PTBS

März 2014

DSM-5 als Grundlage der Beurteilung der Posttraumatischen Belastungsstörung

Das Rundschreiben des BMAS vom 02.12.2008 – IV c 3 – 46052 – 2/60 Beschluss vom 6./7. November 2008 zu posttraumatischer Belastungsstörung – Klinik und Begutachtung – hat weiterhin Gültigkeit.

Ärztlicher Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales Tagung vom 06. bis 07. November 2008, Beschluss zu posttraumatischer Belastungsstörung - Klink und Begutachtung Punkt 1.1 der Sitzung der Sektion „Versorgungsmedizin“ des ärztlichen Sachverstän-digenbeirats beim BMA am 12./13. November 1997 - Az.: 65-50122-2/38

Die im Zusammenhang mit der Anwendung des Beschlusses der Sektion „Versorgungsmedizin“ des ärztlichen Sachverständigenbeirats beim Bundesministerium für Arbeit und Sozia-les vom 12./13. November 1997 (die Begutachtung bei posttraumatischer Belastungsstörung betreffend) aufgetretenen Probleme wurden eingehend mit psychiatrisch-gutachtlich besonders erfahrenen Sachverständigen in einem Fachgespräch am 30. und 31. Oktober 2007 er-örtert. Das Ergebnis dieses Fachgespräches wurde mehrfach im ärztlichen Sachverständi-genbeirat diskutiert, dieser empfahl auf seiner Sitzung am 06. bis 07. November 2008 folgende Neufassung des Beschlusses zu TOP 1.1 vom November 1997:

Posttraumatische Belastungsstörung - Klinik und Begutachtung

Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung setzt eine sorgfältige psychiatrische Untersuchung und eine genaue Orientierung an den von der ICD-10 (F 43.1) und dem DSM IV-TR (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) vorgegebenen diagnostischen Kategorien voraus.

Das bedeutet, dass

A. die betroffene Person Opfer oder Zeuge eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse war, die tatsächlichen oder drohenden Tod oder ernsthafte Verletzung oder eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer Personen beinhalteten und dass die Reaktion des/der Betroffenen intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen umfasste,

B. ein ständiges Wiedererleben des traumatischen Erlebnisses auf mindestens einer der im DSM IV - TR genannten Arten gutachtlich auf Befundebene nachvollziehbar geschildert wird,

C. eine anhaltende Vermeidung von Stimuli, die mit dem Trauma in Verbindung stehen, oder eine Einschränkung der allgemeinen Reagibilität, die vor dem Trauma nicht vorhanden war, in mindestens drei der im DSM IV genannten Merkmale zum Ausdruck kommt,-

D. anhaltende Symptome eines erhöhten Erregungsniveaus vorliegen, die vor dem Trauma nicht vorhanden waren und die durch mindestens zwei der im DSM IV genannten Merkmale gekennzeichnet sind.
Bei der Erhebung dieser Befunde können psychologische Zusatzuntersuchungen hilfreich sein, so sollte im Zweifelsfall die Glaubhaftigkeit der Aussagen des Betroffenen durch entsprechende Standardverfahren (z. B. Beschwerden-Validierungstest, MMPl-2) belegt werden.

E. das Störungsbild länger als 1 Monat dauert und in klinisch bedeutender Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsberei-chen verursacht.

Hieraus ergibt sich: Die Diagnose „posttraumatische Belastungsstörung“ ist - abgesehen von der Grundvoraussetzung, dass ein unter A. beschriebenes schwerwiegendes Trauma erwiesenermaßen erlebt wurde - nur zu stellen, wenn im psychischen Bereich mindestens sechs verschiedene Symptome, unterschiedlich aufgegliedert, erkennbar sind, die unmittelbar (durch Formen des Wiedererlebens oder durch Vermeidungsstrategien) auf das traumatische Erlebnis zu beziehen und neu nach dem Trauma in Erscheinung getreten sind.

Die der chronischen PTBS vorangehende Akutsymptomatik tritt in der Regel innerhalb eines Monats nach dem traumatisierenden Ereignis auf, völliges Fehlen von Symptomen ist aber - wenn auch selten - möglich. Das differentialdiagnostische Abwägen hat besonders kritisch zu erfolgen.
Allgemein sollte differentialdiagnostisch insbesonders an folgende Gesundheitsstörungen gedacht werden: affektive Störungen, Angsterkrankung, Anpassungsstörung, Trauerreaktion, Zwangsstörungen, psychotische Störungen, Abhängigkeitserkrankungen, akute Belastungsstörung, Simulation.
Der Gutachter soll sorgfältig dokumentieren, welche diagnostisch wegweisenden Beschwer-den geschildert werden und welche auf Befundebene nachvollziehbar sind, dabei sind auch negative Befunde zu erwähnen.

Liegen nur einzelne Symptome und nicht die in den Bereichen B., C. und D. jeweils gefor-derte Mindestanzahl von Symptomen vor, ist die Diagnose „posttraumatische Belastungsstörung“ nicht gerechtfertigt, auch dann nicht, wenn die Symptome z.B. ein Wiedererleben des traumatischen Ereignisses zum Inhalt haben oder wenn die Mindestanzahl der unter C. und D. angegebenen psychischen Störungen nur unter Einbeziehung von Störungen, die schon vor dem Trauma bestanden haben, zustande kommt. Allerdings können auch Teilsymptomebzw. andere psychische Traumafolgen Funktionsstörungen bedingen. Sind alle Kriterien der PTBS erfüllt, ist ein GdS von wenigstens 30 gerechtfertigt.

Unter diesen Umständen ist es erforderlich, schon bei der Erstbegutachtung nach einem psychischen Trauma bei der Frage einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht nur sorgfältig nach den einzelnen Symptomen zu forschen, sondern auch anamnestisch genau zu differenzieren, welche Symptome bereits vor dem Trauma bestanden haben und welche nach dem Trauma neu entstanden sind.

Zu beachten ist, dass sich die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung erst nach einer Latenzzeit von Wochen oder Monaten ausbilden können (in der Regel innerhalb 3 Monate). Wenn die Symptomatik erst sechs Monate nach dem Trauma oder später be-ginnt, wird im DSM IV von einem „Typus mit verzögertem Beginn“ gesprochen. In solchen Fällen muss besonders geprüft werden, ob und wieweit Erlebnisse nach dem Trauma die Symptomatik mitbestimmen.

In analoger Weise sind bei Nachuntersuchungen von Traumaopfern, bei denen eine „posttraumatische Belastungsstörung“ als Schädigungsfolge anerkannt wurde, die noch bestehenden Symptome genau zu ermitteln, und bei längerem Fortbestehen von Symptomen, die zur „Einschränkung der allgemeinen Reagibilität“ (C.) oder zu den „Symptomen eines er-höhten Erregungsniveaus“ (D.) gehören, ist zu prüfen, ob diese unspezifischen Symptome noch kausal auf das traumatische Ereignis zurückzuführen oder durch psychische Belastun-gen anderer Art bedingt sind („Verschiebung der Wesensgrundlage“). Solche Nachuntersuchungen sind im Hinblick auf die grundsätzlich mögliche Reversibilität posttraumatischer Belastungsstörungen - von wenigen Fällen abgesehen (so auch ICD-10) - in der Regel zwei Jahre nach der Feststellung dieser Traumafolge durchzuführen.



Versorungsmedizinische Grundsätze
in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung