März 2001
Von einem Versorgungsärztlichen Dienst wurde berichtet, dass es bei der gutachtlichen Beurteilung von Beeinträchtigungen der geistigen Entwicklung im Schul- und Jugendalter zu divergierenden Ergebnissen bei der GdB/MdE-Bewertung komme, wenn sich externe Gutachter zur Einschätzung des Schweregrades der geistigen Leistungsfähigkeit nicht an den in Nr. 26.3, S. 57f der „Anhaltspunkte“ genannten Kriterien, sondern – was zunehmend zu beobachten sei – an den in der ICD-10 genannten Maßstäben, in denen dem Intelligenzquotienten (IQ) eine besondere Bedeutung beigemessen werde, orientierten. Bei Übertragung der in der ICD- 10 genannten Einteilung auf die Nr. 26.3 der „Anhaltspunkte“ käme es regelmäßig zu einer höheren GdB/MdE-Bewertung. Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit würden sich immer häufiger den Ausführungen externer Gutachter, die ihren Beurteilungen die Einteilung der ICD-10 zugrunde legten, anschließen.
Die Beiratsmitglieder stellten nach eingehender Diskussion klar, dass Grundlage für die Beurteilung von Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit (vgl. auch Rdschr. des BMA vom 20.03.01) die in Nr. 26.3 der „Anhaltspunkte“ genannten Kriterien sind. In den Sachverständigengesprächen, die im Rahmen der Überarbeitung der „Anhaltspunkte“ geführt wurden, war für die Beurteilung der Auswirkungen der Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit der Bezug auf den IQ nicht als wesentlich und sogar als diskriminierend angesehen worden. Deshalb soll er für Begutachtungen im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz nur hilfsweise herangezogen werden. Die in der ICD-10 genannten Kriterien haben ein ganz anderes Anliegen, nämlich im klinischen Bereich auf internationalem Niveau einheitliche Diagnosekriterien zu schaffen. Diagnosen und Auswirkungen seien aber nicht identisch. Insofern sei es auch nicht möglich, das Ausmaß und die Auswirkungen von Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit nach der ICD-10 zu beurteilen und dann hinsichtlich des GdB/MdE-Grades mit der in den „Anhaltspunkten“ getroffenen Einteilung zu vermischen. Um den Anschein zu vermeiden, dass die in den „Anhaltspunkten“ genannten Kriterien mit den in der ICD-10 genannten Kriterien identisch seien, empfahlen die Anwesenden, bei dem Begriff „schwerer Intelligenzmangel“ (Nr. 26.3, S. 58 der „Anhaltspunkte“) das Wort „schwerer“ zu streichen.