Hepatitis

November 2002

Begutachtung bei chronischen Virushepatitiden: Modifizierter histologischer Aktivitätsindex (HAI)

Das Ministerium unterrichtet die Beiratsmitglieder über ein Gespräch zwischen der Parlamentarischen Staatssekretärin . . . und Herrn Rechtsanwalt . . . , der weiterhin ungleiche Begutachtungsund Anerkennungspraxis der Hepatitis C beklagte. Die Beiratsmitglieder sahen als mögliche Ursache solcher Fehlbegutachtungen Fehlinterpretationen der histologischen Befunde, da pathologische Nomenklatur und HAI-Score mit den entsprechenden Angaben der „Anhaltspunkte“ nicht deckungsgleich sind. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten die Versorgungsärzte der Beurteilung die numerische Angabe des HAI zugrunde legen.

November 2002

Begutachtung bei chronischen Virushepatitiden: GdB/MdE-Bewertung unter dem Gesichtspunkt der „Heilungsbewährung“?

In einer Eingabe an das Ministerium wurde nach der „Heilungsbewährung“ eine Hepatitis C nach Interferon-Therapie gefragt. Die Beiratsmitglieder stellten dazu fest, dass die Empfehlung, eine Nachuntersuchung nach Interferon-Therapie bei Hepatitis C erst nach einem Jahr durchzuführen, nicht eine „Heilungsbewährung“ unterstellt. Eine „Heilungsbewährung“ sei weiterhin bei Hepatitis C nicht gerechtfertigt.

April 2002

Hormonersatztherapie und Hepatitis C

Von einem Versorgungsärztlichen Dienst war vorgetragen worden, dass von Frauen mit einer chronischen Hepatitis C klimakterische Beschwerden als mittelbare Schädigungsfolgen mit der Begründung geltend gemacht werden, dass wegen der chronischen Hepatitis eine Hormonersatztherapie kontraindiziert sei. Daraus ergab sich die Frage, ob eine Hormonersatztherapie leberschädigend sei. Gynäkologischerseits wurde von Herrn Dr. . . . ausgeführt, dass eine Hormonersatztherapie ohne das Risiko einer Leberschädigung durchgeführt werden könne, wenn Applikationsformen gewählt werden (z. B. Pflaster, Gel), die die Leber nicht belasten. Dies werde auch durch die Erfahrungen bei der Behandlung leberkranker Patientinnen nach Entfernung der Eierstöcke bestätigt. Die Hormonsubstitution betroffener Frauen soll nur durch entsprechend erfahrene Ärzte erfolgen. Aufgrund dieser Ausführungen vertraten die Anwesenden die Auffassung, dass kein sachliches Argument gegen eine Hormonsubstitution bei Frauen mit chronischer Hepatitis spreche.

März 2000

Gutachtliche Beurteilung bei chronischer Hepatitis

Die Bund/Länder-Arbeitsgruppe „Anti-D-AG“ hat das BMA um Prüfung gebeten, ob gesteigerte ALAT-Werte zu einer höheren Einstufung bei der MdE-Beurteilung der Hepatitis C führen müssten. Die Beiratsmitglieder verwiesen hierzu zunächst auf die Beiratsbeschlüsse vom November 1996 (TOP 2.1) und November 1998 (TOP 1.4), wonach die ALAT-Werte nur hilfsweise zur MdE-Beurteilung der Hepatitis C verwendet werden dürfen, wenn andere Befunde, insbesondere histologische, nicht beschafft werden können.
Die jetzt gestellte Frage, ob gesteigerte ALAT-Werte allein – in Abweichung von den genannten Beiratsbeschlüssen – zu einer höheren GdB/MdE-Beurteilung führen müssten, wurde von den Beiratsmitgliedern übereinstimmend verneint. Selbst wenn der ALAT-Wert weit über 3 μ/ls liegt, rechtfertige dieser Wert allein ohne andere Funktionsstörungen keinen GdB/MdE-Grad über 50. Wenn das Leiden aber bereits so ausgeprägt ist, dass die Annahme eines GdB/MdE-Grades über 50 in Betracht zu ziehen ist, sind die ALAT-Werte für diese Beurteilung nicht mehr ausschlaggebend.
Die Feststellung, dass ALAT-Werte allein keine GdB/MdEErhöhung begründen können, wurde anhand einer eindrucksvollen Kasuistik belegt:
Bei einer Frau war eine Hepatitis C nach Anti-Dlmmunprophylaxe in der DDR auf Grund von ALAT-Werten mit einer MdE von 40 vH nach dem BSeuchG anerkannt worden. Die Frau war an Herzversagen verstorben. Bei der Obduktion fand sich eine chronische Stauungsleber, aber keine Hepatitis. Wäre zu Lebzeiten eine Leberhistologie (durch Biopsie) durchgeführt worden, hätte belegt werden können, dass die allein aufgrund der ALAT-Werte vorgenommene MdE-Beurteilung sachlich unzutreffend war.
Diese Mitteilung bestätigt auch die Bedenken gegen die alleinige Bewertung nach ALAT-Werten im Beiratsbeschluss vom 8.11.1998.
In diesem Zusammenhang war das BMA darauf aufmerksam gemacht worden, dass sich durch das Umrechnen von Normalwerten pathologische ALAT-Werte ergeben könnten. Die Beiratsmitglieder wiesen darauf hin, dass derartige Umrechnungen in den meisten Fällen nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen und daher zweifelhaft sind. Die in den Beiratsprotokollen genannten ALAT-Werte entsprächen dem SI-System (μ/ls bei 37 C). Bei anderen Labormethoden sind die vom Beirat genannten Grenzwerte anhand der Referenzwerte zu ermitteln.

April 1999

Gutachtliche Beurteilung bei Hepatitis C (HCV) – u. a. Frage der Nachuntersuchung

Von einem versorgungsärztlichen Dienst wurden zur Begutachtung der Hepatitis C mehrere Einzelfälle zur Diskussion gestellt. Die Beiratsmitglieder äußerten hierzu ganz allgemein, dass die Transaminasen zur Beurteilung der Aktivität einer nachgewiesenen Hepatitis C mehrfach – in der Regel dreimal im Jahr – bestimmt werden müssten. Der Virusnachweis mittels Polymerase- Kettenreaktion (PCR) gelte heute als so empfindlich, dass bei mehreren negativen Ergebnissen von einer Viruselimination ausgegangen werden könne. Der Verlauf einer Hepatitis C sollte immer auf Grund mehrerer Parameter beurteilt werden. Zur Wertigkeit dieser Parameter verwiesen die Anwesenden auf die Niederschrift zu TOP 2.1 der Beiratssitzung vom 18./19.11.1996. Nach einer Interferonbehandlung sollte eine Nachuntersuchung frühestens nach einem Jahr erfolgen.

November 1997

Beurteilung des GdB/MdE-Grades bei Virushepatitis C (vgl. TOP 2.1 vom 18./19.11.1996)

Zur Diskussion stand die Frage nach der Beurteilung einer chronischen Virushepatitis C ohne Progression mit histologisch nachgewiesener Fibrose Grad 2.
Hierzu stellten die Beiratsmitglieder fest, dass in diesem Einzelfall eine Fibrose ohne zusätzliche Funktionsbeeinträchtigung keine höhere GdB/MdE-Bewertung rechtfertige, als sie für eine chronische Hepatitis ohne Progression in Nummer 26.10 der „Anhaltspunkte“ vorgesehen sei.
Ergänzend wurde von seiten des BMA darauf hingewiesen, dass nach Aussagen von Herrn Prof. Dr. . . . , der in der Niederschrift des Beirats zu TOP 2.1 vom 18./19.11.1996 für einen GdB-/MdEWert von 30 vorgesehene ALAT-Wert von „0,5 bis 1,0 μmol/sl geändert werden muss. Der relevante ALAT-Wert beträgt „0,5 bis 1,5 μmol/sl“ (vgl. auch MedSach Heft. 1/1998, 16).

November 1996

Begutachtung bei Hepatitis C

Zu diesem Tagesordnungspunkt waren die Herren Professoren . . . aus Von einem Beiratsmitglied aus einem neuen Bundesland wurde einleitend die Problematik bei der Begutachtung von Frauen, die in der DDR im Rahmen der Anti-D-Prophylaxe mit verunreinigten Chargen von humanem Immunglobulin eine Hepatitis C erworben hatten, dargestellt. Im Vordergrund standen dabei insbesondere Fragen, wie der Gutachter zu einem klaren Urteil kommen könne, wenn keine Ergebnisse einer Biopsie vorliegen, und aufgrund welcher Kriterien eine chronische Hepatitis C mit Progression von einer ohne Progression (GdB/MdE-Grad 20 bzw. 30) unterschieden werden kann.
Auf entsprechende Fragen der Beiratsmitglieder äußerten sich die Sachverständigen wie folgt:
Die Diagnose der Hepatitis C kann erst seit 6 – 7 Jahren gestellt werden. Im Vergleich zur Hepatitis B verläuft die Hepatitis C häufiger chronisch; die Hepatitis B ist aggressiver. Die Chronizität bei Hepatitis C beeinträchtigt die Betroffenen über Jahre hinweg nicht oder nur außerordentlich gering. Die in der DDR mit verunreinigtem Anti-D-lmmunglobulin behandelten Frauen wurden mit dem Hepatitis-C-Virus-Typ lb infiziert. Dieser Typ ist mit 80% der in Europa häufigste Hepatitis-C-Virustyp. Nach derzeitigem Wissensstand werden bei diesem Typ 50 bis 80% der Krankheitsverläufe chronisch. Bei den durch Anti-D-lmmunglobuline mit Hepatitis-C-Virus infizierten Frauen, die in Dresden betreut werden, sind nach einem über 15-jährigen Verlauf bisher allein aufgrund der Hepatitis-C weder Leberzirrhosen noch Leberzellkarzinome aufgetreten. Vier der betroffenen Frauen haben zwar eine Zirrhose entwickelt, bei diesen liegen jedoch zusätzlich erhebliche nutritiv-toxische Belastungen (Alkoholmissbrauch) vor. Es ist bekannt, dass die Hepatitis-C einen alkohol-toxischen Leberschaden fördert. Im häuslichen Bereich ist es bei den betroffenen Frauen bisher zu keiner Übertragung des Hepatitis-C-Virus auf Ehemänner, Partner oder Kinder – auch nicht perinatal oder durch Stillen – gekommen. Nach der Literatur liegt dieses Risiko bei maximal 5%.
Als Komplikationen einer chronischen Hepatitis-C sind Kryoglobulinämie, Nephritis, Lichen planum ruber und Gelenkentzündungen wahrscheinlich häufiger als bei Hepatitis-B. Eine von betroffenen Frauen vorgebrachte chronische Bronchitis ist dagegen keine Folge der Hepatitis-C-Virus-Infektion. Die Klassifikation der Hepatitis-C in eine chronisch-persistierende bzw. chronisch-aktive (aggressive) Hepatitis ist nur als idealtypisch zu betrachten, da in der Leber verschiedene Formen zugleich vorkommen können. Die Beurteilung der Progression einer Leberentzündung kann im Einzelfall außerordentlich problematisch sein, weil z. B. das Ausmaß der entzündlichen Aktivität über viele Jahre gleichbleiben kann. Von Bedeutung ist nicht allein der Nachweis von HCV-Antikörpern, sondern auch der Virusreplikation. Nur beim Vorliegen einer Virusreplikation ist die Hepatitis-C klinisch und auch gutachtlich relevant Die entzündliche Aktivität ist in der Regel aus der Höhe der Transaminasen, z. B. der Alaninaminotransferase (ALAT) abzuleiten. Allerdings kann die Hepatitis-C zur Fibrose geführt haben, ohne dass die Transaminasen erhöht sind. Eine Korrelation zwischen den Transaminasen und der durch Punktion gewonnenen Leberhistologie besteht insofern nicht. Eine Differenzierung zwischen einer HCV-Infektion mit Virusreplikation ohne entzündliche Aktivität und einer HCV-Infektion mit Virusreplikation und mit entzündlichen Veränderungen bei Fehlen eindeutig erhöhter Entzündungsparameter ist prinzipiell nur durch eine (wegen der therapeutischen Konsequenzen klinisch indizierte) Leberpunktion möglich; eine Punktion aus gutachtlichen Gesichtspunkten ist nicht durchsetzbar. Eine Entscheidungshilfe kann beim Fehlen einer Leberbiopsie die Oberbauchsonographie geben, aber nur dann, wenn diese von einem diesbezüglich erfahrenen Kliniker durchgeführt wird. Auch für die Differenzierung der verschiedenen Schweregrade der Entzündung ist an sich eine Leberbiopsie notwendig. Nur wenn diese nicht möglich ist, ist der Kliniker bei der Beurteilung der entzündlichen Aktivität auf die Bestimmung der Transaminasen angewiesen. In der Regel sprechen höhere Transaminasenwerte für eine stärkere Aktivität der chronischen Hepatitis. So rechtfertigen mehrfach nachgewiesene erhöhte Transaminasenwerte von ALAT 0,5 - 1 μmol/sl einen GdB/MdEGrad von 30, von ALAT 1 - 3 μmol/sl einen GdB/MdE-Grad von 40 und von ALAT über 3 μmol/sl einen GdB/MdE-Grad von 50. Nach Anhörung der Sachverständigen fassten die Beiratsmitglieder die Konsequenzen für die Begutachtung wie folgt zusammen:
Der Nachweis von HCV-Antikörpern allein ohne Virusreplikation rechtfertigt nicht die Annahme eines GdB/MdE-Grades. In den Fällen, in denen ein Virusnachweis mit Replikation vorliegt, aber keine Entzündung nachgewiesen ist (weder durch Laborwerte noch durch Leberbiopsie) wird die chronische Hepatitis als chronische Hepatitis ohne Progression (früher chronisch-persistierende Hepatitis) bezeichnet. In diesem Fall ist von einem GdB/MdEGrad von 20 auszugehen.
Wenn entzündliche Aktivitäten innerhalb der Leber nachgewiesen sind, wird die chronische Hepatitis als chronische Hepatitis mit Progression (früher chronisch-aktive Hepatitis) bezeichnet. Hierbei ist ein GdB/MdE-Grad von wenigstens 30 zugrunde zu legen. Wenn nach allen beigezogenen und erhobenen Befunden nicht als nachgewiesen angesehen werden kann, dass entzündliche Aktivitäten bestehen, d. h. dass eine chronische Hepatitis mit Progression vorliegt, kann nur ein GdB/MdE-Grad von 20 angenommen werden.
Beim Vorliegen einer chronischen Hepatitis mit Virusreplikation und entzündlicher Aktivität ist der Gutachter beim Fehlen einer Leberpunktion auf die Bestimmung der Transaminasen und weitere Befunde angewiesen. Höhere Transaminasenwerte können als Ausdruck einer größeren Aktivität der chronischen Entzündung angesehen werden. Das Ausmaß der entzündlichen Aktivität kann über viele Jahre gleichbleiben; zu einer kumulativen Leberschädigung kommt es nicht. Ein Übergang der chronischen Hepatitis-C in eine Fibrose und Zirrhose ist bisher bei den im Rahmen der Anti-D-Prophylaxe infizierten Frauen – im Gegensatz zu sonstigen Erfahrungen – sehr selten, es sei denn, dass zusätzliche lebertoxische Faktoren einwirken. Die Infektionsgefahr ist außerordentlich gering, selbst im engsten Familienkreis.



Versorungsmedizinische Grundsätze
in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung