April 2002
Bei der manuell-kinetischen Perimetrie nach Goldmann wird in der Regel eine Reizmarke bestimmter Größe und Lichtintensität von außen nach innen (zentripetal) bewegt. Von einem Gutachter war die Reizmarke in entgegengesetzter Richtung (zentrifugal) bewegt worden, wobei, diese Untersuchung ein deutliches größeres Gesichtsfeld erbracht hatte. Es war nach der Bedeutung der zentrifugalen Untersuchungstechnik gefragt worden. Zu dieser Frage war von Seiten des BMA eine Stellungnahme der Rechtskommission der DOG eingeholt worden. Danach dient eine inverse (zentrifugale) Gesichtsfeldbestimmung dem Nachweis bzw. Ausschluss von Aggravation und Simulation. Die Beiratsmitglieder dankten der DOG für die Erläuterung.
An das BMA war die Frage herangetragen worden, ob zur gutachtlichen Beurteilung von Gesichtsfeldausfällen bzw. zur Feststellung von Blindheit auch moderne Automatik-Perimeter, z. B. das Twinfield-Perimeter der Firme Oculus – und nicht allein das Goldmann-Perimeter – verwendet werden können. Dem BMA lagen hierzu bereits Aussagen externer Sachverständiger vor, zusätzlich wurden die anwesenden Sachverständigen zu diesem Punkt gehört. Nach Auffassung der Sachverständigen erfüllt das Twinfield-Perimeter sowohl die lichttechnischen als auch die apparativen Voraussetzungen, um eine vollständige gutachtliche Untersuchung des Gesichtsfeldes nach den Empfehlungen der DOG durchzuführen. Insbesondere kann die Lichtmarke wie beim Goldmann-Perimeter manuell frei bewegt werden. Bei einer Benutzung des Twinfield-Perimeters für gutachtliche Fragestellungen ist es erforderlich, die Untersuchung wie beim Goldmann- Perimeter manuell-kinetisch vorzunehmen. Eine alleinige statische (automatische) Untersuchung des Gesichtsfeldes ist für gutachtliche Fragestellungen nicht ausreichend. Die Anwesenden schlossen sich den Ausführungen der Sachverständigen an. Sie empfahlen, bei entsprechenden Gutachtenaufträgen darauf hinzuweisen, dass die Prüfung manuellkinetisch zu erfolgen habe. Bei vorgelegten Untersuchungsergebnissen könne nicht auf die Angaben des Untersuchers verzichtet werden, nach welcher Methode (manuell-kinetisch oder automatisch) die Gesichtsfeldbestimmung durchgeführt wurde.
Zu beantworten war die Frage, bei welchen Sehstörungen bei Begutachtungen nach dem Schwerbehindertengesetz auf eine beidäugige Prüfung der Sehschärfe verzichtet werden könne. Der Sachverständige wies darauf hin, daß zwar bei jeder Brillenverordnung ein beidäugiger Abgleich erfolge, der Visus jedoch in der augenärztlichen Praxis stets monokular bestimmt werde. Ob eine beidäugige Prüfung gutachtlich relevant sei, müsse der Gutachter einzelfallbezogen beurteilen. So müsse er z. B. bedenken, ob bei einer bestimmten Sehstörung ein beidäugiger Visuswert überhaupt zu einer anderen GdB/MdE-Bewertung nach der MdETabelle der DOG führen könne als bei einseitiger Prüfung oder ob die Feststellung von Nachteilsausgleichen oder des Schwerbehindertenstatus von einer solchen Prüfung abhänge. Bei einem Nystagmus sei der beidäugige Visus besser als der monokulare, bei Hyperopie, Esotropie und Myopie sei der beidäugig ermittelte Visus im Allgemeinen sogar schlechter. Hieraus leiteten die Beiratsmitglieder die Empfehlung ab, bei Begutachtungen nach dem Schwerbehindertengesetz immer dann eine augenärztliche Begutachtung mit Bestimmung der beidäugigen Sehschärfe durchzuführen, wenn durch die Änderung der Sehschärfe um mindestens eine Stufe entweder die Schwerbehinderteneigenschaft oder die Feststellung bestimmter Nachteilsausgleiche einschließlich Blindheit zur Diskussion steht oder wenn ein Nystagmus vorliegt.
Bei der Prüfung des Restsehvermögens mit Gesichtsfeldeinschränkungen sind aus augenärztlicher Sicht die Gesichtsfelder einzeln zu prüfen und der Beurteilung die monokular bestimmten Gesichtsfelder zugrunde zu legen.
Die Frage eines versorgungsärztlichen Dienstes, ob die gutachtliche Sehschärfenbestimmung nur nach DIN 58220 (Landolt-Ringe),durchgeführt werden soll, ist von der Rechtskommission der DOG bejaht worden. Damit bleibt es bei den allgemeinen Hinweisen zur Begutachtung von Sehbehinderungen in Nr. 26.4 Abs. 3, Seite 50 der „Anhaltspunkte“. Wenn jedoch eine Prüfung mit Landolt- Ringen nicht möglich ist, muss die Untersuchung nach den DOGRichtlinien mit zwei anderen Methoden durchgeführt werden (vgl. Kommentar zu den „Anhaltspunkten“, S. A 168 in Band IV des Gesamtkommentars ROHR/STRÄSSER).
Auf eine entsprechende Anfrage hatte die Rentenkommission der DOG mitgeteilt, daß die Angabe „partiell“ für die Beurteilung des Visus nicht ausreiche. Es müsse streng nach den Bestimmungen DIN 58220 verfahren werden.
Hierzu wurde von den Anwesenden klargestellt, daß es bei der Beurteilung verschiedener Sehbehinderungen wie auch bei anderen Behinderungen stets auf die Gesamtauswirkung ankommt. Rechenmethoden sind hierfür ungeeignet (vgl. Nr. 19 der „Anhaltspunkte“).
Es wurde ein Einzelfall erörtert, in dem sich bei hochgradiger Kurzsichtigkeit bei der Bestimmung der Sehschärfe erhebliche Differenzen zwischen der Prüfung mit Brillenkorrektur und mit Kontaktlinsen ergeben hatten. Die Beiratsmitglieder waren überwiegend der Meinung, daß in solchen Fällen, in denen nicht ständig die Kontaktlinsen getragen werden können, dem Ausmaß der Behinderung am besten durch Bildung einer Durchschnitts-MdE Rechnung getragen werden könne (vgl. auch hierzu TOP 1.5 der Beiratssitzung vom 26. März 1980).-
Zur Diskussion stand die Beurteilung einer „konzentrischen“ Gesichtsfeldeinengung
bei insgesamt exzentrisch gelegenem Gesichtsfeld.
Es wurde von dem Sachverständigen darauf hingewiesen, daß immer
die Sehschärfe im Zentrum des Restgesichtsfeldes maßgebend
sei.Wenn es in den „Anhaltspunkten“ bei der Beurteilung von Gesichtsfeldeinengungen
„Abstand vom Zentrum“ heiße, so bedeute
dies immer Abstand vom Zentrum des Restgesichtsfeldes.
Im Übrigen wies der Sachverständige darauf hin, daß es derartige
Gesichtsfeldeinschränkungen nur in Sonderfällen gebe (z. B. bei
Retinitis pigmentosa Optikusatrophie) und daß bei solchen Befunden
auch an Aggravation und Simulation des Untersuchten zu
denken sei. Deshalb sei ein solches Gesichtsfeld ohne Kenntnis des
morphologischen Befundes nicht zu beurteilen. Bei zwei vorgestellten
Einzelfällen mit dieser Problematik wurde eine augenärztliche
Begutachtung empfohlen.