionsverlust des betroffenen Auges zu bewerten; der GdB beträgt einschließlich des Funktionsverlusts höchstens
4.8 Primäre maligne intraokulare Tumore
4.8.1 Heilungsbewährung
Störungen der Sehfunktionen oder verwandter Funktionen, die mit Beginn des Zeitraums der Heilungsbewährung eindeutig festgestellt sind und deren Auswirkungen auf die Teilhabe über den Zeitraum der Heilungsbewährung hinaus dauerhaft verbleiben, sind getrennt zu bewerten. Mit Ablauf des Zeitraums der Heilungsbewährung ist zu beachten, dass Auswirkungen der Therapie (insbesondere chronische Müdigkeit, Neuropathien, Beeinträchtigung der Entwicklung oder Beeinträchtigung kognitiver Funktionen) verbleiben können. Die daraus folgende Teilhabebeeinträchtigung ist dann im jeweiligen Funktionssystem zu bewerten.
4.8.2 Melanom der Uvea
4.8.2.1 Die Größenkategorien entsprechen der TNM-Klassifikation maligner Tumoren der International Union Against Cancer.
4.8.2.2 Bei kleinem Melanom (Größenkategorie 1 und 2) oder mittlerem Melanom (Größenkategorie 3) ohne Beteiligung des Ziliarkörpers beträgt der GdB ab Diagnose für einen Zeitraum von fünf Jahren
4.8.2.3 Bei großem Melanom (Größenkategorie 4) oder Melanomen mit Beteiligung des Ziliarkörpers beträgt der GdB ab Diagnose für einen Zeitraum von fünf Jahren mindestens
4.8.2.4 Bei Nachweis von Fernmetastasen beträgt der GdB unabhängig von der Größe und Lage des Tumors
4.8.3 Retinoblastom
4.8.3.1 Die Gruppeneinteilung richtet sich nach der International Intraocular Retinoblastoma Classification.
4.8.3.2 Bei Retinoblastom der Gruppen A bis C beträgt der GdB ab Diagnose für einen Zeitraum von fünf Jahren
4.8.3.3 Bei Retinoblastom der Gruppe D ohne postlaminare Infiltration in den N. opticus beträgt der GdB ab Diagnose für einen Zeitraum von fünf Jahren
4.8.3.4 Bei Retinoblastom der Gruppe D mit Infiltration in den N. opticus und Gruppe E beträgt der GdB ab Diagnose für einen Zeitraum von fünf Jahren
4.8.3.5 Bei bilateralem Befall beträgt der GdB ab Diagnose am zweiten Auge für einen Zeitraum von fünf Jahren mindestens
4.8.3.6 Fernmetastasen sind zusätzlich zu bewerten.
4.9 Uveitis
Für die Bewertung der Teilhabebeeinträchtigung, die sich aus der systemischen Therapie einer Uveitis ergibt, sind die Kriterien für die Begutachtung bei entzündlich- rheumatischen Erkrankungen heranzuziehen.